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Ausgabe:

1955 Nr. 1

Spalte:

41-44

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Driesch, Hans

Titel/Untertitel:

Parapsychologie 1955

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 1

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Driesch, Hans: Parapsychologic. Die Wissenschaft von „okkulten"
Erscheinungen. Methodik und Theorie. 3. Aufl. Mit Beiträgen von
Prof. Dr. J. B. Rhine u. Prof. Dr. Hans Bender. Zürich: Rascher 19 52
VI, 176 S. 8°. DM 14.55.

Rhine, J. B.: Die Reichweite des menschlichen Geistes. Parapsychologische
Experimente. Hrsg. v. R. Tischner. Stuttgart: Deutsche Vcr-
lags-Anstalt [1950]. 344 S. gr. 8°. Hlw. DM 12.—.

T i s c h n e r, Rudolf: Ergebnisse okkulter Forschung. Eine Einführung
in die Parapsychologic Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt [1950].
212 S. gr. 8°. DM 14.50.

Das Wiedererscheinen der Parapsychologie von Hans
Driesch (gest. 1941) ist berechtigt, weil die Sendung des Buches
noch nicht als erfüllt betrachtet werden kann. Es wollte bei
seinem ersten Erscheinen (1932) auf eine verworrene Situation
klärend wirken. Im Gefolge des 1. Weltkrieges hatte sich ein
breites populäres Interesse an okkulten Fragen eingestellt, das
genug ungesunde, ja verderbliche Züge zeigte. Daneben hatten
sich größere wissenschaftliche Versuche hervorgewagt. Die gesamte
Forschungsarbeit litt unter schweren Kontroversen. In diesen
Wirrwarr hinein konnte Dr. ein klärendes Wort sagen. Der
wissenschaftliche Indifferentismus wie die unkritische Gläubigkeit
wurden als unwürdige Voraussetzungen abgewiesen und statt
ihrer eine strenge Mcthodenlehre geboten, interessanter-
weisc unter weitgehender Zurückstellung der Frage nach der Tatsächlichkeit
der vielen berichteten Phänomene. Als erstes Erfordernis
galt die Darbietung eines Sichcrungskataloges, der die Formen
„möglicher Täuschung" aufwies. Die Bedingungen sowohl
für die spontane Beobachtung wie für das Experiment im Laboratorium
wurden so scharf gestellt, daß im zusammenfassenden Abschnitt
gesagt wird: „restlos gesichert ist u. E. auf paraphysischem
Boden z. Zt. schlechterdings nichts" (79); auf dem parapsychischen
Gebiet dagegen seien an der spontanen Telepathie, dem
Gedankenabzapfen und dem räumlichen Hellsehen nach vorangegangenem
telepathischen Ruf nicht mehr zu zweifeln, wenn
auch die Bedingungen zum Ausschluß der Täuschungen durchaus
noch nicht in letzter Schärfe erfüllt seien. Soweit wir sehen, orientiert
sich an dem Täuschungskatalog Dr.s noch immer die Forschung
.

Die Mcthodenlehre bemüht sich zweitens um klare Begriffsbildung
, deren Schärfe bisher von keinem Mitarbeitenden überboten
worden ist. — Mit dem dritten Anliegen beginnt die eigentliche
Problematik des Buches. Es wird gefragt, welche Erscheinung
ein Urphänomcn darstelle, d. h. nicht auf andere Erscheinungen
zurückgeführt werden könne. Die Bedeutung der Frage wird klar,
wenn z. B. ein Forscher wie Baerwald die Telepathie auf Strah-
lungscinflüssc zurückführen will, womit sie aus der Reihe der Ur-
phänomenc ausschiede. Dr., der zu dem methodischen Sparsamkeitsprinzip
steht, daß Urphänomcne nur im Minimum zuzulassen
seien, kommt zu dem Ergebnis, daß Telepathie und Gedankenlesen
— beide als Erwerb des Wissensinhaltes eines andern ohne
Vermittlung der Sinnesorgane — Urphänomcne sind, daß Hellsehen
als paranormalcs Erfassen objektiver konkreter Natursituationen
vermutlich ein Urphänomcn ist, vielleicht
auch die Prophetie (im Sinn einer Schau in die Zukunft), der aber
mit Zweifeln begegnet wird. Bei der Psychometrie, d. h. dem
übcrnormalen Wissensempfang durch Berührung eines Gegenstandes
(z. B. einer einem Verschollenen gehörenden Uhr) wird
die Frage des Urphänomens mehr verneint als bejaht und die
Rückführung auf Telepathie und Hellsehen versucht. Bei den
paraphysischen Problemen wird nur ein Urphänomen gelten gelassen
: die Materialisation im Anschluß an den Leib einer paraphysisch
begabten Person. Beim Spuk herrscht die Neigung zu
subjektiver, auch tiefenpsychologischer Erklärung vor. Alles zur
Paraphysik Gehörende gilt als noch nicht der abschließenden Behandlung
reif, weil die Sicherungen erster Instanz noch nicht genügten
. — Das vierte und letzte Anliegen gilt der Thcoriebildung
und bringt den Höhepunkt der Problematik. Das angesteuerte
Ziel ist philosophisch, nämlich die Möglichkeit einer „Wclten-
lehre", in der alle Urtatsachcn in das Ganze unseres Wissens eingefügt
sind. Noch sind die Erkenntnisse nicht gefestigt, weswegen
die Hilfe von Hypothesen beansprucht werden muß. Das Wagnis
sieht so aus: auf paraphysischem Gebiet könnten sich die Phänomene
aus der Herrschaftsstellung der Seele dem Leibe gegenüber

erklären. Da es physiologische Wirkungen der Suggestion wie
der verborgenen Tätigkeit des Unterbewußtseins gibt, ist der
Schritt zu der Annahme nicht groß, daß das Unterbewußt-Seelische
die Fähigkeit habe, „bei seiner ordnenden Wirkung auf die
Materie über den Bezirk seines .normalen' Wirkens hinauszugreifen
" (93). Auf paramentalem Gebiet greift die Theoriebildung auf
die allgemeine Problematik des Raumes zurück, — auch in Biologie
und Psychologie würden außerhalb des Raumes vorhandene,
aber in ihn hinein wirkende Energien behauptet. Das Überpersönliche
, das damit anvisiert ist, wird hypothetisch einmal als un-
raumhaftes „Seelenfeld" angesprochen, das aber als „Übertragungsfeld
für einzelne kausale Geschehnisse" gelten müsse
(103), zum andern von einer Monadenlehre her zu verstehen gesucht
. In der Theorie vom Seelenfeld begegnet uns die Annahme
eines „Weltsubjektes", in dem die Personen nicht mehr in irdischer
Beschränktheit, also nicht ihrer selbst bewußt existieren,
sondern im überpersönlichen Sein und Wissen um vergangene
und zukünftige Dinge, in der Teilhabe an Plänen und Katalogen
auch zukünftiger Ereignisse. Neben der Theorie vom Weltbewußtsein
steht die These des Monadismus, — Dr. neigt in überraschender
Weise spiritistischen Annahmen zu, wenn er auch das verrufene
Wort „Spiritismus" meidet. Wohlgemerkt: die Hinneigung
hier ist Hypothese, die als aussichtsreich gilt, ohne daß eine
Entscheidung für sie gegen die animistisdie Hypothese
vom Weltbewußtsein gefällt wird. Auf dem Höhepunkt der Diskussion
begegnen nur Hypothesen. Dr. fügt hinzu, daß über sie
nur die Tatsachenforschung hinausführen könne, die er der Zukunft
als Aufgabe stellt. „Die strenge .gesicherte' Tatsachenforschung
wird auf unserm Felde noch auf lange das bei weitem
Wichtigste sein" (131). Dies das bemerkenswerte letzte Wort
einer Methodenlehre, die ihrerseits die Tatsächlichkeitsfrage
weithin zurückgestellt hatte!

Der Ruf nach der Tatsachenforschung war nicht so gemeint,
daß sie bisher überhaupt nicht getrieben sei; R. Tischner (s.u.)
kann aus der Zeit vor 1932 Beachtliches berichten. Vielmehr ging
es um die größere Sicherung der Tatsachenforschung, welche
die Zweifel der Skeptiker zum Verstummen brächte. Schon bevor
Dr. die Arbeit an der 1. Auflage seines Buches beendet hatte,
waren Massenexperimente eingeleitet, die durch ihre Einfachheit
verblüffen und die Forschung auf ein neues Fundament stellten.
An der Duke-Universität in Durham (Nord Carolina) war auf
die Initiative, von William Mc Dougall, der schon 1920 in Ha-
vard exakte Kartenexperimente durchgeführt hatte , ein parapsychologisches
Laboratorium entstanden, dessen Leitung I. B.
Rhine zugefallen war, der dann 1935 erstmalig über systematische
Massenuntersuchungen berichtete („Extra-Scnsory Per-
ception"). Die Wirkung dieser Forschungsarbeit auf Driesch war
so stark, daß er Rhines Buch „New Frontiers of the Mind" (1938)
ins Deutsche übersetzte und unter dem Titel „Neuland der Seele"
herausgab. Seit 1950 liegt Rhines Werk „TheReach of the Mind"
in deutscher Sprache vor, — es wurde von R. Tischner unter dem
Titel „Die Reichweite des menschlichen Geistes
" herausgegeben. Wie hoch man die Bedeutung der Rhineschen
Forschungen einschätzt, ersieht man am besten daran, daß
das Nachwort zur 3. Auflage der „Parapsychologie" von Driesch,
das Hans Bender schrieb, von dem Namen Rhines und seiner
Mitarbeiter geradezu beherrscht wird.

Was hat Rhine getan? Er hat 5 Karten mit einfachen, leicht
behältlichen Symbolen versehen, sie zu einem fünffachen Satz
zusammengefügt, also ein Spiel von 25 Karten zusammengestellt,
es immer neu gemischt und viele Tausende — besonders Studenten
— unter variierenden Bedingungen und unter allen Sicherungen
angeben lassen, in welcher Reihenfolge die Karten im
Spiel lägen. Da es um Massenuntersuchungen ging, konnte der
Wahrscheinlichkeitskoeffizient, der mathematisch genau die Zahl
der zu erwartenden Zufallstreffer angab, zur Norm der Auswertungen
genommen werden. Bei den Versuchen wurden Telepathie
und Hellsehen in einem vorher nie erreichten Maß experimentell
nachgewiesen, daß Zweifel an ihrem Vorhandensein auch unter
den Gegnern zurückgedrängt wurden. Es ist bei jeder fünften Versuchsperson
die Fähigkeit der übersinnlichen Wahrnehmung nachgewiesen
, allerdings in ungleicher Intensität und in schwankender
Stetigkeit auch bei den besten Versuchspersonen, denn es han-