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Ausgabe:

1955 Nr. 11

Spalte:

641-644

Autor/Hrsg.:

Søe, Niels H.

Titel/Untertitel:

Das Problem einer evangelischen Religionsphilosophie 1955

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 11

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so unterschieden, daß neben eros das Wort a g a p e tritt; ähnlich
in den christianisierten Sprachen von lateinisch a m o r und Caritas
bis hin zu engl. 1 o v e und c h a r i t y. Oder unser Wort „Glaube"
in seiner Undeutlichkeit gegenüber engl, f a i t h und b e 1 i e f, unser
„heilig" gegenüber s a c r e d und h o 1 y. Was bedeutet es andererseits
, daß unser Wort „Gott" auf ein vorchristliches Wort zurückgeht,
das ursprünglich Neutrum war und meist im Plural gebraucht wurde?
Damit ist die Frage der Christianisierung heidnischer Sprache und im
Blick auf unsere Zeit die Frage nach der Verweltlichung christianisierter
Sprache gestellt. Hier wartet auf die theo-philologische Forschung
, die wir so aber noch nicht haben, eine unübersehbare Arbeit,
die doch gerade im Blick auf die Verkündigung so notwendig wäre.

Künzelsau Friso Melzer

Hart mann, Nie.: Teleologisches Denken. Berlin: de Gruyter 1951.
136 S. Lw. DM 16.—.

Die Finalität ist eine hybride Kategorie. Sie hat die Tendenz,
sich über die ganze Wirklichkeit auszudehnen. Faktisch gibt es sie
nur im menschlichen Bereich. Denn sie setzt einen Intellekt, der
Zwecke setzt, und einen Willen, der Zwecke verwirklicht, voraus.
Beides aber findet sich nur im Menschen als geistigem Wesen. Es
ist deshalb grundsätzlich verfehlt, die Zweckkategorie auf untermenschliche
Bereiche auszudehnen. Gewiß ist das organische Geschehen
vom anorganischen verschieden. Darin hat der Vitalismus
recht. Aber seine Determinationsform ist uns unbekannt. Deuten
wir sie teleologisch, so ist das ein unstatthafter Anthropomorphis-
mus. Erst recht duldet die Zweckkategorie keine Ausdehnung auf
das Weltganze. Darin liegt der Fehler fast aller metaphysischen
Systeme. Stellt doch die Geschichte der Metaphysik nahezu eine
einzige, geschlossene Reihe teleologischer Systeme dar. Dabei
spielt es keine Rolle, ob diese in einem theistischen oder panthe-
istischen Gottesbegriff gipfeln.

Das sind die Grundgedanken dieser nachgelassenen Schrift
Hartmanns. Ob sie sich durchsetzen werden? Man wird es bezweifeln
dürfen. Gegen sein Verdikt über die Anwendung der Zweckkategorie
auf das Geschehen im Organismus werden alle Naturforscher
protestieren, die der Überzeugung sind, daß jenes Geschehen
ohne den Zweckgedanken unverständlich ist. Noch unlängst
hat einer von ihnen diesen Standpunkt mit allem Nachdruck
vertreten (Friedrich Dessauer, Die Teleologie in der Natur,
München o. J.). Gegen das Verdikt über die Anwendung des
Finalitätsgedankens auf das Weltganze werden alle Forscher Einspruch
erheben, die mit Bernhard Bavink urteilen: „Die teleologische
Auffassung des physikalischen Kosmos als eines Ganzen
drängt sich auch dem nüchternen Physiker fast ebenso unwiderstehlich
auf, wie sie sich zu allen Zeiten dem Astronomen aufgedrängt
hat und wie sie in Kants bekanntem Wort vom gestirnten
Himmel zum Ausdruck kommt." (Ergebnisse und Probleme der
Naturwissenschaften, 6. Auflage, S. 212; vgl. dazu das Kapitel:
Die Finalität der Welt, in meinem Lehrbuch der Philosophie,
Bd. III, S. 265ff.)

Hartmanns Schrift — darin liegt ihr positiver Wert — ist eine
eindringliche Warnung vor einer unkritischen Anwendung der
Finalitätskategorie. Auch hat sie darin unstreitig recht, daß die
aristotelisch-scholastische Ursachenlehre, die durch die Ineins-
setzung von causa formalis und causa finalis ein teleologisches
Moment in die Wesensstruktur des Seienden aufnimmt, unhaltbar
ist, obwohl sie heute noch von der gesamten Neuscholastik vertreten
wird. (H. nennt diese Lehre treffend „Koffertheorie": man
holt aus dem Sein heraus, was man vorher in das Sein hineingelegt
hat.) Auf der anderen Seite wird man Hartmann entgegenhalten
müssen, daß auch seine Philosophie ohne den Gedanken einer
Weltteleologie nicht auskommt. Bedeutet es denn nicht ein Stück
Weltteleologie, wenn er in seiner Erkenntnislehre annimmt, daß
Denk- und Seinsordnung einander zugeordnet sind, insofern zwischen
Erkenntnis- und Seinskategorien eine partielle Identität besteht
? Oder wenn er in seiner Ethik lehrt, daß die idealen Werte
in die reale Ordnung eingehen können, was in aller Wertverwirklichung
geschieht? Wären dem sonst so erleuchteten Denker die
teleologischen Elemente in seiner eigenen Gedankenbildung zum
Bewußtsein gekommen, seine Polemik gegen „gewisse Machenschaften
der Metaphysik" wäre wohl nicht so animos ausgefallen.

Köln Johannes H esse n

Arnett, Willard E.: Ernst Cassirer and the Epistemological Values
of Religion.

The Journal of Religion 35, 1955 S. 160—167.
D a r d e 1, Eric: L'Homme dans l'Univers Mythique.
D'apres l'oeuvre de Maurice Leenhardt.

Revue d'Histoire et de Philosophie Religieuses 35, 1955, S. 159—173.
Delfgaauw, Bernard: De Kierkegaard-Studie in Scandinavie.

Tijdsdirift voor Philosophie 17, 1955 S. 523—530.
D u b o i s, J.: Bulletin de philosophie grecque.

Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques XXXIX, 1955

S. 237—265.

F e y s, R.: Logka en wijsbegeerte van de wiskunde.

Tijdsdirift voor Philosophie 17, 1955 S. 531—538.
Geiger, L.-B.: Philosophie realiste et liberte.

Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques 39, 1955 S. 387

bis 407.

G o u h i e r, Henri: Apropos du Memorial de Pascal.

Revue d'Histoire et de Philosophie Religieuses 35, 1955 S. 147—158.
Hartt, Julian N.: The Philosopher, the Prophet, and the Church:

Some Reflections on their Roles as Critics of Culture.

The Journal of Religion 35, 1955 S. 147—159.
H o 1 m e r, Paul L.: Kierkegaard and Religious Propositions.

The Journal of Religion 35, 1955 S. 135—146.
V e r g o t e, A.: Intellektualisme en Volontarisme. De antinomieen

van het finalistisch goedfieidsbegrip bij Aristoteles en Thomas van

Aquino.

Tijdsdirift voor Philosophie 17, 1955 S. 477—522.

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Schomerus, Hans: Bindung und Freiheit in der Verkündigung.

Stuttgart: Evang. Verlagswerk o. J. 31 S. 8° = Evangelischer Schriftendienst
. Hrsg. Dr. Günther Siegel. DM 1.25.

Aus dem „kategorialen Unterschied" von „Schrift und Wort"
wie entsprechend von objektivierender Lehre und ereignishafter
gegenwärtiger Verkündigung wird die rechte Freiheit der Predigt
abzuleiten und zu bestimmen gesucht. Nicht „sachliche Verpflichtung
", sondern „personhafte Bindung" an den sich im Wort und
Sakrament in unserer Wirklichkeit ereignenden Christus, das ist
das leidenschaftliche Interesse dieses Büchleins. Damit wird, allerdings
viel zu knapp und einseitig — worauf hätte sich denn „Lehre"
sonst zu beziehen, als eben auf dieses Ereigniswerden des Wortes
im Existenziellenf — ein uns heute dringend angehendes theologisches
Grundproblem aufgegriffen. Aber die hier vorgetragenen
Argumente des Verfassers bleiben ein isolierter Diskussionsbeitrag
, weil sie den gegenwärtigen Stand der Probleme in ihrer
weitaufgerissenen Umfänglichkeit viel zu wenig berücksichtigen
(Entmythologisierungsdebattel). In der Art, wie die subjektive
„Wahrhaftigkeit Harnacks" der als reiner „Selbsttäuschung"
apostrophierten und „sich orthodox empfehlenden dialektischen
Formel Karl Barths" gegenübergestellt wird (S. 20), verrät sich
ja wohl auch etwas vom alten Groll des Liberalen gegen Dogma
und Lehre, zu dessen Rechtfertigung man die „Verkündigung"
jedenfalls nicht bemühen darf, wenn man sich nicht einer Verwechslung
der Ebenen schuldig machen will. Aber das liegt auch
nicht in der ursprünglichen Absicht des Verfassers. Das leuchtet
nur mal so durch.

Bonn J. Konrad

Stählin, Wilhelm: Vom Wagnis der Predigt. Stuttgart: Evang.
Verlagswerk [1950]. 63 S. 8°. Pp. DM 2.40.

Zwei am gleichen Tage in Stuttgart gehaltene Vorträge Bischof
Stählins sind hier in einem Bändchen, auch für den Laien gut lesbar
, abgedruckt: „Der Pfarrer und seine Predigt" und „Vom rechten
Hören der Predigt". Dieselbe Sache ist also einmal vom
Pfarrer, das andere Mal von der Gemeinde her beleuchtet, einander
ergänzend, aber auch sich überschneidend. Der ehemalige Praktische
Theologe von Münster, aber auch der bischöfliche pastor pastorum,
ist in diesen ebenso sachlich abgewogenen wie auch seelsorgerlich
zu verstehenden Vorträgen spürbar.

Predigt als „Dienst am Wort", als lebendiges Zeugnis aus ganzer
Hingabe, nicht als „Rede von" oder objektiver „Bericht über",
als Begegnung und Gegenwärtigkeit im rechten Reden und Hören:
das alles gehört heut zum Allgemeingut der homiletischen Er-