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Ausgabe:

1956 Nr. 4

Spalte:

203-206

Autor/Hrsg.:

Fendt, Leonhard

Titel/Untertitel:

Zur Abendmahlspraxis im Schweden der Reformationszeit 1956

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203

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 4

204

Zur Abendmahlspraxis im Schweden der Reformationszeit

Von Leonhard Fendt, Augsburg

Andrens neues (und gewichtiges) Werk1 geht um drei Dinge:

1. ) um die Frage: In welchem Verhältnis steht in der Christenheit
das „communicare in sacris" zum bloßen „adesse sacris"?

2. ) Welches sind die Gründe für den jeweiligen Umschwung vom
„communicare" zum „adesse"? 3.) Wie verlief diese Sache speziell
in Schweden von der Reformation bis ins 17. Jhdt.? Man

höchste steigen sollte. Diese Erwartung trog. [Warum eigentlich?
War den Beteiligten die Freiheit vom Zwang mehr wert als die
Freiheit zum Abendmahlsgang? Oder dachten sie so scharf, daß
sie überlegten: Ist doch im Abendmahl „das Wort" das Agens,
so suchen wir gleich „das Wort" und nicht auch das Sakrament
? Oder wirkte sich die Reformation der Messe als Sakra-

könnte nun z. B. die 1. und 2. Frage ohne weiteres rein liturgie- j mentsmüdigkeit aus?] Jedenfalls ging die „Entwicklung" nicht
geschichtlich dahin beantworten: Das heutige Christenabendmahl j einfach zum Sonntags-Hochamt als Gemeindekommunion, son-

begann (z.B. 1. Kor. 11) als Abendessen der Christengemeinde;
hier war es selbstverständlich, daß jeder „kommunizierte". Auch
als (z.B. in Justins Schema, 1. Apol. 65; 66; 67) das Mahl zu
einem Quasi-Mahl geworden war, lag dennoch der Mahlcharakter
so im Vordergrund, daß jeder „kommunizierte". Je stärker aber
der Mahlcharakter in den Hintergrund rückte, umso näher mußte
das bloße „adesse" als Regel, das „communicare" als Ausnahme

dern schließlich zum Sonntags-Predigt-Amt ohne Gemeindekommunion
, also von der „Hochmesse" zur „Hochpredigt". Auch
hier findet Andren die Gründe im Wechsel der Abendmahls- und
Konsekrations-Auffassung, da man von Luthers „Volipräsenz"
mit seiner Betonung der Sündenvergebung abging und wieder
die „Lokalisation" wählte — anderseits von Luthers These
Christus konsekriert, nicht der Priester" wieder in das Gehege

kommen. Diesen Weg nun schlägt Andren nicht ein, sondern er ! des Konsekrationsmomentes geriet. Man redete demnach als-
wählt den dogmengeschichtlichen Verlauf zum Führer: Die An- [ bald von einer „unio sacramentalis", einer „mutatio" (nicht der
derungen in der Anschauung über a.) Inhalt des Abendmahls, j Elemente zwar, aber der „nuda elementa" zum „Sakrament"),

b.) Wirkung der Einsetzungsworte — sind der Grund für die je
weilige Lage des „communicare" und „adesse"! Dabei übersieht
Andren keineswegs die Unterschiede zwischen Theorie und Pra

durch die Einsetzungsworte. Die Folge: Pflichtkommunion,
Pflichttermine, Strafen für Kommunionsverächter! (Hier hat Andren
die Stellung Luthers stark vereinfacht! Aber das durfte er:

xis, bzw. das Gewicht der eingebürgerten Sitte. Aber er will nun I die Linie bei Luther unterstreichen, die echt reformatorisch war,

zuvörderst den Einfluß der Abendmahls- und Konsekrationsauf- j und deren Verlassen den Abstieg von der reformatorischen Höhe

fassungen auf die Dialektik „Messe ohne Gemeindekommunion" bedeutete. Aber ob nicht Luther selbst gelegentlich diesem Ab-

und „Messe als Gemeindekommunion" untersuchen. (In einem stieg zuwinkte? Vgl. De Wette V 777 mit V 573.) In Schweden

Werke von 1952: „Nattvardsberedelsen", das wir ThLZ 1953 kam „zwischenhinein" die Ära Johanns III. und Sigismunds, wel-

Nr. 10, 623 ff. anzeigten, hat Andren die Rolle untersucht, welche
die „Vorbereitungsforderungen", Beichte und Fasten, in derselben
Richtung spielten.)

Nun legt Andren zuerst den Umschwung dar, welcher in
ältester Zeit von der Auffassung „Christi Gegenwart in der
Mahlgemeinde" zur Auffassung „Christi Gegenwart in den Elementen
des Mahles" geschah. Dann den Umschwung von dieser
„Lokalisierung" zu den Lehren von einer „Konsubstantiation"
und schließlich zur Lehre von der „Transsubstantiation" der Elemente
. Die Auffassung von der Konsekration speziell ging von
der Überzeugung „Die ganze Feier ist konsekratorisch" bis zur
Fixierung eines „Konsekrationsmomentes" in den Einsetzungsworten
(bzw. in einer „Epiklese"). Legte man den Nachdruck auf
den Eintritt der Konsekration an einem bestimmten Punkte, so
konnte die Messe als Feier mit eigenem Gehalt auch ohne Gemeindekommunion
auftreten; die Meßfrequenz konnte so zunehmen
, die Kommunionfrequenz abnehmen, ohne daß die Messe
dahinsank. (Es konnte auch die Gemeindekommunion auf eine
„Frühmesse" rücken. Letzer Hort des Mahlcharakters blieb dann
für die „Hochmesse" immer noch die Kommunion des Priesters
allein). Die Kommunionfrequenz konnte aber deshalb sinken,
weil die Scheu von der Transsubstantiation her die Leute von
der Kommunion zurückhielt — einige freilich wurden geradezu
angelockt durch die Schauer des Mysteriums. (Es war Reinhold
Seeberg, der DG III, 92 f. auf die Bedenken der Kommunikanten
wegen der octo capitalia vitia hinwies.) Auch der Ausweg in die
„geistliche Kommunion", in die „Eulogien", in die „Schau" der
Hostie gehört hierher. So kam es schließlich zur Festsetzung einer
Mindestforderung wirklichen Kommunionempfangs — und das
Laterankonzil 1215 ermäßigte die Mindestforderung auf „einmal
im Jahr", und zwar „an Ostern". Bis dahin hatten die Bischöfe
die Leute zur Kommunion an Ostern, Pfingsten, Weihnachten
oder öfter aufgerufen; nun war die Osterkommunion Pflicht —
und die an Pfingsten, Weihnachten usw. galt als verdienstvoll.
(An die Mönche und Nonnen stellte man strengere Forderungen
.) Schweden machte im Mittelalter diesen Usus theoretisch
und praktisch durchaus mit.

Die Reformation Luthers hatte damit gerechnet, daß nunmehr
jede Sonntags- und Feiertags-Messe als Gemeindekommunion
gehalten würde — und daß die Kommunionfrequenz aufs

*) Andren, Ake: Högmässa odi Nattvardsgäng i reformations-
tidens Svenska Kyrkoliv. Stockholm: Svenska Kyrkans Diakonistyrelses
Bokförlag [1954]. XXXVI, 516 S. mit Abb. gr. 8° = Samlingar och Studier
tili Svenska Kyrkans Historia, Hrsg. H. Pleijel, 32. Kr. 30.—.

che Andren die „liturgische Bewegung" nennt; sie machte den
ganzen Sakramentarismus der katholischen Vergangenheit nach,
aber auf protestantisch, nämlich mit Abstrich der Transsubstantiation
— lehrte aber eine „Transformation" durch die Konsekrationsworte
. Infolge dieser „Transformation" holte man im
Abendmahl als die erste Gabe die Einpflanzung in Christus, als
die zweite die „Speise der Unsterblichkeit", erst als die dritte die
Vergebung der Sünden. Es galt die „Lokalisierung" der Realpräsenz
„mit" Wein und Brot nach der Rezitation der Einsetzungsworte
. Elevationsgebete unterstrichen den Konsekrationsmoment
; die Einsetzungsworte wurden in der „Liturgia Suecanae
Ecclesiae Catholicae et Orthodoxae commformis" von 1576 mit
„ad te, saneta pater" und „tibi gratias agens" zum Gebet gemacht
, wie es einer Art „Epiklese" entsprach; aus der „Transformationsauffassung
" ergab sich, daß man gewiß nicht die Elemente
, aber Christi Fleisch und Blut im Sakramente anbeten
konnte. Kurz: die Lokalisation trug „katholische" Früchte, zwar
nicht römisch-katholische (die gab es bei den Päpstlichen, „Sakramentarier
" geheißenen), aber gegen jede Art von Kalvinismus
gesunde — und man zitierte fleißig dazu Luther. Laurentius
Petri [Gothus] „Divina Providentia Archiepiscopus Upsalensis"
hob in seiner Einführung der „Liturgia Suecanae Ecclesiae" von
1576 nachdrücklich diese Kraft des „lutherischen" Sakramentarismus
hervor: gegen die Sakramentarier von Rom ebenso wie gegen
die Profanatoren von Zürich und Genf zu wirken. Sowohl in der
Geistlichkeit als bei Herzog Karl kamen Hemmungen zu Tage,
die immer wieder gegen die Abwandlung des Luther-Hochamts
und der Luther-Auffassungen von Abendmahl, Messe, Konsekration
Riegel vorschieben wollten. Aber erst das Konzil von
Uppsala 1593 drang durch und führte die „antiliturgische Bewegung
" (Andren nennt sie so) zum Sieg. Das Bistum Västeräs
verbot sogar 1597, je Messe ohne Gemeindekommunion zu
feiern. Aber der Sieg der „Antiliturgiker" wurde dann im
17. Jhdt. von der nun auch in Schweden machtvollen „Orthodoxie
" nicht zugunsten der Luther-Messe und Luther-Dogmatik
behandelt, sondern zugunsten des Predigtgottesdienstes — während
die Sache des Abendmahls als ein Sonderfall auf ein Nebengeleise
geschoben und dort strenger Reglementierung unterworfen
wurde, wie in der Lehre so in der Praxis. Dazu kann man
nur sagen: Die Hervorholung der Predigt war gut, aber damit
war die Sache des Abendmahls nicht in Ordnung gebracht — im
Sinne der Reformation.

Was nun den „überschießenden" Zweck der Untersuchungen
Andrens betrifft, nämlich das Hin und Her zwischen Lehre und