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Ausgabe:

1955 Nr. 2

Spalte:

102

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Lebendiges Bekenntnis 1955

Rezensent:

Albertz, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 2

102

Weiterreichen des Zeugnisses, das in der Bibel seinen urkund- I kann, wenn er sie auch nicht recht haben läßt. (Wieso soll jedoch
liehen Niederschlag gefunden hat. Eben, weil die Christusoffenbarung
nicht nur Wort-, sondern auch Tatoffenbarung ist, liegt
dem Offenbarungsglauben alles daran, daß das Urzeugnis von
diesen Worten und Taten nicht durch das Aufrichten menschlicher
Autoritäten in Tradition und kirchlichem Lehramt verdeckt
und verfälscht wird. Wir können darum die Hl. Schrift nicht als
,,die Zeugnisurkunde von der Kirche" (277) ansehen, als würde
ich durch'sie an die Autorität bestimmter menschlicher Amtsträger
in meinem Glauben gebunden, sondern vielmehr mit
M. Kähler als die Urkunde der kirchengründenden Predigt, an
der sich alle Sprüche des kirchlichen Lehramts müssen messen lassen
. Gewiß besteht die Gefahr, daß der Geist durch Pochen auf
den Buchstaben (aber auch auf andere Weise, z. B. durch kirchliche
Machtsprüche) gedämpft wird, aber darum dürfen doch Recht
und Pflicht des Glaubens, alles zu prüfen und das Gute zu behalten
(1. Thess. 5, 21), nicht aufgehoben werden. Wo immer ein
Mensch im Geist redet, wird er sidi dieser Prüfung unterwerfen
lassen müssen. Darum können wir das Unfehlbarkeitsdogma
nicht annehmen, sondern halten am reformatorischen Schriftprinzip
fest.

Halle/Saale Erdmann Schott

Walter, Eugen: Quellen lebendigen Wassers. „Von der Fülle der
sieben Sakramente." Freiburg: Herder [1953]. 366 S. 8°. Lw.
DM 14.80.

Dieses Buch, ein Lehrbuch der katholischen Sakramentsfrömmigkeit
und zugleich ein Andachtsbuch höheren Stils, bietet dem
evangelischen Theologen einen umgreifenden Einblick gerade in
die „neue" Sakramentsansicht und Sakramentsdevotion, wie sie
seit der „Liturgischen Erneuerung" heranwächst. Walter behandelt
aber nicht direkt die Liturgie der Sakramente (dafür muß man
Josef Pascher, Die Liturgie der Sakramente, l.Aufl. 1951 heranziehen
). Das „Neue" nun liegt darin, daß man im gegenwärtigen
Katholizismus mit Billigung Roms darauf aus ist, die Verkümmerung
in Lehre und Frömmigkeit wieder auszugleichen, welche
durch den „Antiprotestantismus" bedingt war. Walter konstatiert
S. 61, daß z.B. in der Sache des „Allgemeinen Priestertums"
nicht offen geredet wurde, weil „die uns durch die gegenreforma-
torischc Haltung aufgezwungene Angst, dadurch in die Nähe der
Leugnung des Weihepriestertums zu geraten", einwirkte; diese
Angst aber sei „heute im Verschwinden". So greift man, unbeschwert
von solcher Angst, zum „Echt-Katholischen", und Walter
tut das in Ansehung der Sakramente. Man trifft infolgedessen bei
Walter auf nicht wenige Momente, die uns von Luther her lieb
sind; so besonders in Walters VIII. Teil „Sakrament und christliches
Leben", einer Art „Allg. Sakramentenlehre" von hohem
Rang. Was hier Walter vom Zusammenhang zwischen Sakrament
und sittlichem Leben urteilt, das ist von beinahe reformatorischer
Vorsicht beherrscht; noch stärker gilt das von der Abhandlung:
„Das Sakrament und der Glaube" und der anderen: „Das Sakrament
und das Wort". Der Begriff „Mitvollzug" für das Tun des
• Empfängers" ist von großer Fruchtbarkeit. Z. B. auch für die
Besonderheit der Hauptsakramente: „Darum sind das die wichtigsten
Sakramente, in denen der Mitvollzug der „passio Christi"
am ausdrücklichsten geschieht: Taufe und Eucharistie." (Mitvollzug
der „passio Christi" meint das, was der Evangelische mit zwei
Sätzen ausdrückt: 1. Alles Heil allein vom Kreuze Christi, 2. Taufe
und Abendmahl sind Teilhabe am Christus passus). In der
Tauflehre und Tauffrömmigkeit kann Walter bei Luther in der
Vorrede zum Taufbüchlein von 1526 und im Artikel „Von der
Taufe" im Großen Katechismus Parallelen zum „Echt-Katholischen
" finden. Natürlich darf nicht übersehen werden: Walter
sieht als die „Kirche" immer die römisch-katholische Kirche an,
Luther hingegen versteht „die Kirche" als die aus allen aufgetretenen
Kirchen durch den Hl. Geist heraustretende Schar Gottes.

arum hat Walter einen anderen Rahmen als Luther, auch wo
beide „Echt-Katholisches" vorbringen. Das „Neue" hat also auch
rfs mitgebracht, daß die „Kontroverstheologie" nicht mehr soviel
Matenal im Bilde selbst findet, vielmehr den Streit um den Rahden
ausfechten muß. Das wird einem besonders klar bei der Lektüre
von Walters VI. Teil „Über das Priestertum", wo Walter auf
katholischen Höhe ist, aber die „Protestanten" verstehen

das biblische Material nicht gerade, oder doch ebensogut, auf die
lutherischen Priester passen?)

Mit diesem Weitblick Walters verträgt sidi aber mancher
Seitenblick Walters auf Luther und den Protestantismus nicht gut.
Man hat doch Luther von vielen Verzeichnungen inzwischen befreit
(z. B. Individualismus — Sakramentsfremde — Kirchenzerstörung
— Kirdienlosigkeit), und die Kirche der Reformation hat im
20. Jhdt. ebenfalls eine „Erneuerung" durchgemacht, in weldier
sowohl das Sakrament als das Mysterium als die Leib-Christi-
Kirche ihr Recht bekommen. Wenn man in manchen „ferneren"
Ländern noch an den Pauschal-Urteilen der Vergangenheit hängen
bleibt, so verlangt man in Deutschland von der erneuerten
katholischen Theologie auch die Verbesserung der Kontrovers-
Theologie — wie Walters Artikel „Über das Priestertum" sie zeigt.
Augsburg Leonhard Fendt

Lebendiges Bekenntnis. Die „Grundlagen und Perspektiven
des Bekennens" der Generalsynode der Niederländischen Reformierten
Kirche von 1949. Mit einem Vorwort von Dr. Hendrik Berkhof
. Neukirdien/Moers: Buchh. d. Erziehungsvereins [19511. 48 S.
8° = Reformierte Kirche. Eine Schriftenreihe hrsg. v. Jan Wccrda.
H. 1. DM 1.90.

Das erste Heft der Sammlung bietet unter dem Titel „Lebendiges
Bekenntnis" die „Grundlagen und Perspektiven des
Bekennens der Generalsynode der Niederländisch-Reformierten
Kirche von 1949" in der Übersetzung von Otto Weber in
Göttingen dar. Ein Vorwort von dem Direktor des Theo-
logisdien Seminars Zeist, Dr. Hendrik Berkhof, führt in die
Vorgeschichte dieser Grundlagen ein; beigefügt sind Erläuterungen
, die wohl keine offizielle Bedeutung besitzen, aber
von einem Mitglied der vorbereitenden Gruppe auf Wunsdi
der Synode verfaßt und von allen anderen Mitgliedern als
Ausdruck der gemeinsamen Einsicht anerkannt worden und
also als eine authentische Interpretation anzusehen sind. Zugefügt
ist ferner der Artikel 36 des niederländischen Glaubensbekenntnisses
in der Übersetzung von Wilhelm Boudriot
und die sogenannten Doornschen Thesen von 1943 in der Übersetzung
von Fischer, Rotterdam.

Das Büchlein ist theologisch äußerst bedeutsam als der abgeklärte
Ertrag des niederländischen Kirchenkampfes. Schon die
Doornschen Thesen von 1943 sind theologisch widitig in ihrer
klaren eschatolcgischen Ausrichtung und ihrer neuen Formulierung
des munus triplex. Das von Theologen verschiedener Richtung
einmütig formulierte und von der Generalsynode der Niederländisch
-Reformierten Kirche 1949 angenommene Bekenntnis
geht von Gottes Königtum aus und trifft damit die Mitte der
Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments besser als der subjektive
Ansatz der Reformation Luthers und jenes Schriftverständnisses
Melanchthons, das den einzigen Sdilüssel zur Bibel
in der Rechtfertigung findet. Folgende Fragen stellt diese Bc-
kenntnisformel für die theologische Besinnung:

Besteht dieses neue Verständnis der Bekenntnisschriften
der niederländischen Kirche zurecht? Bedeutet die Weiterentwicklung
, die die theologische Erklärung von Barmen hier gefunden
hat, eine legitime und sehr erwünsdite Bereicherung unserer
theologischen Erkenntnis? Besonders beachtlich sind die Glaubensartikel
über die Geschichte, über das persönliche Leben und
über Israel. Audi eine Fülle von praktischen Problemen wird mit
großer innerer Lebhaftigkeit und Freudigkeit geklärt, so die
Überwindung der Lebensangst, die Stellung zum Staat, zur Geschichte
, zum persönlichen Schicksal, insbesondere zu Israel. So
kurz dieses lebendige Bekenntnis ist, so inhaltsreich und erfordert
ein sorgsames Studium der Theologen, der Kirchenleitungen
und der Gemeinden.

Berlin-Spandau Martin Albertz

A r n o 1 d, Franz Xaver: „Die Stellung des Laien in der Kirche."

Una Sancta 9, 1954 S. 8—25.
E h r h a r d t, Arnold: Kirche und Staat in England.

Evangelische Theologie 14, 1954 S. 414—427.
D e 1 i u s, Walter: Maria in der neueren theologischen 1 iteratur.

Theologische Zeitschrift 10, 1954 S. 446—465.