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Ausgabe:

1955 Nr. 2

Spalte:

90-91

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Campenhausen, Hans von

Titel/Untertitel:

Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab 1955

Rezensent:

Fascher, Erich

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 2

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Beweis dafür anführen, daß Aussprüche wie die in Mk. 13 bewahrten
für Jesus „charakteristisch" gewesen seien. Es bedarf für die Beantwortung
unserer Frage einer viel gründlicheren Untersuchung der eschatologischen
Predigt Jesu als es die B.-Ms. ist.

Verfänglich ist die Art, wie der Vf. um die Formulierung
eaxtjxöxa onov ov Sei in Mk. 13, 14 herumzukommen versucht: „1t
is more than probable that the words .. . ara a later addition to the
original" (245). Wer dies behauptet, dem fällt die Beweislast zu.
Welche Gründe könnten einen späteren Kopisten, der bereits Mt. 24. 15
kannte, veranlaßt haben, in den Markusbericht ein maskulines Partizipium
einzuschieben? Das männliche foxt/KW? kann kaum als „a later
addition" angesehen werden; «*ow ov tot k ö n n t e eine redaktionelle
Formulierung sein, die vielleicht darauf zurückzuführen sein möge, daß
der Markusevangelist eine im Original vielleicht mit mehr Genauigkeit
angeführte Ortsbestimmung vermeiden oder abschwächen wollte.
Wenn B.-M. schreibt: „Biblical exegesis must control Biblical thcology,
not vice versa" (260), so kann man dem Verfasser nur recht geben und
den Wunsch aussprechen, daß er sich folgerichtig an seinen Grundsatz
gehalten hätte.

B.-M. übt berechtigte Kritik an Forschern, die in Jesus nur
„den Lehrer" und nicht „den Apokalyptiker" erblicken. Wenn
er sich gegen solche Argumente gegen die Geschichtlichkeit des
Diskurses Mk. 13, 3—37 im Munde Jesu wendet, die sich in die
Worte kleiden „it is inconsistent with the teaching of Jesus as a
whole", so macht der Vf. stellenweise scharfsinnige Beobachtungen
. Leider hat B.-M. mit vielen neutestamentlichen Exegeten
gemein, daß er nicht scharf genug zwischen „literarischer Authentizität
" und „historischer Tatsache" unterscheidet. Der Beweis
literarischer Echtheit ist noch kein Beweis der geschichtlichen
Treue. Die in Mk. 13 enthaltene „Rede Jesu" geht unzweifelhaft
auf eines der ältesten literarischen Dokumente der Urgemeinde
zurück, womit jedoch über ihre Geschichtlichkeit im Munde Jesu
noch nichts gesagt ist. Die Tatsache, daß die in Mk. 13 zum Ausdruck
gebrachten Vorstellungen nicht restlos mit anderen in den
Evangelien Jesus zugeschriebenen Äußerungen übereinstimmen,
würde an sich nicht den Ausschlag gegen die Historizität des Diskurses
geben, da die anderorts in den Evangelien im Namen Jesu
gemachten Aussagen vielfach späteren Traditionsschichten angehören
und formuliert wurden, als sich in der Urgemeinde das
Schwergewicht vom Eschatologischen zum Paränetischen zu verlegen
begann. Jedoch hieraus bereits auf die „Historizität" von
Mk. 13, 3—37 zu schließen und keine befriedigende Erklärung des
Umstands zu geben, daß der Abschnitt sich nur künstlich an
Mk. 13, 1—2 anschließt, ist übereilt. Der Einwurf B.-Ms., daß,
wenn Jesus nicht tatsächlich die ihm in Mk. 13, 3—37 zugeschriebenen
Äußerungen getan hätte, die Zeitgenossen des Evangelisten
Protest gegen den Markusbericht erhoben hätten, ist naiv. Zunächst
wissen wir nicht, ob solche Proteste erhoben wurden oder
nicht. Die vom Mk-Evgl. abhängige evangelische Tradition hatte
kein Interesse daran, einen solchen Protest „zu verewigen". Sodann
läßt B.-M. außer acht, daß die Denkweise der Menschen im
ntl. Zeitalter nicht eine in unserem Sinne historische war. Der
Gedanke, einen Unterschied zwischen historischen Aussprüchen
Jesu und den vom Geist inspirierten Herrenworten zu machen,
ist ein modemer Gedanke, der den Zeitgenossen der Evangelisten
ebenso wie den Evangelisten selbst fernlag.

Der geduldige Leser des vorliegenden Büchleins wird durch manche
schätzenswerte Instruktion belohnt, so z. B. wenn er erfährt, daß die
historische Lokalisierung des eschatologischen Diskurses in Mk. 13, am
Ölberg, zutreffend sei, denn — „lesus mußte, um vom Tempel nach
Bethanien zu gelangen, den ölberg überschreiten, und überdies
war die Aussicht von dieser Anhöhe auf den
Tempel besonders gut" (208; italics m i n e). Zu Einzelheiten
ließe sich noch mancher Einwand erheben. Soweit jüdische
religiöse Vorstellungen in Frage kommen, ist das Buch voll unzuverlässiger
Annahmen, die oft mit unschuldigster Miene vorgetragen werden
, so etwa wenn der Vf. schreibt: ,,Since the Shekhina is inseparable
trom the person of the Messiah . . ." (260, Nr. 1) — man möchte doch
gerne wissen, woher die mit soviel Sicherheit vorgetragene Ansicht
[taßmn?t! Woher B.-M. die Information hat, daß die Zeloten Jesus ge-
c2 .f, ,cn ('96), ist ebenso unerfindbar. Ein dauernd wiederkehrender
^!i.;ehler ist -Montefiori" (anstelle von Montefiore); auf S. 259
"t5?7? 'V™ (anstelle vonaitiT,:) ist wohl ein Druckfehler. Ein

«?faoV' der auf saub"e Sprache hält, dürfte sich den Schnitzer „Ju-
dl,TU ymplos" (75) "'cht hingehen lassen. - Unter den Vertretern

Untersuchungen und Abhandlungen zur Geschichte des jüdischen Glaubens
(Berlin 1938, SS. 277, 278) zu nennen.

Die Hauptschwäche des Werkes liegt in der doppelten Zielsetzung
des Verfassers: er will sowohl eine literar-kritische Analyse
der Mk. 13 einverleibten Traditionen vorlegen, wie auch seelsorgerlich
-praktische Ziele verfolgen, nämlich antikirchliche Tendenzen
bekämpfen, da gewisse Personen sich durch Aussprüche
wie Mk. 9, 1, Mk. 13, 30 und Mt. 10, 23 veranlaßt gesehen hätten
„Agnostiker zu werden", „weil Christus Dinge vorausgesagt
hat, die sich nicht ereignet haben". Wenn der Verfasser zwischen
seinen beiden Aufgaben unterschieden und jede zum Gegenstand
einer separaten Abhandlung vorgenommen hätte, wäre es ihm
eher möglich geworden, die eine oder die andere Zielsetzung zu
erreichen, als es in diesem Buche geschehen ist.

Das Werk enthält umfangreiche wertvolle bibliographische
Angaben.

London Paul Winter

Campen hausen, Hans Frhr. v.: Der Ablauf der Ostcrcreignissc
und das leere Grab. Heidelberg: Winter 19 52. 52 S. gr. 8° = Sitzungsberichte
d. Heidelberger Akademie d. Wiss., Phil.-hist. Kl.,
Jahrg. 1952, 4. Abhandl. DM 8.50.

Zu Eingang seiner präzis gefaßten und durch reiche Literaturangaben
unterbauten Abhandlung betont der Verfasser mit
Recht, daß hinter der Fülle literaturgeschichtlicher, traditions-
motiv- und formgeschichtlicher Untersuchungen die Frage nach
dem „einfach Geschichtlichen" ungebührlich zurückgetreten sei.
Wir sind aber nicht von der Aufgabe dispensiert zu prüfen, „wieweit
und mit welchem Grade von Wahrscheinlichkeit die tatsächlichen
Geschehnisse und ihr Ablauf noch zu ermitteln sind." Es
ist möglich, die äußeren Vorgänge nach Jesu Tode zu rekonstruieren
und ein Ergebnis zu erzielen, das für das theologische Verständnis
der Auferstehungsbotschaft von Wert ist, wenn auch der
Verf. in seiner Darstellung diese Seite der Sache bewußt beiseite
läßt, um wenigstens am Schluß einige Hinweise zu geben, wie er
sich die theologische Auswertung seiner historisch-exakt erarbeiteten
Ergebnisse denkt.

Grundlage für die Rekonstruktion des Ablaufs der Oster-
ereignisse bleibt für den Verf. (wie für viele seiner Vorgänger,
die sich an dieser schwierigen Aufgabe versuchten) der Bericht
des Paulus in 1. Kor. 15. Er sei chronologisch zu verstehen und
seine Vorgänge nach Galiläa zu verlegen, soweit sie sich auf die
Erscheinungen des Herrn beziehen, ausgenommen natürlich die
Erscheinung des Paulus vor Damaskus. Besonders beachte man,
was v. C. zur Erscheinung vor den 500 Brüdern sagt und warum
in Jerusalem dafür — in wörtlichem Sinne — kein Platz und keine
zureichende Jüngerschar anzunehmen ist. Hierin geht v. C. mit
E. Lohmeyer einig. Lediglich bei der Erscheinung vor allen Aposteln
könne man fragen, ob sie den Führern der jungen Gemeinde
zum Anlaß wurde, nach Jerusalem aufzubrechen oder ob
sie schon in Jerusalem stattgefunden habe. Jedenfalls zeugen
Mt. 28, Mk. 16 und 1. Kor. 15 für Galiläa. Daß Paulus bei seiner
Aufzählung Vollständigkeit erstrebte, ist anzunehmen, Lückenhaftigkeit
der Liste ist nicht nachzuweisen. Daß Paulus vom leeren
Grab gewußt haben müßte, weil er Jesu Begräbnis erwähne,
hält v. C. (trotz Rm. 8, 29) für eine zu kühne Folgerung aus dem
Text. Daher sind die Ostervorgänpe in Jerusalem aus der wesentlich
weniger klaren und verläßlichen (weil durch allerlei
Tendenzen apologetischer und kultischer Art übermalten) Überlieferung
der Evangelien zu erheben.

Geht man nun als Historiker vom Mk.-Bericht als dem vertrauenswürdigsten
, weil nüchternsten aus, so ergibt sich, daß der
Bericht vom leeren Grabe geschichtlich ist, weil er mit der glaubwürdigen
Nachricht über Joseph von Arimathia und die Frauen
(welche nach jüdischem Recht nicht zeugnisfähig sind) zusammenhängt
(S. 38).

Mit den Erscheinungen in Galiläa und der Entdeckung des
leeren Grabes sind also zwei unabhängig voneinander bestehende
Fakten gegeben, die man bei der Rekonstruktion des Ablaufe
der Ostervorgänge berücksichtigen muß, da sich keines ausscheiden
oder auf das andere zurückführen läßt.

Fragt man aber, wie beide historisch richtig zusammen-

(jfir -pi . " v *i uiuit ningenen lassen. — unier aen vciiiclciu
Mk l3£w"e ""2 besondcrn Ursprungs der „Kleinen Apokalypse" in

are auch LeoBaeck: Aus drei Jahrtausenden. Wissenschaftliche | hingen, so muß man nach v. C's Ansicht den Vers Mk. 16, 8 so