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Ausgabe:

1955 Nr. 2

Spalte:

106-107

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Soukup, Leopold

Titel/Untertitel:

Grundzüge einer Ethik der Persönlichkeit 1955

Rezensent:

Søe, Niels H.

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 2

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chen festgelegt habe, daß er für die übrigen Sakramente nur
„gewissermaßen das Kerngebot bestimmte und die nähere Ausführung
der Kirche überließ" (62). Die Kirche könne dem Kerngebot
neue Momente hinzufügen. „Unerläßlich ist nur, daß das
auf Christus zurückgehende Kerngebot selbst unangetastet bleibt"
(63). Daß die Kirche selbst erst etwa seit Petrus Lombardus die
Siebenzahl der Sakramente festgelegt hat, wird nicht als besonderes
Problem empfunden. Entscheidend ist die erwähnte Formulierung
der Glaubenssätze des Tridentinums.

Besonders an diesem Punkt wird deutlich, welche entscheidende
Rolle die Hermeneutik im Bereich der Konfessionsformen
spielt. Wie mit Recht heute erkannt ist, daß die Reformation in
der neuen Form der Hermeneutik Luthers ihre Wurzel hat, so
hat auch die katholische Hermeneutik bis heute ihre besondere
Form bewahrt, wie das vorliegende Beispiel von Schmaus zeigt.
Ist die lutherische Hermeneutik allein von dem Wort bestimmt,
ist hier das Wort allein das aktiv Handelnde und der Ausleger
nur sein Instrument, so ist unverkennbar, daß für die katholische
Hermeneutik die Kirche mit ihren Konzilienbeschlüssen und
Lehrentscheidungen der eigentliche Maßstab ist, dem das Wort
sich fügen muß, daß das Wort hier eigentlich von sekundärer Bedeutung
ist, daß es nötigenfalls durch eine kluge Dialektik den
Belangen der Kirche dienstbar gemacht wird. Hat daher die lutherische
Hermeneutik in einzelnen ihrer Vertreter es sogar angezweifelt
, daß Taufe und Abendmahl als kirchliche Sakramente
von Christus selbst eingesetzt sind, hat sie auf jeden Fall die
Siebenzahl der Sakramente als nicht schriftgemäß abgelehnt und
hat sie auf Grund ihrer Auslegung das Wort in die beherrschende
Mitte der Gottesdienste gestellt, so kommt die katholische Hermeneutik
zur Feststellung der Schriftgemäßheit der Siebenzahl
der Sakramente auf Grund der Glaubenssätze des Tridentinums
und demgemäß auch zum Verständnis der Kirche als einer sakramentalen
Wirklichkeit und als letzte Spitze ihres Sakramentalismus
zu der Schlußfolgerung: Christus selbst ist das Ursakra-
ment (23 f.).

Von hier aus gesehen ist auch die katholische Rangunterscheidung
der Sakramente zu verstehen. „Die Kirchenversammlung
von Trient bekennt sich zu dem Glauben, daß zwischen den
Sakramenten ein Rangunterschied besteht" (82). Dieser Rangunterschied
ist weder durch die Schrift noch durch das Wesen der
Sakramente nahegelegt. Er folgt aus einer kirchlichen Lehrentscheidung
, die wieder von praktischen Gesichtspunkten der kirchlichen
Ordnung bestimmt ist. So gelten Taufe und Eucharistie
als Hauptsakramente, von denen wieder die Taufe das Grundsakrament
ist, auf dem alle anderen Sakramente sich aufbauen,
während von der Eucharistie gesagt wird, daß sie alle anderen
Sakramente überragt und in der Mitte der sakramentalen Ordnung
steht (185). Hingeordnet auf Taufe und Eucharistie sind
Firmung, Buße, letzte Ölung und zuletzt Priesterweihe und Ehe.
Im Unterschied von den Sakramenten sind die Sakramentalien,
durch die die Kirche alle im Raum und in der Zeit befindlichen
Dinge weiht und segnet, nicht von Christus, sondern von der
Kirche gestiftet. Sie wirken nicht ex opere operato, sondern ex
°Pere operantis. Durch sie wird das Naturhafte zum Transparent
himmlischer Dinge.

In der im zweiten Teil des Werkes gebotenen Analyse der
einzelnen Sakramente werden diese behandelt in der von dem
Konzil von Trient festgelegten Reihenfolge. Ohne Frage steht
'm Mittelpunkt dieser Analysen schon ihrem äußeren Umfange
nach (185—417) die der Eucharistie, weil sich in ihr die Kirche
in ihrem tiefsten Wesen auswirkt (185). In ihr ist, nach einer
Formulierung von Thomas von Aquin, der ganze geopferte Chri-
^5US enthalten, während alle übrigen Sakramente nur eine von
Christus mitgeteilte Kraft enthalten. Sie wird außerdem verwirk-
'lc"t durch die Weihung der Dinge selbst, während die anderen
kramente sich im Empfänger verwirklichen. In ihrem Zentrum
jte.ht.daher der Akt der Transsubstantiation. Zwar wird bemerkt.
i.V (*je Lehre von der Wesensverwandlung, wenn nicht ausdrück-

U/- dem Sinne nadl in der Sdirift enthalten sei (269)' aber
'n Wirklichkeit greift der Verfasser bei seiner Darstellung der
ehre doch wieder, auf die Glaubenssätze von Trient zurück
61 ff )- Diese Sätze aber sind entscheidend bestimmt von der

griechischen Diktion von Wesen und Erscheinung, Substanz und
Akzidenz. Verwandelt werden nur die Substanzen, während die
Erscheinungsformen bleiben. Und weil die Substanzen verwandelt
werden, ist in jeder Erscheinungsform der ganze Christus gegenwärtig
. Die Verwandlung wird von Christus vollzogen, aber
durch den Dienst der Kirche, also durch den Priester, der die Rolle
Christi spielt und als Christus spricht (308). Darum ist die
Kirche „nach ihrem tiefsten und innersten Wesen... die Gemeinschaft
derer, die das Herrenleiden feiern und am Herrenmahl teilnehmen
" (323).

Es ist unmöglich, im Rahmen dieser Besprechung auf den
ganzen Reichtum der von dem Verfasser dargebotenen Einzelanalysen
der Sakramente einzugehen, auf die erstaunlich reiche Heranziehung
dogmengeschichtlichen Materials zur Unterbauung seiner
Thesen, auf seine Versuche bei aller Anerkennung des Mysteriums
der Sakramente doch ihren inneren Aufbau begrifflich
zu durchleuchten. Es kann sich hier nur um die Kennzeichnung der
entscheidenden Linien der katholischen Sakramentsauffassung
handeln, die in dem Satz aufgipfeln: das göttliche Leben wird
normalerweise durch die Sakramente vermittelt (109), die Sakramente
sind der vergegenwärtigte Christus, und dieser Christus
als Ursakrament ist die Kirche. Es ist von diesen Voraussetzungen
aus verständlich, daß Schmaus jede Auseinandersetzung mit der
reformatorischen Sakramentsauffassung vermeidet, daß er nur
gelegentliche flüchtige Hinweise auf die hier vorliegende Gegensätzlichkeit
gibt. In der Tat ist gerade das vorliegende Werk besonders
dazu geeignet, den abgrundtiefen Gegensatz von Protestantismus
und Katholizismus anschaulich werden zu lassen. Und
den Gliedern der lutherischen Kirche, die heute glauben, daß es
doch nicht ganz so schlimm um diesen Gegensatz stehe, ist besonders
die Lektüre dieses Werkes zu empfehlen. Vielleicht würden
sie dann wieder die eigentliche Bedeutung der lutherischen
Parole verstehen: „das Wort sie sollen lassen stahn"!

Kiel Werner Schultz

So ukup, Leopold: Grundzüge einer Ethik der Persönlichkeit. Vom

sittlichen Handeln des freien Menschen. Graz, Salzburg, Wien: Pustet
[19511. 179 S. 8° = Christi. Philosophie in Einzeldarstellungen.
Hrsg. v. Prof. J. Fischl. Hlw. DM 10.-.

L. Soukup, O.S.B., geboren 1905 in Wien, Lektor der
Philosophie für den Ordensnachwuchs in der Abtei Seckau der
Beuroner Benediktinerkongregation, Schriftleiter der Zeitschrift
„Gloria Dei" und Mitarbeiter an der Deutschen Thomasausgabe,
versucht es hier, wie er meint zum erstenmal, eine besondere
Fundamental-Moraltheologie zu schreiben, d. h. die rationalen
Fundamente einer Moraltheologie zu erhellen.

Während es dem evangelischen Theologen fraglich bleibt, ob
es eine eigene „christliche Philosophie" gibt, und er deshalb
vielleicht (wie etwa Roger Mehl) ein Buch mit dem Titel „La
condition du philosophe chretien", dagegen kaum mit dem Titel
„La condition de la philosophie chretienne" schreibt, kennt der
Katholik den Begriff einer „christlichen Philosophie", welche Soukup
im Anschluß an Maritain als eine Wesenheit in dem bestimmten
Zustand, in dem ihr der Glaube wie ein Lichtstern die
Richtung weist, ohne dadurch ihre Selbständigkeit zu verletzen,
charakterisiert. Hier soll somit „echte", rationale Philosophie und
ja nicht Moraltheologie getrieben werden. Und gerade so ist
alles auf die einmalige christliche Offenbarung ausgerichtet.

Diese Denkweise ist ja wohlbekannt, so unbegreiflich sie
wohl immer dem Nicht-Katholiken bleibt. Auch bei Soukups
Buch wundert sich der kritische Leser, wie schön alles sich aufbaut
und zusammenpaßt. Ohne jede Schwierigkeit überbrückt
man die logisch unüberbrückbare Kluft zwischen einem gegebenen
Indikativ (das Wesen des Menschen) und einem Imperativ
(sein Sollen). Und fügsam gestaltet das Ganze sich in ein hierarchisches
Gebilde, wo das personale Leben richtig verstanden,
d. h. christlich-philosophisch gedeutet, das eigentliche Ziel ist.
„Der Kosmos erweist sich als grundsätzlich geordnetes Gebilde."

Interessant scheint mir die Art, wie die mit der „philosophia
perennis" gegebene Grundlage von existentialistischen Gedanken
beeinflußt ist. Heidegger wird fleißig zitiert, und der Begriff
des „Kairos" spielt eine 'solche Rolle, daß man sich bisweilen in
der Nähe einer „Situationsethik" fühlt, was der Verfasser schließ-