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Ausgabe:

1955 Nr. 10

Spalte:

544-545

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Richter, Friedrich

Titel/Untertitel:

Martin Luther und Ignatius von Loyola 1955

Rezensent:

Lau, Franz

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 10

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Diese Verheißung des Heilandes wurde am Pfingstfest erfüllt
, als der Heilige Geist auf die Apostel herabkam.

Das ist ein Tag der herrlichen Offenbarung: die christliche
Kirche, die Er durch sein Blut erworben hatte, erschien auf Erden
(Apg. 20, 28). Die Gemeinschaft derer, die an Christus glauben
, bildet seit jenem Tage der Einwohnung des Heiligen Geistes
, die Kirche im eigentlichen Sinn.

II. Das innere Wesen der Kirche

Das Geheimnis, das dem Ursprung der Kirche zu Grunde
liegt, gibt der ganzen Lehre von der Kirche das Gepräge. Im Unterschied
zu allen anderen Religionsgemeinschaften ist die Kirche
keine natürlich gebildete Gesellschaft der Christusgläubigen aus
gewöhnlichem menschlichem Ursprung. In ihrem inneren Wesen
ist die Kirche nicht eine Versammlung einer größeren oder kleineren
Zahl von Gläubigen, die sich in äußerer, mechanischer
Verbindung befinden. Die Kirche ist etwas Ganzes, das durch ein
lebendiges, organisches Band verbunden ist. Es ist der Leib
Christi, dessen Haupt Christus ist, und der vom Heiligen Geist
beseelt wird (Eph. 1, 22—23; 4,4—6). „Christus ist das Haupt
der Kirche, und er ist seines Leibes Heiland" (Eph. 5, 2 3).

[Der Herr Jesus Christus und die wahren Glieder der Kirche
sind ebenso aufs engste organisch miteinander verbunden, wie
das Haupt eines Leibes mit dessen Gliedern. „Ihr seid aber der
Leib Christi und im Einzelnen Glieder," schrieb der Apostel an
die Korinther (1. Kor. 12, 27).] Das ganze 12. Kapitel des 1. Briefes
an die Korinther hat er der Entwicklung dieses Gedankens
gewidmet. Der organische Charakter der Kirche Christi ist von
dem göttlichen Gründer, dem Haupte der Kirche, in seiner pak-
kenden und bildreichen Rede offenbart worden.

„Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben", sagt der göttliche
Gründer der Kirche zu seinen ersten Nachfolgern. „Gleichwie
die Rebe kann keine Frucht bringen von ihr selber, sie bleibe
denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in mir
Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht; denn

Geistlichen Akademie Moskau und Professor für Neues Testament und
Armenische Kirchengeschichte, Doktussow, am 4.4. 55 in der Missionsschule
Wuppertal hielt. Dieser soll in einem Sonderheft des Rheinischen
EPD demnächst erscheinen. Über die orthodoxe Ekklesiologie hand>?ln
außerdem die Aufsätze von A. Wedernikow (Über Chomjakows Kirchenverständnis
) und von Bischof Isidor („Jesus Christus als Gründer
der Kirche"), abgedruckt in den letzten Heften der Zeitschrift des Moskauer
Patriarchats.

In der anschließenden etwa zweistündigen lebhaften Diskussion
zu den Vorträgen von Parijskij und Talysin wurden aus dem Gebiet der
Ekklesiologie hauptsächlich folgende Fragen behandelt:

1. Das Verhältnis der Formulierungen, insbesondere der Bildersprache
, der orthodoxen Theologie (im Anschluß an die Bibel) und der
abstrakten, verstandesmüßigen Begriffsbildung der modernen Wissenschaft
. Gegen die evangelische Forderung nach einer „existentiellen Begriff
sbildung" wurde das Argument gestellt: die Kirche ist ein Geheimnis
, wir erkühnen uns nicht weiter zu gehen als die Schrift und die Väter.

2. Verhältnis von Heilsbedeutung der Kirche für die „Erlösung
und Rettung" des Menschen zur „Rechtfertigung durch den Glauben,
durch Christus allein". Antwort: Rechtfertigungslehre ist eine der von
der Kirche bewahrten und weitergegebenen Lehren.

3. Bedeutung der Predigt gegenüber den die Gnade vermittelnden
Sakramenten. Antwort: Predigt ist Hinführung zu den Sakramenten;
Hinweis auf Matth. 28, 19. Zu derselben Frage sagte Professor Doktussow
in Wuppertal: Der Priester, der-das Predigen versäumt, ist ein
Schalksknecht!

4. Verhältnis der westlichen Kirchen zur Einen Kirche. Antwort:
Wie die Glieder der anderen Konfessionen gerettet werden, wissen wir
nicht. (Ähnliche Stellungnahme auch von früheren Vertretern der Orthodoxie
, z.B. Metropolit Philaret, Drosdow, 19. Jhdt.)

5. Gibt es eine Mission der Ostkirche? Antwort: Hinweis auf die
Missionsstationen und jungen orthodoxen Kirchen in USA, Japan, China,
Tschechoslowakei, Polen, Ungarn u. a.

6. Gestreift wurde auch die Frage der Mariologie in Beziehung
zur Ekklesiologie, die in Wuppertal genauer behandelt wurde in dem
Sinne, daß die Mariologie eine Entfaltung der Christologie sei und daß
es kein Dogma von der Himmelfahrt Maria sowie der unbefleckten
Empfängnis der Maria gäbe.

H. Schaeder

ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird
weggeworfen wie eine Rebe, und verdorrt, und man sammelt sie
und wirft sie ins Feuer, und müssen brennen" (Joh. 15,4—6).

Aus den angeführten Worten Christi ergibt sich von selbst
der Schluß, daß die Christusgläubigen zur Kirche gehören sollen;
daß sie durch die göttliche Lehre und durch alle jene Gnadenkräfte
ernährt werden sollen, die, wie der Saft im Weinstock, den Kirchenorganismus
durchströmen, und daß sie in aufrichtiger, geistlicher
Gemeinschaft mit ihren Brüdern stehen sollen. Außerhalb
der Kirche, im Zustand der geistigen Einsamkeit, gibt es kein Leben
für den Christen. Wenn ein Christ sich von der Gemeinschaft
mit der Kirche losreißt, wenn er sich lossagt von der Gnade des
Heiligen Geistes, die in der Kirche verweilt, kann er, gleich der
vom Weinstock losgerissenen Rebe, nicht wachsen und Frucht
bringen, [er wird mit seinem Geist die erhabenen, göttlichen Wahrheiten
nicht mehr begreifen, und jene allumfassende tiefe Liebe
nicht fühlen, auf der das Leben der Kirche beruht, und] er wird
zu einem trockenen, unnützen Zweig.

Das geheimnisvolle Wesen der Kirche wird durch den Hl.
Apostel Paulus in dem Brief an die Epheser 5, 22 f. dargelegt,
wo er von dem Ehebund des Mannes und des Weibes und der
ähnlichen Vereinigung Christi mit der Kirche spricht. Wie der
Mann das Haupt der Frau ist und die Frau (unsere lirmutter Eva)
vom Manne ist, von seinem Fleisch und Knochen (1. Mos. 2, 24;
Eph. 5, 3) und seinen Leib bildet, den er nicht hassen kann, so
verhält sich Christus zur Kirche. „Christus ist das Haupt d:r
Kirche und seines Leibes Heiland (Eph. 5, 23 f.). Christus ist das
Haupt nicht im Sinne einer äußeren Führerschaft, sondern im
Sinne des Ursprungs, des Wachstums und der Entwicklung der
Kirche aus Ihm . .. (Eph. 4, 15 f; 5, 25, 27). Indem der Apostel
Paulus sich in die Betrachtung der Vereinigung Christi mit der
Kirche vertieft, sieht er in diesem Miteinanderleben Züge, die
dem Ehebande unserer Ureltern vergleichbar sind.

Wie Eva aus der Rippe Adams entstand, so entstand die
Kirche aus dem Fleische Christi — d. h. durch die Kreuzesleiden,
durch die Durchstoßung der Rippe des Heilandes.

Wie Eva ein Leib wurde mit Adam, und wie der erste Adam
durch die Urmutter Eva der gefallenen Menschheit den Leib gab,
so gibt Christus, der letzte Adam, dem durch ihn auferweckten
Menschengeschlecht durch die Kirche, unsere neue Mutter, das
Sein. Wie in der Ehe zwei zu einem Fleisch vereinigt werden und
von da an untrennbar leben, so bilden auch Christus, das Haupt,
und die Kirche Einen Leib, Ein Sein, das Ein Leben lebt; beide
Seiten sind bis in alle Ewigkeit untrennbar.

[Christus „nährt und wärmt" gnadenhaft die Kirche und so
rettet er die Menschen in ihr, aber die Kirche, die sich Christus
unterordnet, als ihrem Haupte und Heiland (Eph. 5, 23 f.) nimmt
dadurch tätig an der Rettung der Menschen teil. „Dieses Geheimnis
ist groß" (Eph. 5, 32). Ein großes Geheimnis nennt der Apostel
auch sowohl den Ursprung der Kirche wie die Vereinigung
des Heilandes mit der Kirche.]

Die Lehre des Hl. Apostel Paulus von Christus, dem Heiland,
als dem neuen Adam und von der Kirche als
dem Leib Ch r i s t i ist ein sehr genauer, wenn auch bildlicher
Ausdruck des Gedankens der Erlösung und Wiedergeburt
des Menschengeschlechtes in Christus.

Die alten Väter und Lehrer der Kirche, die in biblischer Rede
sprachen, liebten es, die biblische Lehre von der Kirche darzustellen
insbesondere als Lehre von dem Leib Christi, der Braut
Christi und unserer Mutter. Diese biblische Benennung zeichnete
gleichzeitig mit einem Worte das lebendige ganze Bild, es kennzeichnete
viele Seiten des Gegenstandes und regte eine Reihe von
Gedanken an. Der Ausdruck „die Kirche — der Leib Christi"
stellte eine Verbindung her zwischen dem Alten und Neuen Testament
, zwischen der Schaffung und Neuschaffung des Menschengeschlechts
, dem alten und dem neuen Adam, unserer alten Urmutter
Eva und der neuen Mutter, der Kirche, zwischen der Schaffung
beider aus der Rippe, ihrer Verbindung mit den Stammvätern
des Menschengeschechtes, (= dem alten und dem neuen Adam,
Sdh.), die enger ist als die Ehe; ... zwischen dem Fall und der
Wiederherstellung, der Geburt im Fleisch, in der Sünde und der
Geburt im Geiste, in Gerechtigkeit.