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Ausgabe:

1955 Nr. 11

Spalte:

670-671

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Brandl, Leopold

Titel/Untertitel:

Die Sexualethik des heiligen Albertus Magnus 1955

Rezensent:

Landgraf, August

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 11

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das Stift den Boden für eine Milderung der Gegensätze, die in der
eigenartigen Vermittlungstheologie von Max. Alb. Landerer zu Tage
trat, so daß man in Württemberg zu Anfang des 20. Jahrhunderts nicht
mehr von gegensätzlichen „Richtungen" sprach, sondern von einem
Nebeneinander von „Gruppe 1" und „Gruppe II".

S. 525. Die hessische Stipendiatenanstalt in Marburg, das bald weit
überflügelte Vorbild des Tübinger Stifts, ist nicht aufgelöst worden,
sondern besteht noch heute.

S. 610, Zeile 3 von unten ist einzufügen: Der erste „Evangelische
Kirchengesangverein für Württemberg" wurde 1877 durch Heinrich
Adolf Köstlin (geb. 1846 in Tübingen, gest. 1907 als Professor der
Praktischen Theologie in Gießen) begründet und 1 833 zum „Vorstand
der Evangelischen Kirchengesangvereine in Deutschland" erweitert. So ist
Württemberg geradezu der Ausgangspunkt der neueren Bestrebungen
auf den Gebieten des Choral- und Kirchengesangs geworden.

S. 613 (Zeile 1 von oben). Der Schwäbische Albverein war nicht
■•der Schöpfer der Jugendherbergen" (s. Konversationslexikon, z. B.
Herder 6, 1933, 791 f.), wohl aber der kräftigste Förderer derselben.

München Heinrich H erme 1 i nk

KIRCHEN GESCHICHTE: MITTELALTER

Meier, Ludger, O.F.M.: Die Werke des Erfurter Karthäusers Jakob
von Jüterbog in ihrer handschriftlichen Überlieferung. Münster/Wcstf.:
Aschendorff [1955]. XI, 94 S. gr. 8° = Beiträge z. Gesch. d. Philosophie
u. Theologie des Mittelalters. Texte u. Untersuch. Bd. XXXVII
H. 5. DM 7.-.

Die Karthäuser Jakob von Jüterbog und Johann von Hagen
gehören zu den emsigsten Vielschreibern, die das Spätmittelalter
hervorgebracht hat. Ich mußte mich viel mit ihnen bei meinen
Untersuchungen der alten Erfurter Bibliotheken, namentlich bei
der Erforschung der außerordentlich großen, im Laufe der Jahrhunderte
über viele Orte Europas und Amerikas verstreuten
Büchersammlung der Karthause auf dem Salvatorberg bei Erfurt
beschäftigen und kann aus voller Überzeugung behaupten, daß
die Drucklegung ihrer Opera und Opuscula in einem gewaltigen
Corpus sich nicht verlohnt. Wohl aber ist es nützlich, wenn man
sie, von denen einzelne schon veröffentlicht worden sind, prüft,
um neue Einblicke in das monastische, geistige, kulturelle Leben
kurz vor der Reformation zu gewinnen. Darum ist es dankenswert
, daß der um die Skotusforschung und die Würdigung einer
Vielzahl von Schriftstellern des 14./15. Jahrhunderts verdiente
Franziskaner Ludger Meier, der einst Schüler von Martin Grabmann
und mir gewesen ist, mit dem ihm eigenen Fleiß und seiner
Versenkungslust in viele Handschriftenschätze sich daran gemacht
hat, meine Vorarbeiten benutzend, die Werke des Erfurter
Karthäusers Jakob von Jüterbog zusammenzustellen und eine
Liste der erhaltenen Textzeugen zu verfassen, die zwar nicht vollständig
werden, indessen eine gewaltige Anzahl der überlieferten
Codices verzeichnen konnte. Wegweiser war ihm außer alten
Bücherverzeichnissen, besonders Erfurts, und neueren Handschriftenkatalogen
ein altes Inventar der Schriften Jakobs, das in 2
jetzt Wolfenbüttler Manuskripten auf uns gekommen und von
P. Ludger Meier S. 8—11 abgedruckt worden ist. Gestützt auf
diese Quellen, gibt er S. 12—82 eine über die Aufzählung in den
Guelferbytani hinausgehende Liste der einzelnen echten und der
zweifelhaften Schriften, und zwar mit Recht alphabetisch nach
den Werkanfängen geordnet, nicht nach den auch angeführten
schwankenden Titeln. Gerade durch die Gruppierung nach den
Initia kann und wird die Übersicht von erheblichem Nutzen für
gelehrte Bibliothekare und andere Handschriftenforscher sein, es
auch bequem machen, Ergänzungen vorzunehmen. Der rastlos die
Bibliotheken bereisende und befragende Gelehrte hat es nicht
versäumt, selbst kleine Sammlungen zu erfassen, mögen sie in
Westdeutschland oder in der Deutschen Demokratischen Republik
oder außerhalb Deutschlands erhalten bezw. erhalten gewesen
sein. Nachträge sind aus Italien und Frankreich und aus der
Schweiz (etwa aus der Univ.-Bibl. Basel, in der sich viele Kar-
thäusercodices befinden) zu erwarten. Der deutsche Karthäuser
hat natürlich in die romanischen Länder relativ wenig hinübergewirkt
, aber auch dort werden ihn seine Ordensgenossen beachtet
haben, und überdies besitzen ja italienische und französische
Sammlungen manchen Codex, der einer deutschen Bibliothek
entstammt. Aufgefallen ist mir, daß unter Nr. 24 (S. 27)
zwar für die Explicatio orationis dominicae des Anfangs ,,Si quid
petieritis patrem" «Wien NB Cod. 12787, Bl. 82V-18 8R» nach
den Wiener Tabulae VII, 148 erwähnt, jedoch nicht angegeben
ist, daß es sich um eine deutsche Übersetzung handelt, die der
Karthäuser Heinrich Haller in Schnals angefertigt hat. Der
7. Band der Tabulae ist 1875 erschienen; darum war es ungenau
im «Verzeichnis der häufiger zitierten Literatur» S. X anzugeben:
«Tabulae codicum manuscriptorum in Bibliotheca Palatina Vin-
dobonensi asservatorum, Vindobonae 1863—70». Auch der
Münchener Katalog ist S. IX unter Halm nicht genau zitiert mit
dem Jahre 1868-1881 ; denn Ii und I* sind in Neubearbeitung
1892 und 1894 erschienen.

Die Ersprießlichkeit des fast immer gründlich erarbeiteten
Buches ist warm anzuerkennen.

München Paul Lehmann

Brandl, Leopold, Dr. P. OFM: Die Sexualcthik des heiligen Albertus
Magnus. Eine moralgeschichtliche Untersuchung. Regensburg:
Pustet 1955. 317 S. 8° = Studien zur Geschichte d. kath. Moraltheologie
Bd. 2. Kart. DM 14.60.

Nachdem J. Fuchs „Die Sexualethik des hl. Thomas von
Aquin" eindringlich erforscht und insbesondere der Meister der
Moralgeschichte M. Müller „Die Lehre des hl. Augustinus von der
Paradiesesehe und ihre Auswirkung in der Sexualethik des 12.
und 13. Jahrhunderts bis Thomas von Aquin" in einem monumentalen
Werk gezeichnet hat, bringt nun L. Brandl, ein Schüler
M. Müllers, auch eine Darstellung der auf diesem Gebiet einschlägigen
Lehren Alberts des Großen. Nach all den Vorarbeiten
ist das Werk durchaus nicht überflüssig, denn, was bisher nur
kursorisch gezeichnet werden konnte, bedurfte immer noch einer
eingehenden systematischen Untersuchung.

V. stellt nun in einem ersten Teil dar, was Albert der Große
über die ethische und über die metaphysische Wertung des Geschlechtlichen
zu sagen weiß. Der zweite Teil untersucht die
albertinische Ehelehre und hier vor allem die spekulativen
Grundlagen derselben. Dabei wird gesprochen von der moralphilosophischen
Begründung, sowie vom religiösen und geistigen
Charakter und Gehalt der Ehe. Dies letztere betrifft die Sakra-
mentalität der Ehe und den Inhalt des Ehekonsenses. Auch wird
die Lehre von den verschiedenen Ehezwecken und von der Rangordnung
derselben eingehend beleuchtet. Interessant ist hier die
Gegenüberstellung der albertinischen und der thomasischen Ehe-
zwecklehre. Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit der Ethik
des Geschlechtsverkehrs, und zwar mit der naturgebundenen und
zielgebundenen Ethik, sowie der subjektiven Motivierung desselben
. Hier kommt schließlich auch noch auf die Sexualsünden
die Sprache. In einem dritten Teil wird das dargestellt, was Albert
über Keuschheit und Jungfräulichkeit lehrte.

Richtig ist die Annahme des Verfs., daß sich die Bedeutung
Alberts jeweils nur abschätzen läßt, wenn er mit den Lehrern
seiner Vorzeit, aber auch mit seinen Zeitgenossen zusammengesehen
wird. In dieser Schau ergibt sich denn der Einfluß der
Lehre eines Hugo von St. Viktor, aber auch eines Augustinus und
Aristoteles. Besonders die letzten beiden waren die Lehrer, durch
die sich in jener Zeit auch Schulen voneinander schieden und mit
denen, wenn man überhaupt noch mitreden wollte, man sich auseinanderzusetzen
hatte. Mit anerkennungswertem Erfolg hat sich
Verf. auch darum bemüht, die im theologischen Gesamtbild Alberts
gesehenen inneren Zusammenhänge der verschiedenen Lehren
aufzuhellen. Außerhalb des Rahmens einer historischen Untersuchung
wäre es aber gewesen, wenn er sich mehr, als er es
tat, mit Ideen der Jetztzeit auseinandergesetzt hätte.

Albert hat im Gegensatz zu Augustinus die Natürlichkeit
der Geschlechtslust für den Zustand vor dem ersten Sündenfall
angenommen, sieht aber in der jetzigen Unabhängigkeit des
Geschlechtlichen vom Willen doch ein Strafübel. Er bekämpft die
Anschauung von der grundsätzlichen Sündhaftigkeit der Geschlechtslust
und drängt, obwohl er an der Entschuldigungstheorie
noch festhält, im Ganzen gesehen den Sexualpessimismus
in seinen schlimmsten Übertreibungen zurück. Ihm ist auch der