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Ausgabe:

1955 Nr. 12

Spalte:

745-746

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Dalbert, Peter

Titel/Untertitel:

Die Theologie der hellenistisch-jüdischen Missionsliteratur unter Ausschluß von Philo und Josephus 1955

Rezensent:

Delling, Gerhard

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745

Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 12

746

mentvollen Kapitel 2. Kor. 10-13 vor 2. Kor. 1-9 nicht mitmachen
kann), so wird man um so lebhafter dem zweiten Aufsatz
zustimmen können. Da der Ausfall einer Analyse der Entwicklung
des Apostels — wie wir eben schon sahen! — wesentlich
dadurch mitbedingt ist, wie man über die Reihenfolge der Paulusbriefe
urteilt, stellt D. an den Anfang des zweiten Aufsatzes eine
Untersuchung der ephesinischen Gefangenschaft. Mit Nachdruck
seien alle an den Fragen der neutestamentlichen Einleitungswissen-
schaft Interessierten darauf hingewiesen, daß sich auf den Seiten
8 5—108 die scharfsinnigste, sorgfältigste und umfassendste Diskussion
des Pro und Contra dieser Hypothese findet, die wir m. W.
besitzen. Das Resultat, zu dem D. kommt, ist ganz negativ. Sind
danach die vier Gefangenschaftsbriefe aus der römischen Gefangenschaft
herzuleiten, dann wird man auf die Beobachtung geführt,
daß Paulus seit dem 2. Kor.-Brief seine Haltung in einer Reihe
von Fragen ändert, a. Die bereits erwähnte Todesgefahr, von der
2. Kor. berichtet, hat zur Folge gehabt, daß Paulus seit dem
2. Kor. nicht mehr damit rechnet, daß er die Parusie als Lebender
erfahren werde. Das ist allgemein anerkannt. Nicht gesehen ist jedoch
bisher — jedenfalls nicht mit dieser Schärfe —, daß dieser
Wandel in der persönlichen Hoffnung des Apostels weitgehende
Folgen für seine Beurteilung der Dinge „dieser Welt" gehabt hat.
Staat, Familie, Ehe werden jetzt positiv bewertet, der apokalyptische
Dualismus wird überwunden — ein Wandel von entscheidender
Bedeutung, b. Noch in anderer Hinsicht findet D.
einen Wandel, der derselben Periode zuzuschreiben ist. Während
Paulus im l.Thess. (2, 16) die Überzeugung ausgesprochen hatte,
daß das Zorngericht über die Juden unwiderruflich festgesetzt sei,
öffnet er sich jetzt einem Universalismus, der ihn nicht nur
Rom. 11, 32 schreiben läßt („Paul meant exactly what he said",
S. 123 Anm. 1), sondern in Kol./Eph. zu jener ironischen Haltung
führt, die sogar die gottfeindlichen Mächte in das Versöhnungswerk
Christi einschließt, c. Meinerseits würde ich diesen Beobachtungen
noch eine dritte zufügen: erstmals im 2. Kor. hat
Paulus die Vollmacht zu einer christlichen Aussage über den Zwischenzustand
. Daß diese Beobachtungen eines Wandels der Anschauungen
des Apostels weitreichende Konsequenzen haben,
liegt auf der Hand. Beispielsweise wird man, wenn man D. zustimmt
, gegen die Echtheit von Kol. und Eph. nicht mehr ins Feld
führen dürfen, daß sie eine andere Sicht der Ehe vertreten
als 1. Kor.

Möchten diese Andeutungen gezeigt haben, wieviel Anregendes
und Weiterführendes diese gesammelten Aufsätze Dodds
bieten!

Oöttingen Joachim Jeremias

D a 1 b e r t, Peter: Die Theologie der hellenistisch-jüdischen Missions-
ÜteratUI unter Ausschluß von Philo und Joscphus. Hamburg: Reich
1954. 148 S. gr. 8° = Theologische Forschung. Wiss. Beiträge z.
kirchl.-evang. Lehre 4. DM 9.80.

Es ist das Verdienst des durch W. G. Kümmel inaugurierten
Buches, erneut auf die Bedeutung der hellenistisch-jüdischen Literatur
außerhalb der LXX, Philons und Joscphus' für das Verständnis
des Diasporajudentums (und indirekt des Neuen Testaments
) aufmerksam zu machen, auf die zuletzt Ad. Schlatter
durch ihre Einarbeitung in seine „Geschichte Israels von Alexander
... bis Hadrian" C' 192 5) stillschweigend, aber nachdrücklich
hingewiesen hatte; das geschieht dadurch, daß es einen guten Anfang
für die Darstellung ihrer Theologie setzt. Das Stichwort
„Missions-Literatur" im Titel gibt zunächst vor allem das formale
Prinzip an, nach dem die Auswahl der herangezogenen
Schriften getroffen ist (besonders 1.-4. Makk. und Ps-Phokylides
will D. nicht unter die Missionsliteratur rechnen, 8—11; zum
„Gebet der Aseneth" äußert er sich nicht, vgl. Joa. Jeremias, Neu-
tcstamentliche Studien für R. Bultmann [1954] 255, obwohl es
sich hier gerade um eine Missionserzählung handelt). Denn nachdem
anhand moderner Literatur „Entstehung und Größe [Umfang
] der hellenistisch-jüdischen Diaspora" (12-15) und ihr Verhältnis
zur Umwelt (15—21) skizziert sind, behandelt zwar ein
4. Abschnitt (21—26) hauptsächlich die Voraussetzungen, die für
die jüdische Mission in der Diaspora gegeben waren; wie sich
„Der Missionsgedanke in der hellenistisch-jüdischen Literatur"
(so die Überschrift) auswirkt, wird indessen nur eben in Andeutungen
erörtert, und in den folgenden Ausführungen begegnet
wohl ab und an das Stichwort; deutlicher wird jedoch, daß diese
Literatur der Apologetik dient oder etwa auch das Erwählungs-
bewußtsein des jüdischen Volkes herausstellt. Man könnte von
daher wohl fragen, was es zu bedeuten hat, daß in ihr der missionarische
Gesichtspunkt nicht sichtbarer hervortritt.

Der Hauptteil des Buches bespricht die z. T. recht verschiedenartigen
Schriften mit Grund gesondert (Reihenfolge: Deme-
trios, Philon der Ältere, Eupolemos, Artapanos, Ezediiel der Tragiker
, Ps-Hekataios, Aristeas, Sap. Sal., Aristeasbrief, Aristobul,
Orac. Sib.). Eine kurze Erörterung der literarischen Fragen bereitet
jeweils die theologische Bestandsaufnahme der einzelnen
Schrift vor. Diese wird etwas schematisch unter den Gesichtspunkten
Theologie (d. h. Aussagen über Gott) und Anthropologie
durchgeführt; manches dem Verf. Wichtige fügt sich nur
schwer in diese Rubriken ein; doch wird nur den Sibyllinen ein
Sonderabschnitt gewährt, der über die Eschatologie handelt (obwohl
schon zur Sap. Sal. von dieser zu reden war, 90 f.). Am
wichtigsten sind naturgemäß die Ausführungen zu den weniger
bekannten Schriften; für Sap. Sal. liegt ja eine umfängliche Literatur
sogar zu Einzelfragen vor, die selbstverständlich nur teilweise
verwertet werden konnte (sie ist auch nicht vollständig
aufgezählt).

Teil III will zusammenfassend und vergleichend „Die zentralen
Anliegen der hellenistisch-jüdischen Missionsliteratur"
aufzeigen: den Monotheismus (124—30), die Spiritualisierung des
Offenbarungsgeschehens (130—37) und den Erwählungsgedanken
(137—43). Besonders hier, des öfteren aber auch schon vorher
werden in Anm. Parallelen zu Philon, Josephus und z. T. auch zur
rabbinischen Theologie gezogen; für einzelne Schriftsteller wird
der Unterschied zum Sprachgebrauch der LXX herausgestellt;
ebenso werden Verbindungslinien zur nichtjüdischen Umwelt angedeutet
(mit zahlreichen Literaturhinweisen).

Das Buch D.s stößt in weithin wenig bekanntes Gelände
vor; vieles ist erste Materialsammlung; so bleiben Einzelfragen
offen, für das Verständnis der Texte selbst wie für die geistigen
Zusammenhänge, in denen sie stehen. Aber eben dadurch regt
die Arbeit an zu weiteren Untersuchungen, die wohl zunächst
einmal die einzelnen Schriftsteller z. T. noch deutlicher ins Auge
fassen müssen. Vorerst wird jedoch gerade auch der Student diese
Einführung in die geistige Welt, auf die die urchristliche Verkündigung
außerhalb Palästinas zunächst traf, mit Gewinn lesen.

Die beigelegte Druckfchlerliste ist keineswegs vollständig, besonders
für den griechischen Text zumal der Sibyllinen, in dem gelegentlich
ganze Silben fehlen; hier sind auch einige Interpretationen mindestens
schief formuliert, 113, Mitte zu III 154 ff.; 114 oben zu IV 151
usw.; 117 Mitte zu III 221 ff. 103 Z. 3 f. und Anm. 1 ist ein Widerspruch
stehen geblieben. Im ganzen ist die Arbeit flüssig geschrieben.
Für eine neue Aufl. sollten die Zitate der Fragmente, soweit möglich,
ergänzt werden durch Angabe der Fundorte bei Euseb bzw. Clem. AI.,
da die von D. benutzte Ausgabe von Stearns selbst in Universitätsbibliotheken
häufig fehlt. #

Halle/Saale Oerhard Delling

Rendtorff, Heinrich, Prof. D.: Hörer und Täter. Eine Einführung
in den Jakobusbrief. Hamburg: Furche-Verlag [1953]. 85 S. 8° = Die
urchristliche Botschaft. Eine Einführung in die Schriften des N. T.,
hrsg. v. Otto Schmitz. 19. Abt. Lw. DM 5.80.

— Von den guten Werken des Glaubens. Handreichung zur Bibelwochc
1953 über den Jakobusbrief. Berlin: Christi. Zeitschriftenvcrlag [1953].
68 S. 8° = Hilfe fürs Amt, H. 27. kart. DM 1.20.

Es liegt eine gewisse Kühnheit in dem Plan, für eine evangelische
Bibelwoche gerade den Jac. zu bestimmen und damit
über den Vorbehalt Luthers wegzuschreiten. Man tat es aber
1953. So stand zu erwarten, daß nur die entschiedenen Paulinisten
„glücklich" mit der Aufgabe fertig würden, indem sie den
Jac. paulinisch auslegen und die hart unpaulinischen Stellen des
Jac. als mißverständliche, aber aus der Situation des Jac. begreifliche
Seitensprünge behandeln würden. Immerhin: der Jac. wäre
das nicht gewesen! Den anderen aber mochte es naheliegen, bei
der Bibelarbeit am Jac. den Paulinismus gar nicht zu kommemo-
rieren, sondern sich in den Jac. wie in das christliche „Buch der
Sprüche" zu versenken. Aber lief in diesem letzteren Falle die
evangelische Bibelwoche nicht Gefahr, das „andere" Christentum