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Ausgabe:

1955 Nr. 12

Spalte:

737-740

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Roberts, C. H.

Titel/Untertitel:

F.B.A., The Antinoopolis Papyri 1955

Rezensent:

Walters, Peter

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 12

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Volk" die Beiträge von Erik Wolf über „die menschliche Rechtsordnung
" und von Stephan N e i 11 über „Zivilisation und Kultur"
hervorzuheben.

Das Buch zeigt auf der einen Seite die Notwendigkeit, bei
allem christlichen Reden über soziale und politische Fragen auf das
biblische Zeugnis zurückzugehen, damit hier nicht mit dem christlichen
Namen zeitbedingte und weltanschaulich begründete Auffassungen
sanktioniert werden, andererseits aber auch die ganze
Schwierigkeit dieses Redens, die darin begründet ist, daß die gesellschaftliche
und politische Wirklichkeit ebenso wie die Stellung
der Christenheit in der Gesellschaft heute eine ganz andere ist,
als in der biblischen Zeit. So sind denn auch die Erträge, die das
Buch für die soziale und politische Botschaft der Kirche liefert,
noch etwas mager und gehen nicht wesentlich über das hinaus,
was die heutige westliche Welt von einem humanistischen Ethos
aus sich wenigstens theoretisch schon selber sagt. Es wird hier
noch einer gründlichen exegetischen und dogmatisch-ethischen Besinnung
bedürfen, ehe die Kirche auf sozialem und politischem
Gebiet über gewisse Allgemeinplätze hinaus ein konkretes, wirklich
helfendes Wort sagen kann.

Mainz Werner Wiesne r

Roberts, C. H., F.B.A.: The Antinoopolis Papyri ed. with trans-
lations and Notes. Part l. London: Egypt Exploration Society 1950.
XII, 119S., 2Taf. gr. 8°.

Dieser Band beginnt eine neue Serie der Graeco - Roman
Memoirs, nämlich J. Johnsons Funde bei seinen Grabungen in
Sheikh Abada, dem alten Antinoopolis (1913/14, cf. Journ. of Eg.
Arch. I, 1914, 168f.). Wie Hsg. sagt, gibt der Band in seiner
Mischung ein gutes Bild des Gefundenen, nur daß technische
Texte, z. B. die medizinischen und rechtlichen, hier unter Ausschluß
vieler jüngerer Stücke schwächer vertreten sind. Er verweist
auch auf die vorher gesondert veröffentlichten klassischen
Stücke. Seine Seminarübungen 1945/6 sind, wie der Band zeigt,
einigen klass. Fragmenten sehr zugute gekommen.

Die Einteilung ist die übliche: Theol. Fragm. (7-14), neue
klass. Fragm. (15-22), vorhandene klass. Autoren (23-30), röm.
u. byz. Dokumente (31-46) und in einem Anhang hebr. Fragm.
(47-50).

Von den für uns wichtigsten theol. Stücken sind die hebr. klein
und ohne Überraschungen, einseitig beschriebene Pergamente, also wohl
von Rollen und gleichzeitig mit den übrigen, also 3—6P. 47/8 enthalten
I. Kö. 22, 12—18 (1. Spalte), 22,28—33 (2. Spalte) und (48)
II. Kö. 21, 8 f. 49 bietet Hiob 20, 24—21, 14. Das dazugehörige 50 ist
unleserlich. Von den zwei ntl. Stücken ist hr. 11 4, 8 zu 5,9 cm Pergament
, gute Bibelhand, 4P Mt. 26, 75; 27, 1.3 f., mit der Lesung
dXexrnorpo>riac, für die, wie Hsg. angibt, G. Zuntz 26,34 aus den ältesten
Zeugen P37'45 als Parallele beibrachte (J. T. S. 1949, 182). Das
andre, 3m, bietet den größeren Teil von II. Joh. in einem A nahestehenden
Text.

Hsg. schließt zwei „nachbibl." Stücke an, das 5. in Ägypten gefundene
Fragment der Acta Pauli et Theclae, mit bisher nur aus mittelalterlichen
HSS bekannten Lesungen; und ein „Latin Hagiographical
Fragment", das aber I. Moreau als den altlat. Text von Esther 3, 15
bis 4, 1 (Verso) u. 4, 4—7 (Rccto) nachgewiesen hat (La Nouvelle
Clio IV, 1952, 397). Hsg., irregeleitet durch homo de tribu Benjamin
(20). wie er sagt, dachte an Paulus als Helden und an eine lat.
Version des verlorenen Teils der Acta Pauli. Nachdem einmal das
Stüde identifiziert ist, zeigt sich, daß von den unsichern Buchstaben
sehr viele falsch gelesen waren. ... Jus in Z. 29 ist nicht Paulus,
sondern der Schluß von vesti]tus. Merkwürdig, und erstaunlicherweise
von Hsg. nicht für seine Deutung erwähnt, ist bei der Beschreibung des
Mardodiaeus an der kritischen Stelle, daß dem de tribu Beniamin
homo iustus die sonst im altlat. fehlenden Worte magnus aposto-
lus vorangeschickt sind. Sie allerdings scheinen mir ein christl. Ein-
schub, der den Mann vom Stamme B. näher bezeichnen wollte. Das
ergäbe ein neues Beispiel der frühchristl. Christianisierungen atl. Texte,
nur nicht auf die Person des Herrn, sondern auf die seines großen
Jüngers angewandt, hier allerdings auf der Ebene bloßer Gedankenlosigkeit
.

Bedeutsamer sind die LXXfragmente, z. T. aus bisher schwach
damit bedachten Büchern. Hsg. arbeitet mit Swete und Holmes-
Parsons. Vielleicht läßt sich hier ein wenig weiterkommen.

Nr. 7, zwei Bruchstücke eines Blatts von einem Papyrusbuch (IIP),
Ps. 81.1—4: 82, 4—9. 16 f., Zeilenbruchstücke, aber ergänzbar, wenn
auch nicht, was leider das Herkömmliche ist, aus Swete = B. So ist

kein Grund, in die Lücke 82, 8 den Fehler von BS* vaißaX statt yeßaX
zu setzen. Wenn man, wie Hsg., im Vers vorher axrjvcofia für haplogr.
Irrtum statt des Plurals hält, sollte man, mit allen Zeugen, rot und
nicht to davorsetzen. In 81, 3a, wo mit Rcdit nach B ergänzt wird,
stellt der Apparat ins Lemma die ttf entsprechende Umkehrung mit
„so N*". Diese sekundäre Sonderlesung (auch im Gallicanum) hat
hier aber nichts zu suchen. Statt des ebeno aus Swete genommenen
weiteren ogfavat xai nxo>/o> N ca. ART wäre es besser, die Zeugen
zu charakterisieren. Der Korrektor von S (= N), aus dem Anfang
des 7. Jahrh. (Tischendorf), hat diese HS radikal in den lukianischen Vulgärtyp
übergeführt, an 103 von 112 davon abweichenden Stellen
(Rahlfs, Sept.-Stud. II, 57); der Wechsel vom alten Btext setzt überhaupt
im 7. Jahrh. ein (ders., 107 f.). Diesen Text kann natürlich ein
Papyrus des IIP nicht aufweisen. Auch [sm]av 82, 5 zeigt unsern Text,
wie zu erwarten, von atticisicrenden Einflüssen, wie sie Lukian dia-
rakterisieren, frei. Wenn, wie sicher, die Datierung des Pap. richtig ist,
hat es auch keinen Sinn, zu 81,4 späte Zusätze von N c>a- T = L
oder A anzuführen, sowenig, wie zu 82, 17, das ganz vereinzelte
nooamjiov von A, das dort, wie Rahlfs gesehen hat, unter dem Einfluß
der vorhergehenden Zeile entstanden ist. Diese Bemerkungen stammen
nicht aus Tadelsucht. Hsg., der eine glanzvolle Tradition vollwertig
fortsetzt, hat Besseres zu tun als Spezialist auf dem spinösen Gebiet
der LXX zu sein; aber er kommt zu Schaden, wenn für seine Ratgeber
Swete letzte Weisheit ist und Rahlfs umsonst gearbeitet hat. Das läßt
sich sogar an einem so wenig aufregenden Fragment wie dem vorliegenden
zeigen.

Viel wichtiger ist Nr. 8, zahlreiche kleine Bruchstücke eines Papyrusbuchs
IUP in nur einem Falz, das sicher Sprüche, Weisheit und
Jes. Sira enthielt. Für Sira finden sich keine wichtigen Varianten. Auch
den Weisheitstext kann ich durchaus nicht „highly eccentric" finden.
In 11,20 ist die Abweichung wohl nur scheinbar. Hsg. würde die ergänzte
Zeile nicht mehr für überfüllt halten, wenn er für hi iivevfiaxi
Kontraktion in Betracht zöge; dann wäre 20a nicht mehr länger als 20c.
In dem Fragment 12, 8c—IIb sind nur Buchstaben aus der 2. Hälfte
des Zeilen-Inneren erhalten; trotzdem sind die Ergänzungen sicher, und
was sie zeigen, beschränkt sich auf Auslassungen, die z. T. an falscher
Stelle nachgetragen sind. Ich kann also nicht zustimmen, daß die Wortfolge
in Vers 10 von der übrigen Überlieferung radikal abwich. Der
Schluß von 9b erscheint, soweit der Abdruck ein Urteil zuläßt, als neue
Zeile, doch nicht als Fortsetzung eingerückt: erhalten ist nur der unsicher
gelesene letzte Buchstabe i von exxQtyiat; daran schließt sich
ffij exavoiag [5bJ , das am Schluß der folgenden Zeile vermißt wird.
10c hat einen unlesbaren Zusatz, der aber nach Hsg. nicht das im nächsten
Zeilenschluß vermißte ek xbv alwva sein kann. Wenn einer,
verdient Hsg. Vertrauen in seine Lesungen. Gleichwohl sollte man
nichts sagen, ohne das Original studiert zu haben. Vielleicht wird sich
dann ergeben, daß die Vorlage in Sap. allerhand Versehen am Rande
korrigierte, was unsern Schreiber zu falscher Einordnung veranlaßte.
Dafür, daß dem Ganzen eine abweichende Überlieferung zu Grunde
liege, scheint mir nichts zu sprechen.

Seinen eigentlichen Beitrag leistet der Pap. zu den Sprüchen,
als der erste wirkliche Förderung bringende Fund.

Hsg. gibt einen Überblick auf S. 3: Der neue Text hat viele Lesarten
, die entweder einzigartig sind oder sich nur im Hebr. oder den
griech. Übersetzungen neben der LXX finden, weiter steht er N—V
= 23 nah samt seinen Trabanten im Unterschied von den andern Majuskeln
. Die Übereinstimmungen wie die Abweichungen von V betreffen
oft wichtige Punkte. Von den 20 neuen griech. Lesungen sind
manche näher bei tt, andre sind von Origenes, Clemens oder Symma-
chus gestützt, wieder andre, so 8, 22, ganz neu. Es bestehen keine
Beziehungen zu Sahid. oder Bohair. Texten. Wir haben wohl einen
vororigenischen LXXtcxt, unter beträchtlichem Einfluß der jüngeren
griech. Übersetzungen und vielleicht von Ut, einen Text, der sehr
wahrscheinlich mit V einen gemeinsamen Ahnen hat. Damit steigt
das Interesse am Text der Familie von V für die frühe Geschichte des
Prov. texts beträchtlich.

Soweit Hsg. Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung würde den
Rahmen dieser Anzeige sprengen. Sie wäre vielleicht auch verfrüht, da
G. Zuntz den Nachweis vorbereitet, daß der neue Text dem Text der
byzantinischen Prophctologien nahesteht. Die beiden Beispiele für Annäherung
an Xtl sind sehr verschiedenwertig. In 5, 22 ist es einzig die
Stellung von eavxov; während in 6,23 der nächste Gesichtspunkt,
Stützung durch Vätertexte, der übergreifende ist. Es ist bekannt, zum
mindesten seit Lagardes Anmerkungen von 1863 und O. Stählins
Programm über Clemens und die Septuaginta (Nürnberg 1901), daß
der Prov. text sehr lange fließend geblieben ist und Clemens mehr
als einmal das Ursprünglichere bietet. Das ist hier sicher so.
Strom. I 1812, Xafxnxrjo ä(>a ivioXfj äyaüi), vö/uog de <pws 65ov, ööovg yäg
ßioxrjToi eUyxei ixeudeia, zeigt gewiß Freiheiten, wie Xa/iaxtjo statt
Xvyvog und, wie das neue Fragment zeigt, die Gestaltung der 3. Zeile.
Daneben zeigt aber die Beifügung des Adjektivs aya&i) etwas für die.