Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1955 Nr. 1

Spalte:

734-737

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Die Autorität der Bibel heute 1955

Rezensent:

Wiesner, Werner

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

733 Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 12

apokalyptische und uns daher so ferne, uminterpretiert und in
heutigem Daseinsverständnis anzusiedeln vermocht.

Fritz B u r i (Der existentielle Charakter des konsequent-
eschatologischen Jesus:Verständnisses Albert Schweitzers im Zusammenhang
mit der heutigen Debatte zwischen Bultmann, Barth
und Jaspers) entwickelt zunächst, welchen zwiespältigen Eindruck
Schweitzers „konsequente Eschatologie" nach Methode und Inhalt
auf uns heute macht, zeigt auf, wie die Diskussionsgrundlage
sich seit der Jahrhundertwende verändert hat, konfrontiert
Schweitzers Verstehen von Wille zu Wille mit Bultmanns und
Barths Theologie, um endlich mit Hilfe der Jaspcrschen
„Chiffre" eine Möglichkeit aufzuzeigen, Schweitzers echter Intuition
ihren Platz im Rahmen der heutigen wissenschaftlichen Diskussion
anzuweisen.

Hans Schär (Bern) behandelt die konsequent eschatolo-
gische Deutung des Neuen Testamentes als Element einer Seelengeschichte
, wobei er an Schweitzers medizinische Dissertation
anknüpft, die die psychische Gesundheit Jesu zum Gegenstand
hatte. Die uns fremde apokalyptische Weltauffassung ist nicht
anormal, sie beruht darauf, daß es eine Geschichte der
Seele gibt. Gegenüber der Kritik Leopold Zieglers an Schweitzers
Auffassung, daß er nur den auf die Zukunft gerichteten Charakter
der eschatologischen Weltanschauung sehe, nicht aber ihre
Gegenwärtigkeit als Ewigkeit, weist Schär mit Recht daraufhin,
daß Schweitzer (Taufe Jesu, Verklärung auf dem Berge) die Entwicklung
eschatologischcr Gedanken in Verbindung mit pneumatischen
Erlebnissen sieht, die diesen uns fremd anmutenden
Vorstellungen zugrunde liegen und die Ursache besonderer
Fähigkeiten waren, wie Rudolf Otto in seinem Buch „Reich Gottes
und Menschensohn", die These Schw.s aufnehmend, weiterhin
dargelegt hat. In der Tat, wenn Otto von „vorwirkender Dyna-
mis" spricht, so hat er die Gegenwart mit der Zukunftserwartung
verknüpft. Schär möchte nun eine Verbindung zwischen
C. G. Jung (Aion) und Schweitzer geschlagen wissen, gesteht aber
(trotz einiger andeutender Vergleiche, die er anstellt), daß hier
eine religionspsychologischc, dogmcngeschichtliche und historische
Arbeit noch zu leisten sei.

Hinter Ludwig Kochlers bescheidenem Titel „Eine
Handvoll Neues Testament" verbirgt sich eine interessante Interpretation
zu Joh. 1,1 (Schon im Anfang war das Wort) in
Verbindung mit einem m. E. richtigen Nachweis der johanncischen
Art indirekter Polemik, während man der Deutung der Taube in
der Tauferzählung (Peristera zu ersetzen durch Pyros Teras, obwohl
handschriftlich nirgends bezeugt) schon aus sprachlichen
Gründen schwerlich zustimmen könnte, ergibt doch ein Blick in
die Konkordanz, daß teras im NT nie allein vorkommt (wie
semeion), sondern stets in Verbindung mit semeion, semeion
steht oft allein und wird sichtlich bevorzugt. Weiteres wäre
(über LXX) sprachgeschichtlich zu prüfen.

Sehr wertvoll und wichtig sind die Beiträge zu ethischen
und philosophischen Fragen, welche Georges M a r c h a 1 - Paris
(Le paradoxe dans Ia pensee d'Albert Schweitzer), Robert Stahler
- Geneve (L'univcrsel, l'humain, le chretien chez Albert
Schweitzer). Sörcn Holm- Kopenhagen (Möglichkeit und Wirklichkeit
in der Ethik"). K. A. H. H i d d i n g - Leiden (Ethik und
Mystik in anthropologischer Beziehung) und George S e a v e r -
Kilkenny (Irland) mit seiner Deutung der Ehrfurcht vor dem Leben
beisteuern. Leider können sie hier nicht weiter behandelt
werden. Fritz Warte nweiler beschwört das Bild des Straßburger
Seelsorgers an St. Nicolai (1901—05), Markus Lauterburg
- Bonjour berichtet als erster und ältester Mitarbeiter
über die ärztliche Tätigkeit in Lambarene, während Emilius Bangert
(Roskilde) den Orgelspieler und Orgelkenner vor dem Leser
lebendig erstehen läßt.

Der guten deutschen Sitte, einen Jubilar durch einen Beitrag
aus dem eigenen Fach zu ehren, folgt Günther R a m i n mit
einer Bachstudie und Ernst B e u 11 e r mit einer umfangreichen
Untersuchung zu einem Handschriftenblatt Goethes.

Pablo C a s a 1 s, Albert Einstein, Martin Buher,
Hermann Hesse und Adlai E. Stevenson haben nach Art
der tabula gratulatoria kürzere Würdigungen des Jubilars beigesteuert
, während Oskar P f i s t e r, Willy H e 11 p a c h,

734

G. Bromley O x n a m, I. S. B i x 1 e r Schweitzers vielfältiges
Wirken als Persönlichkeit in längeren Ausführungen charakterisieren
. Nicht zu übersehen Peter L o t a r s Eintreten für die zahlreichen
Unbekannten, die Albert Schweitzer lesen und verehren,
Elly Heuss-Knapps sympathischer Brief und ihres Gatten
Festrede aus dem Jahre 1951 (anläßlich der Verleihung des Friedenspreises
des deutschen Buchhandels an Albert Schweitzer in
der Frankfurter Paulskirche).

Nicht alle konnten genannt werden, der Wert ihres Beitrags
sei damit keineswegs gering geschätzt; wie der Verleger zum
Schluß seine erste Begegnung mit Albert Schweitzer schildert,
rundet das Bild harmonisdi ab. Daß alle Mitarbeiter und Firmen
auf Honorar und Gewinn zugunsten Lambarcnes verzichteten,
wird den greisen Menschenfreund besonders gefreut haben, von
dem sein ärztlicher Mitarbeiter schreibt: „Die Lebenskraft Albert
Schweitzers war zu stark, um sich nur im Geistigen auszugeben.
Es sollte auch in sichtbarer Weise der Menschheit gezeigt werden,
was man tun soll und tun kann, wenn der Wille zur Tat im Sinne
der Nächstenliebe geweckt wird."

Berlin Erich Fasch er

Schumpeter, Joseph A.: Dogmenhistorische und biographische
Aufsätze. Tübingen: Mohr 1954. 383 S. gr. 8°. DM 25.80; Lw.
DM 29.40.

Angesichts der Tatsache, daß es sich hier um 14 biographische
und theoriegeschichtliche Arbeiten eines berühmten Nationalökonomen
handelt, die an keiner Stelle in einer Beziehung
zum Glauben, zur Kirche, zur Theologie oder auch nur zur historischen
Bedeutung des Christentums stehen — allenfalls abgesehen
von dem neun Seiten umfassenden Gedenkaufsatz für
Max Weber (108—117), wo dessen religionssoziologische Arbeiten
lobend erwähnt sind — möchte man fast vermuten, daß hier
(vielleicht infolge des Titels „dogmenhistorisch") dem Verlag
ein Irrtum bei der Versendung der Rezensionsexemplare unterlaufen
ist.

Sei's drum: in jedem Fall lohnt sich auch für Theologen die
Lektüre dieser geist- und stilvollen, auf engstem Raum Vieles
sagenden, von Sachlichkeit, Humanität und Toleranz zeugenden
Charakteristiken bekannter Nationalökonomen, wie Walras
(1—17), v. Röhm-Bawerk (17—99), Franz Oppenheimer (100
bis 107), Max Weber (108-117), Carl Menger (118-127), Ed-
geworth (128-147), Schmoller (148-199), Cassel (200-219),
Sombart (220-240), Knud Wicksell (241-254), Alfred Marshall
(285-303), J. M. Keynes (304-336).

Ergänzt durch ein Kapitel über die „Wirtschaftstheorie der
Gegenwart in Deutschland" von 1927 (255—302), geben die
Aufsätze ein Bild von der Entwicklung theoretischer Wirtschaftswissenschaft
vom Ende der achtziger Jahre des vorigen bis zum
Anfang der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts. Man sieht, wie
in rascher Entfaltung, die nicht zuletzt dem 1950 in den LISA,
verstorbenen Verfasser zu danken ist, die ökonomische Theorie
sich vom Historismus gelöst und von nur praktisch-politischen
Aspekten sich freigemacht hat, um, eigenständig geworden, dem
neuen Ziel einer wirtschaftlichen Sachlogik zuzustreben, dem in
jüngster Zeit Walter Eucken und andere noch näher gekommen
sind.

So wird den Herausgebern der nunmehr in drei gediegen
ausgestatteten Bänden gesammelten Abhandlungen von Schumpeter
(früher erschienen Bd. I „Aufsätze zur ökonomischen Theorie
" (1952) und Bd. II „Aufsätze zur Soziologie" (1953)) jeder
Leser dankbar sein, dem an universaler wissenschaftlicher Bildung
gelegen ist.

Freiburg i. Br. Erik Wolf

BIBELWISSENSCHAFT

Richardson, Alan, D. D., u. Dr. theol. Wolfgang Schweitzer:
Die Autorität der Bibel heute. Ein vom Weltkirchenrat zusammengestelltes
Symposion über „Die biblische Autorität für die soziale
und politische Botschaft der Kirche heute" hrsg. Zürich: Gotthelf-
Verl.; Frankfurt/M.: Anker-Verlag [1952]. 406 S. 8°. Kart. DM 10.—.
Das vorliegende Buch ist eine Sammlung von Beiträgen, die

aus der ökumenischen Studienarbeit zur Vorbereitung der Voll-