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Ausgabe:

1955 Nr. 3

Spalte:

157-158

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Dobrovský, Josef

Titel/Untertitel:

Fragmentum pragense euangelii S. Marci 1955

Rezensent:

Vogels, Heinrich Joseph

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157

Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 3

158

(oder 19f.) zusammengehört, da sie sich als in sich geschlossene
Einheit stilistisch und inhaltlich vom Einsetzungshericht abhebt
und außerdem in V. 17 wahrscheinlich ursprünglich vom Segensbecher
nach dem Mahl berichtete. So. weit scheint mir der Nachweis
richtig erbracht. Die Wahrscheinlichkeit, daß hier ein alter
Bericht vom letzten Mahl Jesu ohne Einsetzungsworte vorliegt,
ist durch diese sehr verdienstliche, unermüdliche Kleinarbeit in
sich schließende Untersuchung sehr verstärkt worden. Ich müßte
von hier aus noch etwas stärker als in ThLZ 1954, Sp. 585 f. mit
der Möglichkeit rechnen, daß darin der historische Tatbestand
und damit auch das allererste Herrenmahl in der Urgemeindc
richtig geschildert ist.

Der Verfasser zieht andere Konsequenzen, die mir (wie es
aber dem Wesen solcher Folgerungen immer entspricht) fraglich
bleiben. Er vertritt S. 53—74 die Ansicht, eine alte doppelte To-
desprophetie beim letzten Mahl sei erst sekundär durch V. 17b
zu einem Erzählungsstück umgewandelt worden und habe erst
so eucharistischen Charakter erhalten. Aber ist es denkbar, daß
dies mit so wenigen, unklaren Andeutungen geschehen wäre,
ohne daß das Brot erwähnt würde? Oder falls das geschehen
wäre, als schon der eigentliche Einsetzungsbericht folgte, hätte
irgendeine Gemeinde dann die Schwierigkeit eines doppelten
Eucharistiebechers noch unterstrichen? Wir wissen ja, wie in der
Textgeschichte alles versucht wurde, sie zu beseitigen. Der Verfasser
wird recht haben, wenn er feststellt, daß es keineswegs
sicher ist, daß der Gemeinschaftsbecher damals gebräuchlich war,
daß also V. 17b vielleicht dieses der Eucharistie eigene Moment
betont. Aber es ist ebenso wenig gesichert, daß er nicht gehraucht
wurde, und auch wenn dies so gewesen wäre, schiene mir
nur bewiesen, daß vermutlich Jesus selbst den eschatologischen
Spruch durch diese ungewohnte Austeilung des Bechers unterstrichen
hätte, was erklärte, daß er bei Mk. nur noch beim Becher
auftaucht. So scheint mir auch die Erzählungstendenz nicht die
Vorhersage des nahen Todes zu sein, sondern eben der eschato-
logische Ausblick.

Wahrscheinlicher, wenn auch nicht sicher, erscheint mir hingegen
das Ergebnis des 2. Abschnittes (S. 75—123), daß nämlich
diese Perikope von Anfang an auch eine Einleitung hatte, die
durch die — wie in genauer Untersuchung gesichert wird, aus Mk.
übernommene — Perikope Lk. 22, 7—14 verdrängt worden ist.
Diese alte Einleitung lebt nach Schürmann zwar weiter in diesem
Abschnitt, ist aber schon von Mk. unter dem Einfluß von
Mk. 11, 1 ff. stark umgestaltet und erst so von Lk. übernommen
worden.

Auch wer da und dort andere Folgeningen aus dem nachgewiesenen
Tatbestand zieht, dankt dem Verfasser für die genaue
und erschöpfende Untersuchung des Materials wie auch für
das außergewöhnlich reiche Literaturverzeichnis. Zwei sinnstörende
Druckfehler wären noch zu korrigieren: Anm. 197: Lk. 22
(statt 14), S. 120: Mk. 11,1—7 (statt 7ff.); Eigennamen (S. llO
U- ähnl. werden vom Leser stillschweigend verbessert. Daß der
Verfasser meine damals nur sehr fragend am Rand geäußerte falsche
Vermutung, Lk. 22, 15—18 sei aus Mk. 14, 25 entstanden,
stillschweigend ins Gegenteil korrigierte und mich fälschlicherweise
aus Anm. 2 in Anm. 1 avancieren ließ, hoffe ich auf eine
unbewußte Sympathie zurückführen zu dürfen.

Zürich Eduard Schweiz er

° o b r o v s k v, Josef: Fragmentjim Pragense Euangelii S. Marci vulgo
autogr. Prag: Nakladatelstvi Öeskoslovenske Akademie VfiD, 1953.
150S., l7Taf. gr. 8° = Öeskoslovenske Akademie V£D. Sekce
jazykoveda a literatura.

Die tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften gibt
gegenwärtig die Werke des Historikers Jos. Dobrovskf (1753—
1829) heraus, der sich durch bahnbrechende Untersuchungen, namentlich
auf sprachlichem Gebiet, um sein Volk große Verdienste
erworben hat. In der Reihe dieser Veröffentlichungen bringt das
vorliegende Heft eine Untersuchung der Stücke des lateinischen
Evangeliums, die mehr als ein halbes Jahrtausend als das Origi-
na' der Schrift des Evangelisten Markus betrachtet und verehrt
Worden sind

Mit dieser Arbeit führte sich i. J. 1778 der damals 24jähriee
Seminarist bei der gelehrten Welt vorteilhaft ein. Denn wiewohl

bereits G. Fontanini (f 1736), dann auch L. delaTorre und der
Elsässer J. D. Schöpflin (1773) die Haltlosigkeit jener Legende
und die Zugehörigkeit unserer Fragmente zu einer in Cividale
aufbewahrten Evangelienhandschrift vermuteten, bezw. erkannten,
sicherte doch erst Dobrovsky's Untersuchung das Ergebnis so
überzeugend, daß eine Gegenschrift von A. Comoretti (1780) als
ein harmloses Geschoß keiner Erwiderung für wert befunden ward.
D. zeigt, daß Kaiser Karl IV. i. J. 13 54 zu Aquileja die beiden
letzten Heftlagen des Mk.-Textes sich erbat, um die kostbare Reliquie
der St. Veits Kathedrale in Prag zum Geschenk zu machen,
gibt eine genaue Beschreibung der Fragmente, untersucht mit den
Mitteln seiner Zeit deren Textcharakter und bietet zum Schluß
eine ziemlich sorgfältige Edition der 16 Seiten nebst Handschriftenprobe
.

Diese Abhandlung vom Jahre 1778 ist hier wieder abgedruckt
(S. 43—116) samt der Gegenschrift von Comoretti und
einiger Briefe, die dieser in der Angelegenheit von Udine aus
nach Prag richtete (S. 119—149). Beigegeben ist eine gute Lichtdruckausgabe
der Fragmente mit dem Text von Mk. 12, 21—
16, 20. Die Einleitung (S. 5—22) von B. Ryba ist tschechisch geschrieben
und dem Recensenten nicht zugänglich, doch bietet ihre
Zusammenfassung in russischer, französischer und englischer
Sprache (S. 23—42) ausreichenden Ersatz.

Wenn Ryba glaubt gezeigt zu haben, daß es sich zweifellos
bei den Fragmenten um einen Vulgatatext handele, so sieht er
sich die Sache doch wohl etwas zu einfach an. Zwar wird die Tatsache
, daß die Herausgeber der Oxforder Vulgata aus den Tausenden
von Vulgata-Kodizes mit wenigen anderen auch die Handschrift
von Cividale-Prag (unter dem Siglum J) als Zeugen für
den echten Hieronymustext herangezogen, auf den weniger unterrichteten
Leser Eindruck machen. Allein, was ist damit bewiesen
? Haben nicht Wordsworth-White für des Corpus Paulinum
den irischen Codex Ardmachanus (D) benutzt, der doch einen fast
reinen Ambrosiastertext bringt, wenn man sich für diesen nicht
mit der römischen oder der Maurinerausgabe begnügt, sondern
ihn nach den Hss richtig recensiert? In Wirklichkeit gehören die
Prager Fragmente weder zur Itala noch zur Vulgata, vielmehr zu
beiden, genau so wie der örtlich und zeitlich nahestehende und
im Text eng verwandte Codex Rehdigeranus. Im Jahre 1928
zeigte man, wie sich in unserem Vulgatatext das Korrekturwerk
des Hieronymus von der durch ihn benutzten Vorlage abheben
läßt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß der Prager Text einerseits
eine Fülle von Lesarten bietet, die der Feder des Hieronymus
entstammen; andererseits lehrt uns manches alte Gut, daß es
sich um einen früheren Altlateiner handelt, weitgehend der Vulgata
angenähert.

Gern hätte man bei dieser Gelegenheit erfahren, was es mit
der Notiz van Sittart's (Journ. of Philology 1869, 2, 245) auf sich
hat, wonach der Codex Foro-Juliensis mit der Hs Paris, (Bibl. Nat.
lat. 17226 (vgl. S. Berger, Histoire de la Vulgate 409) große
Ähnlichkeit aufweist.

Bonn__Heinrich Vogel«

K 1 e b e r g, Tönnes: Eine aus Modena stammende Göteborger Handschrift
der Paulinischen Briefe.
Ex Erani vol. LH seorsum expr. 1954 S. 278—281.

K 1 i j n, A. F. J.: A Medieval Dutch Text of Acts.
New Testament Studies I, 1954 S. 51—56.

Levie, Jean: L'^vangile arameen de S. Matthieu est-il la »ouree de
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Nouvelle Revue Theologique 76, 1954 S. 812—«43.
Macgregor, G. H. C: Principalities and Powers: the Cosmic Badc-

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Sprachgeschichte und Wortbedeutung. Festschrift Albert Debrunner

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P I a c h t e, Kurt: Das Zeugnis der Offenbarung.

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