Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1955 Nr. 12

Spalte:

750-751

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Leipoldt, Johannes

Titel/Untertitel:

Die Frau in der antiken Welt und im Urchristentum 1955

Rezensent:

Fascher, Erich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

749

Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 12

750

Form Stromata), aber auf S. 7 wird scharf darauf aufmerksam gemacht
, daß der dem Titel zugrundeliegende Terminus nicht otqwjuu,
sondern az(jo)/xarevg ist, womit „buntscheckige Gegenstände bezeichnet
werden, die aus verschieden geformten oder verschiedenfarbigen
Stücken bestehen"; diese Buntheit seines Werkes bestätigt
Clemens selbst in dem für die Titelerklärung so wichtigen
Text Str. VI § 2, l. Der nächstfolgende Abschnitt erledigt das
seit einem halben Jahrhundert diskutierte literarische Problem der
Stromateis. Bekanntlich hat man aus Päd. I § 1, 3ff. herauslesen
wollen, daß Clemens nach dem Protrepticus und Pädagogus einen
Didaskalos geplant, dann diese Absicht verschoben und die
Stromateis als Vorbereitung zum Didaskalos verfaßt habe; zum
Didaskalos sei er nicht mehr gekommen. Diese Hypothese ist seit
dem Erscheinen von F. Quatember, Die christliche Lebenshaltung
des Clemens von AI. nach seinem Pädagogus, Wien 1946, nicht
mehr haltbar: in den Erörterungen am Anfang des Pädagogus handelt
es sich um Stufen der Erziehung, nicht um literarische Pläne.
Die Stromateis sind kein Logos im eigentlichen Sinn, sondern
eine recht handliche, keine strengen Bindungen kennende Literaturform
, bequem für die Aufnahme der yvworixä vnonvr)fiaia,
der Gedanken eines gläubigen Suchers nach einer christlichen Erkenntnis
: „hier hatte Clemens freies Feld, die Fülle der Ideen
auszubreiten, die in seinem Kopfe surrten (bourdonnaient)". Die
weiteren Teile der Einleitung des 1. Bandes bieten ein Schema des
Inhaltes der Stromateis (Str. 1 Beziehungen zwischen Philosophie
und christlicher Wahrheit, Str. 11 Glaube und Ziel des Menschen),
ein Referat über die bisherigen Ausgaben und Übersetzungen
sowie eine Analyse des 1. Buches.

Die Einführung des 2. Bandes zerfällt in 3 Abschnitte; der
erste enthält eine Analyse des 2. Buches, der zweite zeigt, wie sich
Clemens seine Theologie des Glaubens aufgebaut hat: Hab. 2, 4,
Jes. 7, 9 und Hebr. 11, 1 u. 6 (ohne diese Bibelstellcn recht auszuschöpfen
) kombiniert er mit aristotelischen und stoischen Definitionen
und kommt dann zu dem Ergebnis, daß Glaube eine freie
Willenscntschcidung ist (Str. II § 8, 4), ein durch keine Einwände
zu erschütternder Dauerzustand, erreichbar nur in einer Religion,
deren Lehrer das Gotteswort selbst ist (Str. II § 9, 4), und das
Gotteswort ist selbst soviel wie Beweis (Str. II § 25, 3). Während
für die profanen Philosophen der Glaube der Sphäre des sinnlich
Wahrnehmbaren angehört, ist er für Clemens vollgültiger als das
Wissen (Str. II § 15, 5). Der 3. Abschnitt schildert die Tugenden
des Gnostikers; ihre Stufenfolge untersucht Clemens im 9. Kap.
des 2. Buches mit seiner gewohnten Methode, der Vermischung
von Schrifttexten mit philosophischen Definitionen: der Glaube
ist die elementare Grundlage, Gipfel und Krönung ist die Gnosis
(§ 31. 45. 51). Dies führt zur Frage nach dem eigentlichen Ziel
des Menschenlebens; nachdem Clemens in zwei langen Kapiteln
(21. 22) einen Katalog von reloc: -Definitionen zusammengestellt
hat, entscheidet er sich für die platonische öfiounoiq fteü) xard ro
dvvarör (Theaetet 176 B), in welcher er das xaz' f.ixöva von
Gen. 1, 26 wieder findet: dieses Ebenbild Gottes ist der wohltätige
Mensch (§ 102, 2); so bekommt die platonische Definition
ihr biblisches Gepräge. Einige Bemerkungen über Text und Übersetzung
schließen die Einleitung zum 2. Band.

Die Textteile der beiden Bände bieten auf der linken Seite
den griechischen Text, auf der rechten Seite (mit gleicher Seitenzählung
links und rechts) die französische Übersetzung. Dem gr.
Text (der außer in Catencnfragmenten nur im Laur. V3 erhalten
ist) ist ein knapper Apparat beigegeben. Es ist nichts dagegen einzuwenden
, wenn dieser über leichtere Texteingriffe schweigt, aber
tiefer eingreifende Konjekturen sollten angegeben sein (z. B.
II § 86, 6 eine Vermutung Mayors); umgekehrt stehen im Apparat
I § 11,2 eine nicht in den Text aufgenommene, noch dazu falsche
Konjektur von Münzel, zu I § 157, 2 eine ebensolche von Syl-
hurg. Die Textgestaltung ist konservativer als diejenige in der
Ausgabe von Stählin.

So ist mit Recht die Überlieferung beibehalten I § 6, 1 ovv apa
(wiederholt bei Origencs, z.B. Joh. K. 144, 26; 325, 8 Pr.); §21,2
nävxa üvrMytiv; §51,5 ra ra avxöiv Xeyöfieva; §57.4 ovvenr-
xa«. - II § 1, 1 ist eiVai nicht zu streichen (vgl. Str. V § 98, 1; Krüger
, Gricch. Sprachlehre §55,4,5); § 7, 3 ytvöfievot; §129,4 ist
mit Recht in der Def. des xi-Xoc von Poscidonios ovyxaxaoxsvüGovxa
avit)y beibehalten.

An verschiedenen Stellen ist die Überlieferung zu Unrecht geändert
, z. B. I § 4, 1 xjj de aixux (gestützt durch Str. IV 1 50, 4); §13,1
äjio äyaüov oaßßaxi'Cetv — sabbatizare ab operibus bonis Orig.
comm. ser. in Mt. p. 91,10; §42,4 mxgarai.ioxerat trägt zu Unrecht
ein Kreuz, vgl. LXX Num. 17.27 (wer der Lüge glaubt, macht
sich selbst zunichte); §48,6 vjioxotvdfieros der vor der Sphinx eine
Rolle spielt; §172,2 edly>tjoev tr. machte dürsten; §181.2 ist «af»
zu streidien. — II § 18, 3 ovxwg oi Xgioiö> ßaotXel BaoÜLtVe xai oi
Xgioiov Xginuuvoi ist richtig überliefert: wie die Weisen durdi ihre
Weisheit weise sind . . ., so sind die durch den König Christus zu Königen
Gewordenen auch die Christen des Herrn Christus; § 38, 5 rd
öiaiptQov xö ev jiXijgiö/xuii; ; §87,3 «<5>«i ■ von Hiller falsch, Subjekt
ist xö Xoyi&o&at. — Das Anaxarchosfragment I § 36, 1 und das
Heraklitfr. II § 8, 1 hätten nach Dicls-Kranz 6. Auflage beriditigt werden
können.

Im 1. Band sind meine in den Würzb. Jahrb. 1947 S. 148—151
veröffentlichten Beiträge berücksichtigt, im 2. Band nicht, und doch
hätte II § 106. 2 oiid' ev /leget xuiayivexui noxe (sc. o i/eogj, ovxe
neouyo>v ovxe sxegieiöfiero; aus Philon de post. C. § 7 zu dem theologisch
einzig möglichen äxe negtexoiv ov negieioiievog verbessert
werden können. Jetzt kommt für die Textvcrbesscrung hinzu die In
cod. Lawra B 113 erhaltene Catene: sie bietet I § 13, 3 a>avegioih)oexai
xoirvv xexaXv/t/ievo>s r) aXrj&etu für das verstümmelte tue ij äXydeia
und I § 8 5, 1 das vollständige ngotffjxai ovxes ov xov xvgiov, AXXä
rov yievoxov, wo oi xov xvoiov in der bisherigen Überlieferung fehlte.

Die französische Übersetzung liest sich elegant; sie wird mit dem
komplizierten Stil des Clemens teils durch reichlichere Anwendung
der franz. Partizipialkonstruktion teils durch Auflösung in
Hauptsätze fertig, manchmal leidet darunter die logische Beziehung,
z. B. I § 32, 4 a. E. oder § 72, 2. Sie ist bemüht, die Terminologie
scharf wiederzugeben; für yrii)aiQ und yvoiaiutöe allerdings läßt
sie oft das griechische Fremdwort, fürijlOTTtlxr'j liest man II § 47, 4
epoptie, I § 176, 2 dagegen neben dem griech. Wort die Übersetzung
l'epoptie la vision. Es kann hier nicht die Aufgabe des
Rezensenten sein, alle Stellen, wo er anderer Meinung ist, durchzugehen
, da hierfür weitsdiweifige Begründungen nötig wären, ein
paar Hinweise sollen genügen.

Manchmal fehlen griechische Satzstückc in der Übersetzung I § 38, 1
eijxoxe ötaßtovoi xaXü>s; 1 § 57, 5 ito o^y/taxt; 11 § 14.3 ovxe vXy
I § 17, 1 ist die Überlieferung eis rvyiveutv übersetzt, im Text steht
eis evyoviav; I § 149,2 ist die in den Text aufgenommene Konjektur
Wendlands nicht richtig wiedergegeben, es muß heißen: „durch
Gottes Willen waren sie (die Übersetzer des AT) auf griechische Ohren
eingesdiult". — Das Tempus ist nicht richtig I §70,4 Xij$ai cesse;

I § 89, 2 xaiaXa/tipat qu'il la noicra. — II § 75, 2 tov eTiavjjgtjfievov
qui s'cst cleve falsch von aigoi hergeleitet (I §48,5 richtig choisir);

II § 76,3 olov enxtr il est possible mit olov tr. ioxiv verwechselt. —
II §14,3 sie to xa&öXov enticrement. II §76,3 r« k<ii!/<Üoii les
etres de l'univcrs statt: „das Allgemeine". — Im Apionzitat I § 101,4
xaxeoxaye xyv 'Aovagiav lc lac Avaris fut creuse statt „er zerstörte
die Stadt A.", im Zitat aus dem Dichter Ezekiel I § 155 v. 13 äßgats
6/xov dclicatcmcnt statt „mit ihren Zofen".

Der Übersetzung sind Stellennachweise beigegeben, die etwas
reichlicher sein dürften (so fehlt z.B. I § 71 der Hinweis auf Plut.
Num. 8, § 72, 3 auf Plut. Caes. 19). Im 1. Band sind auch die
Anmerkungen ziemlich spärlich, auf jeden Fall berührt es peinlich,
daß auf der ersten Seite Str. I § 1, 2 StondjMJKfi xal TlfiaUfl
fivftovc xai ßkaa<j})ifu'ac owedtrovat der ersterc mit dem Komiker
Theopomp verwechselt ist und Timaios ein Fragezeichen
bekommt; die richtige Erklärung kann man aus Nepos Ale. 11
entnehmen: Theopompus et Timaeus, qui quidem maledicen-
tissimi etc. Der zweite Band ist sehr reichlich mit Anmerkungen
bes. zur Erläuterung der Termini versehen, hier ist auch bereits
das neue Buch von W. Völker, der wahre Gnostiker nach Clemens
von Alexandrien, Berlin 1952 benützt.

Dem wagemutigen Werk wird ein guter Fortgang gewünscht.

Ansbach Ludwig f-'rüchtel

Lei pol dt, Johannes: Die Frau in der antiken Welt und im Urchristentum
. Leipzig: Koehler & Amclang 1954. 292 S., 16Taf. 8°.
Hlw. DM 8.50.

Nachdem der Verfasser vor mehr als 30 Jahren (1921) eine
Darstellung über „Jesus und die Frauen" veröffentlicht hatte, einen
Gegenstand, der „damals schon zeitgemäß war", legt er mit diesem
Buche umfangreiches Material über die Stellung der Frau in der
Antike vor, wobei das Urchristentum, dem ungefähr die Hälfte