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Ausgabe:

1955 Nr. 11

Spalte:

672-673

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Franzen, August

Titel/Untertitel:

Die Kölner Archidiakonate in vor- und nachtridentinischer Zeit 1955

Rezensent:

Stupperich, Robert

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 11

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Versuch einer organisch ganzheitlichen Betrachtung der Sexualität
zu verdanken, der in der Erkenntnis von der Mehrschichtigkeit
des Geschlechtlichen liegt. Desgleichen hat er das Verdienst, eine
Zwecklehre der geschlechtlichen Vollehe geschaffen zu haben, in
der auch die geistige Eheauffassung Hugos von St. Viktor berücksichtigt
wird. Richtungweisend noch für heute ist die Unterscheidung
in actus naturae und actus hominis im spezifischen
Zweckbereich des Sexuallebens, sowie die Einteilung in causa
formalis und causa finalis innerhalb der allumfassenden Zweckordnung
der Ehe.

Verf. kommt zu dem Urteil, daß Albert verglichen mit Thomas
von Aquin durch die Auswertung und Zusammenfassung
der verschiedenen Strömungen der theologischen Tradition eine
reifere und geschlossenere Synthese der Sexualethik geschaffen
habe, obwohl er diesen in der spekulativen Durchdringung und
der systematischen Ausarbeitung der materialen Sexualordnung
nachstehe. Auch übersieht er nicht, daß es Wandlungen in der
Lehre Alberts gibt (z. B. Seite 54 und 79).

Seine Kenntnisse von der Frühscholastik hat Verf. in der
Hauptsache nur aus zweiter Hand. Bei der Bedeutung der Vorarbeiten
hier ist dies auch nicht zu beanstanden. Lediglich hätte
man gewünscht, daß die Albert vorausgehenden Dominikaner —
insbesondere Hugo a S. Charo, Roland von Cremona, Richard
Fishacre und Guerricus de S. Quintino — kräftiger herangezogen
worden wären und auch die Lehre des Alexander Haies selber
und nicht bloß die Summa Alexandrina auch nach den Handschriften
zum Vergleich gebracht worden wäre. Der Artikel von
P. Abellän: La doctrina matrimonial de Hugo de San Caro [Archivo
Teologico Granadino. Jeres de la Frontera (1938] 27—56)
wäre noch zu erwähnen, dürfte aber dem Verf. nicht erreichbar
gewesen sein.

Jedenfalls haben mit diesem Band die „Studien zur Ge>-
schichte der kath. Moraltheologie" einen glücklichen Schritt vorwärts
getan.

Bamberg A. M. Landgraf

Holtzmann, Walther, Prof.: Papsturkunden in England. 3. Bd.:
Oxford, Cambridge, Kleinere Bibliotheken und Archive und Nachträge
aus London. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1952. 596 S.
gr. 8° = Abhandlungen der Akademie der Wissensch, in Göttingen,
Phil.-hist. Klasse, 3. Folge, Nr. 33. DM 56.—.

Im Auftrag P. Kehrs hatte W. Holtzmann 1927 mit der
Durchforschung der englischen Bibliotheken und Archive für die
Regesta pontificia begonnen. Von seiner Arbeitsenergie zeugten
die 1930/31 und 1935/36 erschienenen ersten beiden Bände der
Papsturkunden in England. Sie brachten die Ergebnisse seiner Arbeit
in London, vor allem im Public Record Office, und in den
kirchlichen, d. h. den Kathedralarchiven, denn klösterliche Archive
sind in England nirgends mehr in einiger Vollständigkeit
beisammen. Dann kam der Krieg, der alle Arbeit unterbrach und
die Fortsetzung des Druckes unmöglich machte. Erst 1952 konnte
der 3. und letzte Band erscheinen. Man freut sich mit dem Bearbeiter
, daß seine unersetzlichen Sammlungen glücklich alle
Fährlichkeiten des Krieges überstanden haben, und betrauert mit
ihm, daß die Vernichtung der Bonner Bibliothek ihm die Verwirklichung
des ursprünglichen Arbeitszieles, der Anglia pontificia
, unmöglich gemacht hat.

Beim Abschluß einer solchen Arbeit darf man wohl das
Ganze noch einmal rasch überschauen. Die Besonderheit der Aufgabe
, ihre Schwierigkeit, und auch ihr Reiz, lag in der eigenartigen
Geschichte der englischen Kirchenarchive begründet, worüber
die großen Einleitungen der drei Bände, vor allem des ersten,
eingehend berichten. Die päpstlichen Urkunden sind im 16. Jahrhundert
nicht nur für kraftlos und rechtsungültig erklärt, sondern
auch fast samt und sonders vernichtet worden, die Archive
der aufgehobenen Klöster sind in alle Winde zerstoben, nur die
Archive der Domkirchen sind einigermaßen geschlossene Bestände
geblieben und auch hier ist von Vollständigkeit keine
Rede. Der Bearbeiter hatte also eine teilweise überaus mühselige
und nicht immer von Erfolg gekrönte Sucharbeit zu leisten, mit
nachträglichen Funden ist jederzeit zu rechnen, wenn sie auch
kaum mehr große Überraschungen bringen werden. Die drei

Bände Holtzmanns enthalten über 1100 Urkunden, darunter sind
nicht mehr als 70 Originale, alles andere ist teils in Kartularen,
teils in Einzelkopien überliefert. Nebenbei bemerkt fällt auf,
daß ganz verschwindend wenig Fälschungen verzeichnet sind.
Lehrreich ist die zeitliche Verteilung der Stücke. Aus der Zeit
vor 1100 stammen nur 4 echte Nummern, dann beginnt es zu
tröpfeln und erst im letzten Viertel des Jahrhunderts fängt es
an zu strömen. Ziemlich genau 9/10 sämtlicher in den drei Bänden
veröffentlichten Lirkunden stammt aus der Zeit vom Regierungsantritt
Eugens III., also von 1145 an, 7/10 aus der Zeit
nach den Abmachungen von Avranches 1172. Wenn diese Zahlen
auch von statistischer Genauigkeit ziemlich entfernt sind —
dazu wäre nötig, die bei Jaffe-Löwenfeld aufgeführten Stücke auszuzählen
—, so geben sie doch einen wohl ungefähr richtigen Begriff
davon, daß erst die erzwungene Nachgiebigkeit Heinrichs
II. stärkeren Einfluß der Kurie auf die englische Kirche mög'
lieh gemacht hat.

Wie sich von selbst versteht, sind die meisten Urkunden
an und für sich nur für die Ortsgeschichte von Interesse, Besitzbestätigungen
, Schutzverleihungen, örtliche Rechtsstreitigkeiten
und dgl. mehr bilden wie überall ganz überwiegend den Inhalt.
Als allgemeiner interessierend mögen einige Nummern herausgehoben
werden. Zum Investiturstreit und der Geschichte Anselms
im l.Band Nr. 5—8. Vererbung von Kirchen, verheiratete
Kleriker und Söhne von Klerikern I Nr. 211. 288. 260; II Nr. 61!
III Nr. 63. Prüfung wissenschaftlicher Schriften II Nr. 258/9. Zu
den Abmachungen von Avranches (inhaltlich nichts Neues) IH
Nr. 189. Lösegeld für König Richard II Nr. 275. Anfänge päpstlicher
Provisionen in Gestalt von Empfehlungen für pfründenbedürftige
Kleriker I Nr. 153 (Kuriale). 228. 273 (päpstlicher
Nepot). II Nr. 46 (Nepot eines Kardinals). III Nr. 161 (päpstlicher
Notar). 216.

Ein paar Kleiniekeiten nur sind zu berichtigen: in Band 3 Nr. 21
ist im Kopfregest ..Religion" zum mindesten mißverständlich (religio rrrr
Ordensleben). In III Nr. 10 und den meisten anderen auf Kirkhnm bezüglichen
Stücken ist im Kopfregest die Bezeichnung Augustinerkloster
irrig, es handelt sich um Augustinerchorherrn.

Tübingen H. Dannenbauer

Flauten, August: Die Kölner Archidiakonate in vor- und nach-
tridentinisdier Zeit. Eine kirchen- u. kirchenrechtsgeschichrliche Untersuchung
über das Wesen der Archidiakonate und die Gründe ihres
Fortbestandes nach dem Konzil von Trient. Münster: Aschendorff
1953. XXIII, 443 S. gr. 8° = Reformationsgeschichtl. Studien und
Texte, hrsg. v. W. Neuss, H. 78/79. DM 29.50.

Die vorliegende Untersuchung stellt nicht nur eine für die
Erzdiözese Köln wichtige Zusammenfassung kirchlicher Rechtsgeschichte
dar. In Bezug auf die Archidiakonate, ihre Einrichtung
und ihren Untergang, kann die Entwicklung im Erzstift Köln als
Beispiel für das gesamte deutsche Reichsgebiet gelten. Bei der
starken Entfaltung dieser von den Bischöfen geschaffenen Einrichtung
mußte es bereits im Mittelalter zu starken Kämpfen zwischen
dieser und dem mächtig werdenden Zentralismus der Bischofsgewalt
kommen. Die Geschichte der aufkommenden Archidiakonate
und ihres langsamen Untergangs wird gleichmäßig behandelt
. Es ist ein Verdienst des Verfassers, aufgrund umfassender
Vorarbeiten ein klares und fesselndes Bild dieses Stückes kirchlicher
Verfassungsgeschichte geboten zu haben. Indem er es in
einen größeren Rahmen hineinstellt, hat er zu seiner Klärung
wesentlich beigetragen.

Ausgehend von der Grundlage des mittelalterlichen Synodalrechtes
kennzeichnet der Verfasser mit großer Sachkunde die
Versuche, das Archidiakonat im Kampf gegen die Reformation
einzusetzen. Er verweist dabei auf die Tatsache, daß die Kölner
Synoden von 1536 an die Bedeutung dieser Institutionen hervorheben
, die durch ihr Visitations- und Investiturrecht großen Einfluß
besaßen. Andererseits muß er ebenso die Erschütterung dieser
Einrichtung durch die kirchlichen Wirren feststellen, die
selbst in ihren besten Vertretern ihren Aufgaben nicht gerecht
werden konnte, so daß ihr die Schuld für den Zusammenbruch
der katholischen Kirche zugeschrieben werden konnte.

In diesem Zusammenhang hebt der Verfasser Kölns ablehnende
Haltung bezüglich der Tridentinischen Reformbeschlüsse