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Ausgabe:

1956 Nr. 3

Spalte:

179-180

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Montano, Rocco

Titel/Untertitel:

L' 1956

Rezensent:

Svoboda, Karel

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179

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 3

180

spiele kirchlicher Graphik. Nicht nur von den 1939 bis 1953 entstandenen
Neubauten erscheinen viele im Bildteil, auch die Beispiele
für Altar, Taufstein, Kanzel, Lehrpult, Beleuchtungskörper,
Paramentik, kirchliche Geräte, Plastik u. a. stammen weithin aus
den letzten 15 Jahren. Bei dem Mangel an Publikationsmöglichkeiten
im Gebiete der Kirchlichen Kunst — noch immer haben wir
keine Evangelische Kirchliche Kunstzeitschrift — wäre schon diese
im Abbildungsteil gegebene „Leistungsschau" eine überaus begrüßenswerte
Arbeit gewesen im Blick auf die Gemeinden wie die
Künstler selbst. Aber Wendland hat vor allem den Textteil des
Buches im Blick auf die Gegenwarts-, d. h. Nachkriegssituation
hin überarbeitet: die Zerstörungen und Beschädigungen durch
Kriegseinwirkungen stellen fast alle Gemeinden vor solch große
Aufgaben und Fragen, daß unsere Generation sie nur zum Teil
wird lösen können im Wiederaufbau, in Teilrestaurierungen, in
Umgestaltungen neugotischer Kirchen des 19. Jahrhunderts, bei
denen man nicht vom Denkmalsschutz her die Erneuerung in der
alten Baugestalt wird fordern können. Die Notwendigkeit von sog.
Notkirchen stand in den ersten Nachkriegsjahren im Mittelpunkt
der Neubaufragen, heute beherrschen die Lösungsversuche im
Sinne eines „Gemeindezentrums", einer Baugruppe um die bleibende
Mitte der Kirche die Kirchbaudebatten, und Wendland
nimmt Stellung dazu. Immer geht er aus vom rechten Gemeinde-
und gottesdienstlichen Verständnis, von der Liturgie als eigentlicher
Bauherrin (Cornelius Gurlitts Formulierung) und gibt so
dem Architekten und Künstler wie dem Theologen und tätigen
Gemeindeglied viele Anregungen, entsprechend der Kapiteleinteilung
: „Von der Baukunst", „Das Erbe", „Bilder und Bildwerk",
„Kirchliches Gerät", „Vom christlichen Haus", „Die letzte Wohnung
" (Friedhof). Daß der mitschwingende Ton der Mahnung,
diese „scheinbaren Äußerlichkeiten, die jahrelang zu unserm großen
Schaden sehr vernachlässigt wurden", ernst zu nehmen, nur
zu nötig ist, weiß jeder, der in diesem Gebiet mitarbeitet. Die
Tagungen mit Künstlern, die die Evangelischen Akademien und
andere kirchliche Stellen jetzt durchführen, sind verheißungsvolle
Anfänge dafür, daß die Kirche ihre Verantwortung für die sichtbare
Verkündigung und die Künstler wieder zu begreifen beginnt
und daß die Künstler wieder von draußen den Weg zur Botschaft
der Kirche finden. Wendlands Buch wird viel Verantwortlichkeit
wecken und viele Brücken schlagen können.

Lutherstadt Wittenberg Oskar Thulin

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Montmo, Rocco: L'Estetica nel pensicro cristiano. Estratto dalla
Grande Antologia filosofica, vol. V, S. 151—310. Milano: C. Marzo-
rati [1955].

Fast bis zum Ende des 19. Jhdts. hat man den ästhetischen
Anschauungen des Mittelalters wenig Aufmerksamkeit gewidmet.
Dann aber trat eine Wendung ein; sie hing teils mit dem zunehmenden
historischen Interesse für alle Zeitepochen und alle
Kulturen, teils mit den idealistischen und neuthomistischen Strömungen
von damals zusammen. Man veröffenlichte mehrere bis
dahin unbekannte mittelalterliche Schriften, Geschichtschreiber
der Ästhetik (F. Bosanquet, B. Croce u.a.) machten nicht mehr
den „Sprung über das Mittelalter", wie es seiner Zeit M. Schasler
(„Kritische Geschichte der Ästhetik", 1872, 253) getan hatte,
Forscher der Scholastik (M. De Wulf, E. Gilson, E. De Bruyne u.a.)
beleuchteten einige Grundfragen der christlichen Ästhetik, Kulturhistoriker
(Ch. H. Haskins, M.Roger u.a.) verfolgten die humanistischen
Bestrebungen des Mittelalters, Literarhistoriker
(G. Saintsbury, E. Faral, H. H. Glunz, E. A. Curtius) erörterten die
literarästhetischen Anschauungen des Mittelalters und die Kunsthistoriker
(M. Dvorak, E. Panofsky) jene der bildenden Kunst
usw.

Das Buch des Neapler Ästhetikers und'Kritikers Montano,
das zur Besprechung vorliegt, bildet einen selbständigen Teil der
breit angelegten „Grande Antologia filosofica", deren bisher erschienene
, dem Altertum und dem Mittelalter gewidmete fünf
Bände von mehr als 40 Schriftstellern verfaßt sind und beiläufig
5000 Seiten umfassen.

Im ersten Teile seines Beitrags entwirft M. ein lebhaft gemaltes
, synthetisches Bild der christlichen Ästhetik des Mittelalters
. Er faßt sie einheitlich, mehr systematisch als entwicklungsgeschichtlich
auf. Den behandelten Fragen entsprechend — das
Schöne als Harmonie, Proportion und Zahl, der metaphysische
Wert des Schönen, der mittelalterliche Realismus, Optimismus,
und Humanismus, Allegorie usw. — teilt er den Stoff in 9 Kapitel
ein. Einleitend hebt er den engen Zusammenhang der Kunsttheorie
und Kunstpraxis zu jeder Zeit hervor. Von der antiken
Kunst hat das Mittelalter den Sinn für das formale Gleichgewicht
ererbt. Es war realistisch gesinnt, erblickte die Schönheit in der
Wirklichkeit, sah in ihr den Widerschein göttlichen Lichtes und
ahmte sie nach. In der Kunsttätigkeit betonte es eher das verstandesmäßige
, ja wissenschaftliche als das gefühlsmäßige Element
und als die Inspiration. Die Kunst ist für den mittelalterlichen
Menschen nicht Ausdruck (vgl. Croce), sondern Beobachtung und
Konstruktion; moralische Skrupel lagen ihm fern. Man unterschied
das Gute und das Schöne, den ästhetischen Genuß und die Erkenntnis
. Man ehrte und studierte die alten auetores (dies hebt
M. in Anlehnung an den Neapeler Literarhistoriker G. Toffanin
hervor) und verwendete große Sorgfalt mit Bezug auf die künstlerische
Form. Der Glaube, Gott gebe sich überall kund, führte
zur Allegorie, d. h. zum Suchen des „anderen Sinnes" wie der geschriebenen
Worte so der Dinge; ihre Anfänge reichen freilich auf
die Griechen zurück (und, wie es uns scheint, bis auf die orientalische
Traumdeutung, die ihrerseits in der Psychoanalyse wieder
auflebt). Wie man sieht, betont M. jene Züge der christlichen
Ästhetik, durch welche sie sich von der antiken und modernen
unterscheidet.

Im zweiten Teile seines Beitrags gibt M. eine kritische Übersicht
über die neue Literatur zur mittelalterlichen Ästhetik und
im dritten, umfangreichsten Teil übersetzt er die wichtigsten
Stellen aus den ästhetischen Schriften jener Zeit ins Italienische.
Seine Übersetzungen sind, sofern wir sie mit den Originalen
verglichen haben, treu und geschmackvoll. Entsprechend der Gliederung
des ersten Teiles sind diese Auszüge den Problemen nach
in 9 Kapitel eingeteilt, so daß sie als Belegmaterial zum ersten
Teile anzusprechen sind. Eine solche Einteilung hat freilich ihren
Nachteil: z. B. derselbe Abschnitt aus Bonaventura, der das Kapitel
über das Schöne als Licht begleitet (S. 221 f.), könnte auch an das
Kapitel über die formale Schönheit angeschlossen werden, und die
Ausführungen aus Augustins De musica (S. 224 f.) werden nicht
ganz überzeugend dem Kapitel über den Realismus zugeteilt. Die
meisten Übersetzungen stammen aus Augustin, Bocthius, Cassi-
odor, Isidor, Johannes Eriugena, Abaelard, Johannes von Sali-
bury, Alanus, Hugo und Richard von St. Viktor, Grosseteste.
Alexander von Haies, Bonaventura, Thomas von Aquin und
Dante. In diesen erblickt der Vf. die Vollendung der christlichen
Kunst und Kunsttheorie. Aus den griechischen Vätern — mit der
einzigen Ausnahme von Origenes (S. 273) — sowie aus den byzantinischen
Theologen hat er nicht geschöpft; die ästhetischen
Ansichten der ersteren wurden von Qu. Cataudella (Critica ed
Estetica nella letteratura greca cristiana, 1928) dargelegt, während
das andere Feld noch vollkommen brach liegt. Im ganzen jedoch
stellt Ms. Buch einen inhaltsreichen und selbständigen Beitrag
zur Geschichte der mittelalterlichen Ästhetik dar.

Prag K. Svoboda

Keller, Wilhelm [Prof.]: Psychologie und Philosophie des Wollcns.

München: Reinhardt 1954. 348 S., gr. 8°. Kart. DM 14.—; Lw. 16.—.

Was sich seit längerer Zeit im psychologischen Schrifttum
ankündigte, geschieht hier auf der ganzen Linie: Die Rückkehr
der Psychologie zur Philosophie. Diese hätte jene „nur in einer
Periode innerer Schwäche an naturwissenschaftliche Disziplinen
abgetreten" (320). Eine echte Psychologie des Wollens sei nur
möglich aufgrund einer Wesensschau des Menschen; sie aber verlange
nach der Ontologie, d. h. nach der Metaphysik. „Philosophie
als Metaphysik ist mit Ontologie identisch" (33). Man entnimmt
unschwer solchem Satz, daß der Verf. dem Kritizismus entstammt,
was bald jeder Satz des Buches verrät. Sein Weg führte ihn über
die Phänomenologie, der sein glückliches psychologisches Forschen
entstammt, und wendet sich zu einer kritischen Schau menschlichen
Seins überhaupt, für das der Wille das psychologische, die Freiheit
das philosophische Kernproblem ist. Das Ziel ist, die empirische
Fülle der Erscheinungen im menschlichen Willensbereich in