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Ausgabe:

1955 Nr. 1

Spalte:

35

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Vadianus, Joachim

Titel/Untertitel:

Lateinische Reden 1955

Rezensent:

Stupperich, Robert

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 1

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Pädagogik Kants jedes Eindringen, da das Menschenkind bei Kant zwar
„diszipliniert", „kultiviert", „zivilisiert", „moralisiert" — aber nicht
„divinisiert" wird (was durch die Person Christi im Evangelium geschieht
).

Man bekommt in der Tat durch Fischers Buch etwas, was
man ohne Übertreibung „Das Kantbuch Johann Michael Sailers"
nennen kann. Hat uns Origenes die Möglichkeit hinterlassen, des
Celsus „Wahres Wort" zu rekonstruieren, aus den Zitaten in des
Origenes „Anticelsus", so gibt uns Fischer aus des Johann Michael
Sailer Werk den „Kant" Sailers, der durch und durch ein
Sailer, aber nicht ein „Antikant" im Sinne des. Stattlerischen ist.
Bloß hatte es Fischer viel schwerer als der Celsusforscher, da
Sailer die Schriften Kants zumeist anspielend, ja verdeckt zitiert.
Diese z. T. „homiletische", z. T. „immanente" Weise des Zitierens
scheint das Schutzmittel Sailers gegen die Rößle-Männer gewesen
zu sein, die nicht auf den Inhalt, sondern auf das Schlagwort
dressiert waren. Jedenfalls hat diese Zitierweise es erreicht,
daß bis auf Fischers Arbeit hin die Sache „Sailer und Kant" nicht
spruchreif war. Sie ist es jetzt, aber nun unter Freunden, nicht
mehr unter Feinden: dafür hat Fischer gesorgt.

Augsburg Leonhard Fendt

Vadian, Joachim: Lateinische Reden hrsg., übers, u. erklärt von
M. Gabathuler. St. Gallen: VIg. d. Fehr'schen Buchh. 1953.
69 u. 166 S. gr. 8° = Vadian-Studien, Unters, u. Texte. Im Namen
d. Hist. Vereins des Kantons St. Gallen hrsg. v. W. Näf, 3. Fr. 19.7?.

Es ist beachtenswert, was St. Gallen zu Ehren seines größten
Bürgers, des Bürgermeisters und Reformators Joachim Vadian
leistet. War die Vadianische Briefsammlung schon immer als vorzügliche
Quelle für die reformationsgeschichtliche Forschung
wichtig —, so hat Werner Näf für die Vadianforschung neue Mittel
und Wege erschlossen. Seine groß angelegte und vortrefflich
aufgebaute Vadianbiographie, deren l.Bd. 1944 (Vadian und
seine Stadt St. Gallen. I. Humanist in Wien) erschien, ist ein Muster
exakter und alle Zusammenhänge berücksichtigender biographischer
Darstellung. Das Bild des Humanisten Vadian bietet
zugleich ein Bild des Wiener Humanismus. Als Ergänzung zu dieser
BiogTaphie, deren 2. Bd. hoffentlich bald erscheinen kann, hat
W. Näf „Vadian-Studien" herausgegeben, von denen bisher
3 Bände vorliegen. Im l.Bd. hatte der Herausgeber selbst 1945
Vadianische Analecten aus der Wiener Zeit des großen Humanisten
herausgegeben, der 2. Bd. enthält Studien zu seinen Bildnissen
von Dora Fanny Rittmeyer, während der vorliegende 3. Bd.
Vadians lateinische Reden aus den Jahren 1510—16 bietet, herausgegeben
von M. Gabathuler. Dieser Band enthält außer einer
genauen und ausführlichen Einleitung den lateinischen Text der
5 Reden samt deutscher Übersetzung und Kommentar.

Die Ausgabe kann vortrefflich genannt werden. Aus den
Editionsgrundsätzen des Bearbeiters ist hervorzuheben, daß er
das Humanistenlatein als eigene Weiterbildung ansieht und daher
jeden Ausgleich nach dem klassischen Latein ablehnt. Die Wiedergabe
des Textes entspricht völlig der Vorlage. „Es wäre eine
Verfälschung", meint er, „solche Texte in die lateinische Normalorthographie
umzusetzen, oder sie in diesen oder jenen Einzelheiten
anzugleichen" (S. 63). Von den erhaltenen 5 Reden sind
2 religiöse Reden, die in der Kirche gehalten worden sind, über
die 11 000 Jungfrauen und die Weihnachtseeschichte, während
die 3 letzten Fürstenreden vom Königskongreß 1516 sind bzw.
damit in Zusammenhang stehen. Der knappe Kommentar gibt
alle notwendigen Erläuterungen. Für die innere Entwicklung Vadians
ist diesen Reden noch nichts zu entnehmen, aber umso wesentlicher
sind sie, um den Geist der humanistischen Welt dieser
Zeit zu kennzeichnen.

Münster (Westf.) . R. Stupperich

Schelven, A.A. van, Prof. Dr.: Het Calvinisme gedurende ziin

Bloeitijd. Zijn uitbreiding en cultuurhistorisdie betekenis. Deel II:
Schotland - Engeland - Noord-Amerika. Amsterdam: W. ten Have
1951. 423 S. gr. 8°. hfl. 12.40; geb. hfl. 14.90.

A. A. van Schelven, einer der bekanntesten niederländischen
Kirchenhistoriker, führt mit dem vorliegenden Band ein Gesamtwerk
fort, das 1943 zu erscheinen begann. Die Vorzüge, die an
dem ersten Bande zu rühmen waren, eignen dem zweiten gleichermaßen
. Zu bedauern ist, daß der Vf. seinen Plan, zu Beginn dieses
Bandes über den Calvinismus in den Niederlanden und in
Deutschland zu berichten, aufgegeben hat; in dieser Beziehung
wird man sich bis zum dritten Bande gedulden müssen. Was in
dem vorliegenden Bande zu lesen ist, vergilt diese Geduld reichlich
.

Der Vf. will die „Ausbreitung" und die „kulturgeschichtliche
Bedeutung" des Calvinismus untersuchen (so der Untertitel
des Gesamtwerks). Er bringt dazu eine umfassende Kenntnis der
Quellen und der Literatur und einen kräftig entwickelten kritischen
Sinn mit. Die Besorgnis, es könnte sich unter dem verfänglichen
Begriff des „Calvinismus" die Tendenz zu einer „kon-
fessionalistischen" Selbstbespiegelung verstecken, wird durch den
Inhalt sehr bald zerstreut. Als kennzeichnendes Beispiel mag die
Auseinandersetzung mit der bekannten These Max Webers
(276 ff.) dienen: eine in ihrer Behutsamkeit wie in ihrer Schärfe
vorbildliche Kritik, der man schwerlich die Zustimmung verweigern
kann.

Der Begriff des „Calvinismus" ist — obwohl der Vf. von
Kuyper herkommt — nicht eng zu fassen. Das zeigt sich besonders
bei der Darstellung der englischen Verhältnisse. Bulliger, Buzer,
Gualther kommen ihrer Bedeutung entsprechend zur Geltung (zu
Buzer ist es nur schade, daß der Vf. Aug. Längs letzte große Arbeit
„Puritanismus und Pietismus", 1941, nicht mehr kennengelernt
hat; das Werk ist durch Kriegsschäden fast ganz vernichtet
worden). Auch der Umstand, daß Puritanismus und Anglika-
nismus bei aller Gegensätzlichkeit zahlreiche gemeinsame Züge
aufweisen, tritt deutlich hervor.

Sein besonderes Augenmerk hat der Verf. mit Recht der
theologischen Sicht des Politischen zugewandt. Dazu bestand im
Blick auf die angelsächsischen Länder besonderer Anlaß. Doch
meidet das Werk hier wie allenthalben jede Verallgemeinerung,
ohne es darüber an der Herausarbeitung klarer Linien fehlen zu
lassen. Besonders dankenswert ist die Klarstellung des bis in die
Politik sich ausdehnenden Gegensatzes zwischen Presbyterianern
und Independenten, der sich von England aus dann namentlich in
Amerika auswirkt.

Indessen würde ein Eingehen auf Einzelheiten, so verlockend
es wäre, einen sehr ausführlichen Bericht erfordern. Es ist der
wesentlichste Vorzug des vorliegenden Buches, daß es die Fülle
z. T. neuer, an teilweise wenig beachteten Quellen gewonnener
Einzelerkenntnisse immer wieder als Bausteine zu einem eindrucksmächtigen
Gesamtbilde verwendet: so verliert das Einzelne
den Charakter der bloßen Notiz, und das Ganze gewinnt Farbe
und Konturen. Wir besitzen kein Werk, das demjenigen van
Schelvens zur Seite zu stellen wäre, und können nur hoffen, daß
der dritte Band nun bald folgen kann.

Oöttingen O. Weber

Nürnberger Urkundcnbuch. Hrsg. v. Stadtrat zu Nürnberg. Bearb. vom
Stadtarchiv Nürnberg. Lfg. 4. Nürnberg: Selbstverlag des Stadtrats
1954. S. 481—640. gr. 8°.

Mit dieser Lieferung ist der Textteil der in ihren früheren
Lieferungen bereits in der „Theologischen Literaturzeitung"
1954, 160 f. besprochenen wertvollen Arbeit vollendet. Was
in den seinerzeitigen Besprechungen anerkennend gesagt wurde,
könnte hier nur wiederholt werden. Darauf aber, daß sich immer
wieder höchst wertvolle Zusammenstellungen und Auseinandersetzungen
finden, darf noch einmal besonders hingewiesen
werden.

So findet sich z.B. auf Seite 483 f. zu dem Jahr 1291 in einer
sonst mit diesen Ausführungen in keiner Beziehung stehenden Urkunde
eine bedeutsame Ausführung über die ältere Geschichte (auch Kirchen -
geschichte) von Kraftshof. Sie ist lediglich dadurch veranlaßt, daß dieses
Jahr in der Überlieferung irrtümlich genannt wird und zu mancherlei
Vermutungen Anlaß gegeben hat. — Auf Seite 566—568 wird eine
sorgfältige Zusammenstellung aller Quellen zu der ludenhetze des Rindfleisch
1298 gebracht. Hier wäre es vielleicht angebracht gewesen, die
hebräischen Nachrichten über die jüdischen Märtyrer in deutscher Übersetzung
zu bringen. — Sehr beachtlich sind auch die S. 586 vorgebrachten
Bedenken gegen die in jüngerer Zeit wieder betonten Nachrichten
über einen angeblich bürgerlichen Vorläufer des Deutschherrnspitals.

Ein wenig getrübt wird die Freude über den Abschluß dieser
Arbeit nur durch die Mitteilung, daß das Register dazu erst in