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Ausgabe:

1955 Nr. 11

Spalte:

614-615

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Pfister, Rudolf

Titel/Untertitel:

Um des Glaubens willen 1955

Rezensent:

Lau, Franz

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 11

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RELIGIONSWISSENSCHAFT

Ohm, Thomas: Die Religionen in Asien. Ansprache des Ministerpräsidenten
Karl Arnold. Köln u. Opladen: Westdeutscher Verlag
[1954]. 37 S., 4Ktn. gr. 8° = Arbeitsgemeinschaft f. Forschg. d. Landes
Nordrhein-Westfalen H. 28. DM 7.—.

Thomas Ohm hat diesen Vortrag vor der Arbeitsgemeinschaft
für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen zur Feier des vierjährigen
Bestehens derselben gehalten. Dabei hat er die Vertreter
von Naturwissenschaft und Technik wie auch der Geisteswissenschaften
informieren wollen über die Gegenwartssituation der
Religionen in Asien. Mehr als die von ihm gewollte ,,Gesamtschau
von ihrem Stand, ihrer Situation, ihrer Verbreitung, ihrem Einfluß
, ihrer Bedrohung und ihren Zukunftsaussichten" soll man
darum in diesem Heft nicht suchen wollen. Genau das aber findet
man. Alle asiatischen Religionen, und mit ihnen auch das Christentum
, werden kurz vorgeführt und nach ihrer geographischen Ausdehnung
und zahlenmäßigen Größe dargestellt. Wenn es auch eine
absolut gültige Statistik der Religionen nicht gibt, so ist es doch
von sehr großem Werte, die neuesten Zahlen als Annäherungswerte
beieinander zu haben. Sehr erwünscht wird dem Leser die Islam
-Statistik S. 32—34 sein, und ebenso der Anhang über „Die
Christen in Asien" S. 35—37. Dankenswert ist die Beifügung von
Karten über die Entstehungsräume und Ausstrahlungsbereiche der
in Asien beheimateten Religionen, über die Verbreitung des
Buddhismus und des Hinduismus, des Islam und des Christentums
in Asien. Dabei wird u. a. erschreckend klar der Diasporacharakter
der Kirchen, das Zurückbleiben des Wachstums der Kirchen hinter
den Geburtenüberschüssen und das vitale Wiedererwachen der
nichtchristlichen Religionen.

Der besondere Wert der Arbeit besteht in seiner Materialdarbietung
. Ich wüßte nicht, wo man es sonst so in der deutschen Gegenwartsliteratur
beisammen fände. Die theologische Bedeutung sehe
ich darin, daß von den aufgezeigten Tatbeständen her Wesen und
Ziel des Evangeliums und damit der Kirche in Frage gestellt wird.
Ohm ruft daher die Wissenschaftler auf, „daß sie großräumiger
denken und arbeiten als bisher und daß sich unsere Universitäten
mehr als bisher um Asien und die ganze Welt überhaupt kümmern.
Smuts hatte schon weithin recht, wenn er erklärte: Jedes Problem
, das nicht in termes mondiaux gestellt wird, ist schlecht
gestellt und folglich unlösbar'".

Halle/Saale Arno Lehmann

Riemschneider, Margarete: Augengott und Heiüee Hirhzeit.

Leipzig: Koehler & Anklang 1953. VI. 317 S. mit 72 Abb., 4 Taf. 8°
= Fragen zur vorgeschichtl. Religion I. Hlw. DM 13.50.

Das Buch zerfällt in vier Abschnitte: die Rohrhütte des
Nin-igi-ku; die Heilige Hochzeit; das Horusauge; Europa und
der Stier. Benutzt ist im wesentlichen vorgriechischer Stoff, vor
allem aus Vorderasien und Ägypten; selten wird auf spätere
Überliefeningen eingegangen, wie S. 114 Anm. 5 auf die sog.
Basilinna in Athen. Das ist die Stärke der Arbeit, aber auch ihre
Schwäche: es wird reiches Material aus frühester Zeit geboten;
aber es ist begreiflich, daß eine sichere Deutung in vielen Fällen
nicht erreicht werden kann. Die Verfasserin weiß das selbst. Sie
schreibt im Vorwort: „Daß meine Anregungen — und mehr
wollte ich ja bei einer Fragestellung zunächst gar nicht geben —
in vielen Dingen auf erheblichen Widerstand stoßen werden, ist
mir bewußt." Aber sie fährt mit Recht fort: „Zu früh festgefahrene
Scheinresultate, die sich der Forschung wie ein Klotz
in den Weg legen, nachgewiesen, die Probleme, die sich damit
verknüpfen, wieder locker gemacht zu haben, wäre bereits der
vielen Mühe und Arbeit wert."

Es gibt viele Fälle, in denen eine einzelne Bemerkung der
Vf. nicht einleuchtet. „Auch die Menhire entlang den Küsten des
Atlantischen Ozeans sind Augenidole" usw. (S. 8). Aus dem
ägyptischen Sothis-Jahre soll zu schließen sein, „daß seit dem
fünften Jahrtausend der Mensch vom Jäger zum Tierzüchter geworden
war, daß der Rinder- und Schafhirte nunmehr Zeit und
Neigung hatte, in den Sternen zu lesen und daß diese die Gesamtheit
seiner religiösen Vorstellungen ausmachten" (S. 11).

Und warum sollen Zwillinge „mit Notwendigkeit" ein kleines
Gestirn sein (eb.)? usw.

Aber es hat wenig Wert, hier Einzelbedenken geltend zu
machen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist, daß die Vf. von
der Anschauung ausgeht: die frühen Religionen seien einander
so ähnlich, daß man von der einen auf die andere schließen dürfe;
daß man Überlieferungslücken auf der einen Seite mit Stoffen
der anderen Seite ausfüllen könne. Natürlich ist die Voraussetzung
weithin richtig. Aber sind die Frömmigkeitsformen
Ägyptens und Mesopotamiens in ihrer Frühzeit wirklich so primitiv
, daß man mit dieser Arbeitsweise weiterkommt? Liier
bleiben zum mindesten beträchtliche Unsicherheiten. Die Vf. erwähnt
(S. 128), daß der Syrer Kombabos „sein Glied abschneidet
und es in einem Gefäß dem nunmehr nicht mehr zu betrügenden
Gatten übergibt. Man könnte sagen: wie soll er es anders bewahren
?" Ich halte diese Frage für durchaus berechtigt und habe
starke Bedenken dagegen, die Getreideschwinge der griechischen
Mysterien hier zu Hilfe zu rufen (dies auch zu S. 149).

Damit ist bereits eine andere Frage allgemeiner Art berührt.
Wer von jüngeren Erscheinungen ausgeht und dann an die älteren
herantritt, wird die Deutung der Vf. oft für befremdlich halten
. S. 214 f. bespricht sie die Eliasgeschichte von der Witwe zu
Sarepta (1. Kön. 17,^8 ff.). Sie bemerkt dazu: „Das Dach (soll
heißen: das Obergemach) zu motivieren, daran denkt er (der
Erzähler) nicht. Fragen wir nun: woher kennt er das Gi-gab?
Ich möchte annehmen: aus einem babylonisch-assyrischen, vielleicht
sogar aus einem hethitischen Ritual." Aber in der israelitischen
Geschichte, besonders im Judentume, spielt das Obergemach
eine Rolle, nicht nur als Fremdenzimmer, sondern vor
allem als ein Raum, wo man ungestört (und deshalb wirksam)
beten kann. Ich weiß, daß dem Brauchtum später oft ein anderer
Sinn untergelegt wird, daß Motive (topoi) umgedeutet werden:
Wilhelm Wundt prägte dafür den Ausdruck „Heterogonie der
Zwecke". So müßte in unserem Falle gefragt werden, falls tatsächlich
ein fremdes Ritual seinen Einfluß ausgeübt haben sollte:
wird die Geschichte uns vor oder nach der Umdeutung erzählt?
Dabei muß dann wohl der V/ortlaut des Textes entscheiden (den
ich die Vf. bitte einmal genau zu lesen) im Zusammenhang
mit der gesamten geistigen Haltung der Eliasberichte.

Eine letzte grundsätzliche Erwägung: ich bitte, bei Verallgemeinerungen
Vorsicht walten zu lassen. Ich lese S. 221: „Daß
Scherz und Witz vor dem Heiligen nicht haltmachen, lehrt uns
das Mittelalter zur Genüge." Ja: das christliche Mittelalter; aber
von den antiken Religionen meines Wissens nur die griechische.

Großpösna (Leipzig C2) J. Lelpoldt

NEUES TESTAMENT

Kraft. Benedikt, Prof. Dr.: Die Zeichen für die wichtigeren Handschriften
des griechischen Neuen Testaments. 3., verm. Aufl. Freiburg
: Herder 1955. 49 S. kl. 8°. DM3.50.

Die neutestamentliche Textkritik leidet noch immer unter
den Nachwirkungen der Verwirrung, die um die Jahrhundertwende
in dem Siglierungssystem der Handschriften herrschte. Der
kritische Apparat von Tischendorfs Editio octava (1869—72), der
immer noch unentbehrlich ist, verwendet das traditionelle, von
J. J. Wettstein 1751—2 eingeführte Zeichenschema. H. v. Soden
erfand 1902, veranlaßt durch die Mängel der alten Bezeichnungsweise
, für seine NT-Ausgabe (erschienen 1913) ein ganz neues,
sehr eigenwilliges System. Inzwischen hatte 1908 C.R.Gregory
das Wettstein-Tischendorfsche System modernisiert und von seinen
Unvollkommenheiten befreit, ohne dabei die Verbindung
mit der Tradition preiszugeben. Diese von Gregory geschaffene
Form setzte sich allgemein durch. Sie wurde und wird laufend
ergänzt (vgl. zuletzt K.Aland, ThLZ 78 (1953) 465-496) und
wird heute allein verwendet. Soden fand dagegen mit seinem
System wenig Anklang, da es sich als zu kompliziert erwies. Der
Apparat seiner Ausgabe aber bietet eine Fülle von Material, das
nur hier zu finden ist. Um dieses Material leichter zugänglich zu
machen, mußte man seine Siglen in diejenigen des üblichen Systems
umsetzen. Dieser Notwendigkeit trugen zwei Arbeiten