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Ausgabe:

1955 Nr. 2

Spalte:

110-111

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Boor, Werner de

Titel/Untertitel:

Grundlinien der Volksmission heute 1955

Rezensent:

Uckeley, Alfred

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 2

110

Menschen neu geschenkten Verständnis lutherischen Glaubens
her zunächst ernst gemacht mit der Tatsache, daß der Lehrer und
Erzieher als Angehöriger seines Berufsstandes mitten in der
Welt steht („Erziehen ist ein weltlich Ding"), daß er Glied seines
Volkes ist, daß er mit seinen Berufsgenossen, gleichviel, ob sie
Christen sind oder nicht, in der Schule wie in der Berufsorganisation
verbunden ist, daß er in „weltlichen" Fächern unterrichtet,
daß er für seinen Unterricht und seine Erziehungstätigkeit seinen
Verstand brauchen muß. Gerade in dieser - mit aller Nüchternheit
zu erkennenden — Wirklichkeit seines Daseins aber steht
der glaubende Erzieher vor Gott. Gerade dieser Glaube, der
illusionslos „ja" sagt zu dieser Wirklichkeit seines Lebens, gibt
dem Lehrer und Erzieher die „Freiheit", sein weltlich-irdisches
Werk als von Gott gefordert getrost und sicher anzugreifen
. Aus dem falschen Verständnis der christlichen Freiheit
erklärt der Verfasser die weitgehende Entfremdung dieses Standes
vom christlichen Glauben.

Neben der Freiheit aber wird durch das ganze Buch hin dem
Erzieher die Verantwortung der „Lieb e", wie sie sich aus dem
Glauben ergibt, ins Gewissen geschoben. In weitestem Umkreis
zeigt der Verfasser die menschlichen Beziehungen auf, in denen
stehend, der Erzieher solche Verantwortung trägt: Beziehungen
zu den ihm anvertrauten Kindern, zu seiner Schule wie zur Schule
überhaupt, zu den Kollegen seines Berufsstandes, zu seiner Familie
, zur weltlichen und zur kirchlichen Gemeinde, der er angehört
, zu seiner Kirche, zu seinem Volk, zu „beispielhaften"
Menschen. Der Verfasser deckt die Fülle der Probleme auf, die
sich im Alltag des Lehrerlebens aus all diesen Beziehungen ergeben
; ihnen allen gegenüber soll er sich als Christ in der Verantwortung
der Liebe bewähren. Ihm ist nicht nur der Erfolg
seines Unterrichts, sondern der ganze kleine Mensch auf die Seele
gelegt; er soll nicht nur für sein Unterrichtsfach eintreten, sondern
für die ganze Schule; er soll sich um die weltlichen Angelegenheiten
seines Berufsstandes kümmern, aber er soll sich auch
in Kirche und Schule und seinen Berufsgenossen gegenüber zum
Glauben bekennen etc.

So spricht dies Buch einerseits von Aufgaben, die weitgehend
vor jedem Angehörigen des Lehrerstandes stehen, es
zeigt zugleich immer wieder, daß auf dem christlichen
Lehrer tiefere und weiterreichende Verantwortung liegt, weil er
in all diesen Beziehungen den Anruf Gottes in seinem Gefordertsein
vom Nächsten her hört. Weil er in der Vergebung
Gottes steht, braucht er Schäden und Nöte nicht vor sich
selbst zu verbergen, kann er sie in aller Nüchternheit anerkennen
; weil er in der Liebe steht, weiß er sich für ihre Besserung
persönlich zur Verantwortung gerufen.

So ist dies Buch beispielgebend dafür, wie kirchlich-theologisches
Theoretisieren über dogmatische und ethische Fragen
sich einem bestimmten Stande gegenüber im Blick auf den Alltag
des Lebens gerade dieses Standes verwandeln kann in gewissenweckende
Mahnung und Führung. Natürlich ist in diesem Buch
zugleich vieles enthalten, was alle Christen angeht, so die Betrachtungen
über das Wesen eines „echten" Gesprächs oder die
über „beispielhafte" Menschen. Dankbar wird jeder Leser die feinen
und tiefen Ausführungen über deutsche Gesittung lesen; die
ernste Mahnung, über der Methode und dem „Stoff" den „Gegenstand
" nicht zu übersehen, gilt allen, die mit der Verkündigung
des Evangeliums zu tun haben.

Je ernster der aufmerksame Leser sich in dieses Buch vertieft
, desto mehr wird in ihm die Frage laut werden: müßten
nicht heute für alle Stände unseres Volkes Bücher geschrieben
werden, die auf dem Grunde lutherischer Glaubenserkenntnis
u, .treffenden Stand in all seinen beruflichen, kirchlichen,
volklichen und staatlichen Beziehungen nachzugehen verständen,
seine Probleme, seine Fehlentwicklungen, seine besondere Ver-
ntwortung aufzeigen und ihm seelsorgerliche Wegweisung ge-
für d[ nten' wie es hier geschieht. Welch eine Hilfe nicht nur
sein e" lsorger' sondern für alle Stände und Berufe könnte es
Jn.j Wenn christlicher Glaube so in den Alltag hineingeholt
wurd<=. wie in diesem Buch.

Berlin

Magdalene von Tiling

I o r d a h n, Bruno: Das kirchliche Begräbnis. Grundlegung und Gestaltung
. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1949. 72 S. gr. 8°
= Veröffentlichungen der Evangelischen Gesellschaft für Liturgieforschung
. H. 3. kart. DM 4.80.

Es ist verdienstvoll, wenn in der Gegenwart einzelne Gebiete
des gottesdienstlichen Lebens von Spezialforschern in tiefblickende
Schau genommen werden. Nur so kann und wird es
gelingen, in das zersplitterte Leben, das zur Zeit in den einzelnen
Landeskirchen auf diesen Gebieten herrscht, aber sich selbstwillig
herausgebildet hat, Einheit, und zwar in der Richtung wirklich
haltbarer Aufstellungen, hinein zu bringen.

Hier liegt von Jordahn eine solche Studie über die Gestaltung
des kirchlichen Begräbnisses vor, in der der Verfasser
die Mühe nicht scheut, auf einer sehr umfassenden Mitteilung
alter Begräbnis-Ordnungen, die er aus den zerstreuten Aussagen
und Anweisungen des 16. und 17. Jahrhunderts entnimmt, heraus
anschaulich das Wichtige erstehen zu lassen. Erst auf diesem Erbe
der Väter, das er kritisch vor dem Leser entfaltet, ist es möglich,
Normen für die heutige Evangelische Kirche im Zusammenhalt
mit den Grundsätzen der Reformation zu finden, die auf allgemeine
kirchliche Zustimmung zu rechnen den Anspruch erheben
dürfen.

Unverdrossener Fleiß und größte Akribie der Forschung
sind dafür freilich unerläßliche Grundbedingungen, und der Verfasser
kann für sich in Anspruch nehmen, durchaus das erwünschte
und unerläßliche Maß hiervon zur Grundlage seiner
Aufstellungen und Mitteilungen gemacht und dargeboten zu
haben.

Er fügt dem historischen und prinzipiellen Teil (S. 3—45) eine nachfolgende
abschnittweise Behandlung hinzu, und spricht da über: Das
Begräbnis von Erwachsenen (in der Kirche, im Hause, in der Friedhofskapelle
). Lebenslauf und Leichenrede. Der Gang zum Grabe. Die Feier
am Grabe. Schlußgebet, Vater unser, Segen. Sodann folgt das Begräbnis
von Kindern. Feuerbestattung („die Feuerbestattung ist in der evangelischen
Kirche immer als ein Problem empfunden worden." „Es muß
auffallen, daß sich die Verbrennung immer mehr zu einem Schibboleth
des Heidentums und des Christentums herausbildet — die der Kirche
feindlich gegenüberstehenden Kreise sehen in der Verbrennung oft
geradezu die Gelegenheit eines Bekenntnisses gegen die Kirche. Hygienische
Argumente sind dabei nur Propagandamittel." S. 65). „Man kann
also ohne Übertreibung sagen, daß die Feuerbestattung immer offenkundigen
Rückfall ins Heidentum darstellt." (II)

Dem folgt dann ein recht beachtsames Kapitel über die Bereitung
zum Sterben (S. 66), und damit ist dann alles Einschlägige
beigebracht und erörtert. Aufs Ganze gesehen können die Urteile
Jordahns durchaus sich eignen, allgemeine Zustimmung und Benutzung
zu beanspruchen. Deshalb begrüßen wir dies Heft als
eine wertvolle Veröffentlichung der Evangelischen Gesellschaft
für Liturgieforschung — Heft 3 — auf das lebhafteste.

Marburg/Lahn Alfred Uckeley

B o o r, Werner de: Grundlinien der Volksmission heute. Berlin: Evang.
Verlagsanstalt [1948]. 35 S. 8° = Kirche in dieser Zeit, hrsg. v.
Friedrich Bartsch u. Gerhard Brennecke. H. 3. DM 1.80.

Es ist mir eine Freude, auf dies kleine Heft von Werner de Boor
aufmerksam zu machen, da es mit dem Material, das es bietet, recht
geeignet ist, auf Pastoralkonferenzen, Synoden, Akademietagungen u. ä.
Gespräche über Gedanken in Fluß zu bringen, die für heutige Pfarrer
und Studienräte durchaus besprechungs-notwendig sind. Man muß das
Heft aber richtig benutzen, wenn es theologischen Erfolg einbringen
soll, d. h. man muß seine Aufstellungen als Stoff lesen, über den man
bis in seine Grundlagen hinein ins Gespräch miteinander tritt; der Verfasser
behandelt vieles schon als ausgemachte Tatsachen und Wirkliche
keilen, über das man auch sehr anders — praktisch-theologisch! — urteilen
kann und muß. Aber gerade in diesen Beziehungen können wir ihm
für seine vielseitigen Anregungen nur dankbar sein.

Er spricht von einer „Volksmission heute", und greift damit umfassend
eine neben die ruhige, stille regelmäßige Predigttätigkeit sich
stellende Evangelisationsrede, eine Erweckungsrede mit ihrer Andring-
Hchkeit an, bzw. er lehnt sie für die Kirche biblischen Wortes ab.
Er sagt: „Es ist für den volksmissionarischen Dienst heute gar keine
besondere erweckliche Redefähigkeit erforderlich, sondern er behauptet,
daß dieser Dienst von jedem rechten Verkünder der biblischen Botschaft
getan werden kann, und daß umgekehrt also jede Predigttätigkeit
in diesem Sinne erwecklich und volksmissionarisch ist. Jeder rechte
Pastor kann und sollte heute auch der erste Volksmissionar in seiner
Gemeinde sein. Er muß dann nur sehen, daß dazu die sonntägliche Pre-