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Ausgabe:

1955 Nr. 10

Spalte:

647-652

Autor/Hrsg.:

Vielhauer, P.

Titel/Untertitel:

Zum synoptischen Problem 1955

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 10

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der Laien nennen, vielmehr jener anspruchslose Dienst des Wortes
und der Tat, der verantwortlich für den Nächsten da ist,
ohne zu fragen, ob dabei auch eine Werbung für die Kirche herauskommt
. Eberhard Müller erzählt in seinem Referat ein eindrucksvolles
Beispiel, wie ein Christ im Betrieb einfach durch
sachliche Kameradschaft bei der Arbeit zum Herd einer anstek-
kenden Gesundheit für die gesamte Werkstatt geworden ist. Wo
dagegen Christen nebeneinander lange Zeit an einem Arbeitsplatz
stehen, ohne sich als Brüder zu erkennen, da ist ja wohl
das Christsein jener private, vom Alltagsleben der Arbeit abgekapselte
Sektor, von dem oben die Rede war. Wir sollten viel
Mut dazu machen, in der Welt der Arbeit den Bruder zu suchen
und zu entdecken, weil das doch eine große Freude und starke
Hilfe ist.

4. Wir werden am Schluß noch einmal zum Ausgangspunkt
und damit zur zentralen Frage zurückkehren müssen. In den Entscheidungsstunden
der christlichen Kirche ging es letztlich immer
um das erste Gebot. Es geht auch heute darum. Das erste
Gebot wird heute in der Verkündigung der Kirche neu gesagt
werden müssen als Befreiung vom Götzenkult der Arbeit im privaten
wie im kollektiven Sinn. Das darf gewiß nicht im Ton
einer summarischen Aburteilung der modernen Entwicklung und
der menschlichen Arbeit geschehen. Leistungssteigerung und Sollerfüllung
muß ja sein, aber sind sie nicht zu fast mythischen
Begriffen geworden, die an der Stelle Gottes, des Herrn des Lebens
, stehen? Es ist immer die Art der Götzen, daß sie Leben
versprechen und, wenn man sich unter ihren Bann begibt, totale
Knechtschaft bringen. Das gilt heute von der Arbeit. Leben wir
denn davon? Oder ist es noch wahr, daß wir von der Gnade Gottes
, des Herrn, leben, der uns von dem gefährlichen Rausch unserer
Arbeit und der tödlichen Sorge um unser Leben wegruft
unter sein gutes und gnädiges Regiment? Die Sorge darum, ob
unsere Arbeit sinnerfüllt ist und das Leben erhält, ist ja wohl
letztlich nicht unsere Sache.

Wenn die Kirche das heute den freiwillig oder gezwungen
von der Arbeit besessenen Menschen sagt, so wird sie sich damit
selber zur Buße rufen. Das wird sie bewahren vor einem Ton
überheblicher Anklage, die sich über die arge Welt das Gericht
anmaßt. Oder steht etwa die spezifisch kirchliche Arbeit nicht
auch weithin im Zeichen der Werkerei und der damit verbundenen
unseligen Unrast? Hier ist wahrlich hohe Zeit, daß die Buße
anfange am Hause Gottes. Daß wir zur Lösung der uns mit der
Welt der modernen Arbeit gestellten Probleme zunächst nicht
mehr sagen können als ein paar tastende Andeutungen und
nicht mehr tun können als ein paar experimentierende Ansätze,
ist gewiß Gericht Gottes über viel Versäumen und Versagen.
Das soll uns aber nicht resigniert machen, sondern vielmehr bereit
zum Umdenken auf neue Wege, zu einer praktischen und
fruchtbaren Buße. Es mag der Kirche dann wohl gehen wie Abraham
, der auf Gottes Befehl liebgewordene Gefilde verlassen
mußte, um an neuer, fremder Stätte dem Herrn einen Altar zu
bauen und zu predigen von dem Namen des Herrn. Möge es dann
nicht fehlen an dem Glaubensgehorsam Abrahams, von dem es
Römer 4 heißt: Er hat Gott geglaubt, der da lebendig macht die
Toten und ruft dem, was nicht ist, daß es sei. Und er hat geglaubt
auf Hoffnung, da nichts zu hoffen war,... und gab Gott
die Ehre und wußte aufs allergewisseste, daß, was Gott verheißt,
das kann er auch tun.

Zur Territorialkirchengeschichfe: Berlin-Brandenburg

Von Walter D e 1 i u s, Berlin

Seit der letzten Besprechung der Veröffentlichungen zur
Kirchengeschichte Berlin-Brandenburg im Jahre 19521 ist die
Zahl der Erscheinungen selbständiger Bücher nur gering, dagegen
ist die der Aufsätze gewachsen. Nicht nur die Druckschwierigkeiten
, sondern das Fehlen von geeigneten Bearbeitern dieses
Gebietes erklären den Mangel an größeren Darstellungen. Die
Arbeitsgemeinschaft für die Kirchengeschichte Berlin-Brandenburg
sucht insbesondere die Pfarrerschaft für solche Arbeiten zu gewinnen
.

Ein langbegehrtes Buch ist in der Bibliographie „Berlin,
Stadt und Land"2 erschienen. Der Verfasser hat als Stadtplaner
weithin das Schrifttum berücksichtigt, das für die Entwicklung
und Gestaltung von Berlin Bedeutung hat. Er hat sich nicht auf
Berlin beschränkt, sondern auch die brandenburgischen Landschaften
berücksichtigt, die mit Berlin wirtschaftlich verflochten
sind. Das Buch hat folgende Einteilung: A. Bibliographien.
B. Entwicklung und Gestaltung. C. Das geistige Gesicht der Stadt.
D. Die natürlichen und wirtschaftlichen Grundlagen. E. Die Landschaften
um Berlin. Der Historiker findet in dem Buch eine Fülle
von kritisch gesichteten Literaturangaben. Dankenswert ist, daß
der Verfasser dem geistigen Leben Berlins, seiner Geschichte und
insbesondere seiner Kulturgeschichte weitgehende Aufmerksamkeit
geschenkt hat. In diesem Zusammenhang sei auf die bibliographischen
Angaben zu der kirchlichen. Entwicklung im Mittelalter
, den Bistümern und Mönchsorden, der Reformations- und
Neuzeit und in einem besonderen Abschnitt zur Kirchenverfassung
hingewiesen. Trotz der ca. 9000 Titel ist nicht alle Literatur
über Berlin erfaßt. Soweit ich aber sehe, sind wichtige Beiträge
dem Verfasser nicht entgangen. Leider fehlt das vom Verfasser
vorbereitete Sachregister. Für den Bearbeiter der Geschichte
Berlin-Brandenburgs ist die Bibliographie unentbehrlich.

Eine Entwicklungsgeschichte des Stiftes Neuzelle gibt Wil-

') ThLZ 1952, S. 275—278. von Walter Wendland.

2) Kuhn, Waldemar, Dr. Ing.: Berlin, Stadt und Land. Handb.
d. Schrifttums. Hrsg. im Auftr. d. Senators v. Bau- u. Wohnungswesen,
Berlin. Berlin-Grunewald: arani-Verl. [1952], XI, 344 S. 8°. Lw.
DM 32.-.

heim Oelmann'1. Die Arbeit beruht auf archivalischem Quellenmaterial
. Der Verfasser zeigt die Entwicklung von der germanisch-
slawischen Besiedlung und der Kolonisationszeit bis ins 19. Jahrhundert
. Ein Literaturverzeichnis und Kartenbeilagen vervollständigen
die wichtige Arbeit.

Die Skizze von Troschke' über Süßmilch beschränkt das Leben
und Wirken des Propstes von St. Petri-Berlin wesentlich auf
seine Beziehungen zu Berlin-Zehlendorf. Sie bedarf mancherlei
Ergänzungen.

Für die Verbreitung des Interesses an der Heimatgeschichte
sind eine Reihe Jahrbücher wichtig. Aus ihnen soll ein Hinweis
auf die Aufsätze gegeben werden, die für das Gebiet der Territorialkirchengeschichte
Berlin-Brandenburg bedeutsam sind.

Die Jahrbücher für brandenburgische Landesgeschichte8, dessen
1. Band (19 50-) Wendland in der oben angegebenen Besprechung
behandelt hat, umfassen die Jahrgänge 1951—1954. Im
Jahrgang 1951 gibt Günter Stein: Berlins Stadtmauer (mit 4 Abbildungen
) eine Schilderung über die Reste der Stadtmauer, die
bei Enttrümmerungsarbeiten zum Vorschein gekommen sind und
zieht daraus Schlüsse für die mittelalterliche Stadtbefestigung.
Besonders wichtig in diesem Jahrgang ist der Aufsatz von Berthold
Schulze: Der Anteil der Zisterzienser an der ostdeutschen
Kolonisation besonders in Brandenburg. An weiteren Beiträgen
sind zu nennen: H. Methling: Das Wunderblut von Wilsnack,
E. Schwarz: Beiträge zur Geschichte der Reformation in der Mark
Brandenburg und G. Klünder: Die Zauche und ihre Pfarreien bis
1600. Aus dem Jahrgang 1952 sei erwähnt: B. Schulze: 200 Jahre

') Oelmann, Wilh.: Die Entwicklung der Kulturlandschaft im
Stift Neuzelle. Mit 4 Kt. Landshut: Verl. d. Amtes f. Landeskunde 1950.
IX, 174 S., 1 gef. Bl. gr. 8° = Forschungen zur dt. Landeskunde. 52.
DM 7.80.

*) Troschke: Hans Peter Süßmilch, sein Leben und Wirken.
Ein Rückblick in Zehlendorfs Vergangenheit. Hrsg. Ev. Konsistorium
Berlin-Brandenburg.

s) Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte
. Bd. II—V. Hrsg. im Auftr. d. Landesgeschiditl. Vereinigung
f. d. Mark Brandenburg e. V. von M. Henning u. H. Gebhardt.
Berlin: Landesgesch. Vereinig, f. d. Mark Brandenburg; Auslief.: Fon-
tane-Buchh., Berlin-Neukölln. 4°. je DM 4.50.