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Ausgabe:

1955 Nr. 2

Spalte:

118-120

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Nitschke, Horst

Titel/Untertitel:

Die Beurteilung des natürlichen Menschen in der Theologie Julius Müllers 1955

Rezensent:

Nitschke, Horst

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 2

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Unendlichkeiten mit einschließenden Wirklichkeitsschau den Totalitätsanspruch
der ratio als illusionär aufdeckt. Während sich aber die meisten
Veröffentlichungen zum gleichen Thema auf diese Aufgabe beschränken
(so die sonst überaus verdienstvolle Studie von Peter Brunner
. Imago dei - Krüger-Festschrift — 1932), sucht die vorliegende Arbeit
in einem zweiten Hauptteil die positive Seite des Menschenbildes
bei Pascal zu entfalten, indem sie zeigt, wie sich dem Menschen in der
Begegnung mit Christus mit dem ordo caritatis dei eine neue Dimension
seiner Wirklichkeit und damit eine neue Einsicht in die Lebenszusammenhänge
erschließt (Fr. 337).

Ein abschließendes Kapitel stellt die Frage nach Pascals Beitrag
für unseren gegenwärtigen Dienst in Verkündigung und Seelsorge und
weist in doppelter Richtung:

Einmal können uns die Erkenntnisse Pascals die Augen öffnen für
die geistigen Voraussetzungen des modernen säkularen Welt- und Menschenverständnisses
und uns so den Blick schärfen für unseren seelsor-
gerlidien Dienst an dem dem innerweltlichen Denken verhafteten Menschen
. Zum andern können uns Pascals Schriftverständnis und Bibelinterpretation
in ihrer ständigen Bezogenheit auf ein konkretes Gegenüber
insofern eine Hilfe sein bei unserer Bemühung um die rechte
Gegenwartsbezogenheit der Verkündigung, als sie uns in höchst praktischer
Weise zeigen, wie die Verkündigung in ihrem Vollzug immer
den durch ein bestimmtes zeitbedingtes Selbstverständnis geprägten
Menschen im Auge haben muß, wenn sie als aktuelles Wort gehört
werden soll und ihren Auftrag nicht verfehlen will.

Looff, Hans: Der Symbolbegriff in der neueren Religionsphilosophie
und Theologie. Diss. Marburg 1954.

Die Schrift bemüht sich um exakte Herausarbeitung des terminologischen
Gehaltes des Symbolbegriffes mit besonderer Berücksichtigung
der Problematik des religiösen Symbols. Dabei wendet sie ihre besondere
Aufmerksamkeit dem modernen im Anschluß an Goethe entwickelten
„ontologischen" Symbolbegriff (Kurt Leese) zu, nach welchem im Symbol
bereits in paradoxer Weise das Transcendente enthalten ist. Das Besondere
ist das Allgemeine. Symbol ist ein erfülltes Zeichen.

Der Verf. entwickelt das Ringen um den Symbolbegriff bei verschiedenen
neueren Philosophen und Theologen, die mit Hilfe dieses
Begriffes die religiöse Krise zu überwinden suchen. Methodisch geht er
dabei so vor, daß er zunächst die philosophische und theologische Grundposition
des betreffenden Denkers darstellt und dann kritisch untersucht,
wie weit die vertretenen religiösen Intentionen mit dem zugrundegelegten
Symbolbegriff übereinstimmen. Im einzelnen behandelt die Arbeit die
Symboltheorien von Ernst Cassirer, Ferdinand Weinhandl, Paul Tillich,
Fritz Medicus, Kurt Leese, die sogenannte Berneuchencr Theologie eines
W. Stählin und A. D. Müller, Kurt Plachte, Friedrich Brunstäd und Helmut
Schreiner, den Philosophen Karl Jaspers, den kath. Religionsphilosophen
Romano Guardini und Leopold Ziegler. Die systematische Auswertung
ergibt folgendes Bild: Das Symboldenken erscheint einmal als bloßes
..zuständliches" Denken, das die menschliche Innenwelt aufschließen
möchte im Sinne der Förderung des religiösen Erlebens (Weinhandl). Es
schreitet fort zur Verabsolutierung bestimmter statutarischer Symbolwelten
wie dem biblischen „Wort Gottes" bei den Berneuchenern und dem
katholischen Kultus bei Romano Guardini. Dazwischen steht ein dialektischer
Symbolbcgriff, in dem die „Selbstmächtigkeit" desselben in
einer beständigen Spannung steht zu seiner „Uneigentlichkeit". Die Sym-
holdialektik Paul Tillichs schwankt zwischen „Setzen" und „Aufheben"
der religiösen Symbole und legt damit die via eminentiae und via nega-
tionis in diesen Begriff hinein. Bei Karl Jaspers hebt sich der dialektisch
verstandene Symbolbegriff am Ende selbst auf, um in der „Existenzcrhel-
lung" des philosophischen Glaubens alle bestimmten Gestalten der Transzendenz
zu durchbrechen in der Erreichung der „bildlosen Transzendenz".

nennt Jaspers Entmythisierung. Sie ist gebunden an einen gesteigerten
Grad der Selbstreflektion. Bezüglich des religiösen Gehaltes wird nachgewiesen
, daß der ontologisch verstandene Symbolbegriff einer dogma-
''sch ungebundenen Religiosität angehört, während eine Transcendenz-
erfassung, die sich einem bestimmten geschichtlichen Offenbarungsanspruch
Verhaftet weiß, den Symbolbegriff nur „funktional" in ihren Dienst neh-
m«n kann, ohne ihm eine ontologische Seinsmächtigkeit einzuräumen.

Ein zweiter systematischer Teil der Arbeit stellt in seinem ersten
Abschnitt das moderne religiöse Symboldenken den Grundpositionen der
§.e?enwärtigen neureformatorischen evangelischen Theologie gegenüber.
Uberraschende Parallelen beider Denkrichtungen werden nachgewiesen,
aber auch die wesentlichen Unterschiede herausgestellt. Besondere Beachtung
ist der Kontroverse Barth und Tillich geschenkt.
,. Der zweite Abschnitt behandelt grundsätzlich Anwendungsnotwen-
dl?keiten und -grenzen des Symbolbegriffes in religiös-praktischer und
erkenntnis-theoretischer Beziehung. So wird z. B. der gegensätzliche Gebrauch
des Symbolischen in Naturwissenschaft und Religion aufgewiesen.
s finden sich Erörterungen über das symbolische religiöse Erkennen im
Gegensatz zu dem scholastischen Analogiebegriff sowie über den Erkenntniswert
des religiösen Symbols. Der Verf. fragt zuletzt nach den Grenzen
des Symbolischen, wo dieses in das Unsymbolische umschlägt. Er unterscheidet
im Anschluß an das Werk von E. Bevan „Symbolism and Belief"
London 193S zwischen „durchsichtigen" und „undurchsichtigen" Symbolen
. Hinter die „undurchsichtigen "Symbole kann nicht gesehen werden,
sie sind „unvertauschbar" und lassen keine bessere oder auch nur gleichwertige
Symbolisierungsmöglichkeit zu. Symbol und Sache fallen hier
unmittelbar in der Prägung des Ausdrucks zusammen und können sich
nicht analogisch gegenübergestellt werden. Die „undurchsichtigen" Symbole
zeigen zugleich die Grenze jedes Entmythologisierungsversuches an.
Als „undurchsichtige" Symbole, auf die der Glaube nicht verzichten kann,
nennt der Verfasser z. B. die Bezeichnung Gottes als eines Vaters und
das persönlich-lebendige Christussymbol. Hier wird die Symbolkategorie
von innen gesprengt, indem unmittelbar am Symbol die religiöse Realität
aufbricht. Alle Symbole wurzeln im Glauben. Sie sind niemals logisch
zwingend. Sie leben von der unendlichen Überlegenheit über alle und
jede Beweisbarkeit.

Moritzen, Niels-Peter: Christus der Herr. Eine sprach- und dogmengeschichtliche
Studie. Diss. Erlangen 1953. 127 S.

Vorliegende Arbeit geht von einem sprachlichen Phänomen aus. Sie
untersucht das Vorkommen von äsajiöxTji im Vergleich mit xvQioi
im griechischen kirchlichen Sprachgebrauch vom NT bis in das 5. Jahrhundert
. Das Vordringen des Wortes deonoxtjg erweist sich als ein komplexer
Vorgang, bei dem sprachliche Notwendigkeiten und theologische
Inhalte mitwirken. Der sprachliche Vorgang ist ein geographisdi differenziertes
Vordringen des Titels zunächst für Gott, hernach auch für Christus
bis zur fast völligen Verdrängung des xvgiog bei den Antiochenern.

Da als Grundlage der dogmengeschichtlichen Interpretation eine statistisch
vollständige Materialerhebung diente, fehlt es der Arbeit vielleicht
weniger an Exaktheit als an großen Linien. Auch werden dem Leser
viele Belege zugemutet. Dennoch möchte der dogmengeschichtliche Ertrag
im einzelnen nicht unbedeutend sein.

Das Bekenntnis „Christus der Herr" stellt in Spannung zu der Aussage
über Gottes Weltregiment. Gott ist Herr der Welt und Christus
Herr der Gemeinde. Beides wird mit beiden Vokabeln ausgedrückt, aber
der Unterschied ist deutlich, öeoizdztjg für Gott ist Definition, für Christus
Gleichnis. xvQiog für Gott wird atlich, für Christus ntlich gebraucht.
Das Verhältnis beider wird in der Regel subordinatianisdi gesehen, bis
nach interessanten Zwischenstadien die arianische Konsequenz entwickelt
ist. Erst dann wird von der Orthodoxie klar und deutlich das ntliche
xvQiog mit Herr der Welt interpretiert. Die „Theologie" macht Christus
zum Subjekt des göttlichen Weltregiments. Aber sofort taucht das Problem
auf, ob nicht die Herrschaft Christi in der Ökonomie davon zu unterscheiden
sei. Dies Problem ist recht deutlich markiert, aber nicht gelöst.

Jedenfalls kann das scheinbar einfachste Wort des Dogmas „Herr '
verschiedene Inhalte bekommen. Die geschichtlich ausgeprägten können
uns mindestens für die Problemstellung lehrreich sein.

M ü 11 c r, C. Detlef G: Die alte koptische Predigt.

Die in der ThLZ 1954, Sp. 122 f. hier angezeigte Dissertation ist
inzwischen im Druck erschienen (Hessische Druckerei Darmstadt).
Exemplare zum Preis von DM 20.— können vom Verf. (Heidelberg.
Ladenburgcrstr. 56) bezogen werden.

N i t s c h k e, Horst: Die Beurteilung des natürlichen Menschen in der
Theologie Julius Müllers. Diss. Halle 1951.

Die Arbeit untersucht nicht lediglich die hamartiologischen Aussagen
des „Sündenmüllers", sondern seine anthropologische Gesamtkonzeption
. Damit wird nach seiner theologischen Position überhaupt
gefragt und versucht, die Relevanz seiner Anthropologie auch für die
gegenwärtige theologische Debatte zu erweisen. Dazu ist das gesamte
Schrifttum Julius Müllers, das außer seiner 2-bändigen Sündenlehre nur
wenig bekannt und weithin kaum zugänglich ist, verwertet. In einem
Anhangsband sind ausführliche Auszüge aus Kollegnachschriften erstmalig
benutzbar gemacht und herangezogen.

Die Auswertung dieses Materials gestattet zunächst — nachdem
einleitend die theologische Umwelt des polemisch-vermittelnd in ihrer
Mitte stehenden Theologen skizziert ist — die im ersten (kürzeren)
Hauptteil der Untersuchung erarbeitete Feststellung, daß in Müllers
ganzem Denken ein in klarer Absage gegen den einseitig apriorischen
Ansatz der spekulativen Theologie seiner Zeit erkämpftes und in kritischer
, durch den prononcierten Rückgang auf die Offenbarung untermauerten
Umbildung Schleiermacherscher Erfahrungstheologie gewonnenes
Interesse am empirischen Menschen vorwaltet; d. h. an dem als
Sünder mit der Offenbarung zu konfrontierenden und von der Offenbarung
her anzusprechenden, aber eben auch ansprechbaren Menschen.
Der zweite Teil bewährt und entfaltet das im einzelnen unter den Gesichtspunkten
(1.) der ethischen Bestimmtheit und (2.) der Gottbezo-