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Ausgabe:

1955

Spalte:

29-32

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Geiselmann, Josef Rupert

Titel/Untertitel:

Jesus der Christus 1955

Rezensent:

Fuchs, Ernst

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2!)

Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 1

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ren 5 5 auf. Das von gründlicher Materialkenntnis zeugende Werk
leidet darunter, daß Professor Taylor sich zwei selten vereinbar-
Iiche Ziele gesetzt hat: eine historische Studie zum NT zu schreiben
und gleichzeitig Material für homiletische Zwecke bereitzustellen
.

Da fast alle im NT über Jesus ausgesagten Titel, natürlich
einschließlich des Titels 6 yQiaxöc;, vorchristlichen Ursprungs
sind, dürfte man erwarten, daß (1) die Entstehung und Bedeutung
dieser Titel in ihrem eigengeschichtlichen Zusammenhange untersucht
werden, (2) die Gcisteslagc erhellt wird, aus der heraus
einzelne der Titel auf Jesus angewandt wurden. Dies ist nicht getan
. Im einzelnen wäre zu bemerken, daß sich in der Erklärung
des Titels 6 nciis öeov eine Begriffsverschmelzung zwischen Tay
fnff und iay bemerkbar macht; der letztere ist nicht von

Haus aus „der leidende Gottesknecht Jesaias", sondern als la?
Gottes Machtinhaber und Vollmachtsträger. Es besteht kein
grundsätzlicher Unterschied zwischen DTT^K p und crfrN "Ol?
in diesem Sinne. Durch die übersichtliche Anordnung des Materials
hat sich der Verfasser um seine Leser Verdienste erworben.

London Paul Winter

Geiselmann, Josef Rupert, Prof. Dr.: Jesus der Christus. Die Urform
des apostolischen Kerygmas als Norm unserer Verkündigung und
Theologie von Jesus Christus. Stuttgart: Kath. Bibel-Werk 1951.
185 S. 8° = Bibelwissenschaftl. Reihe Nr. 5. Kart. DM 7.—.

Der Tübinger römisch-katholische Dogmatiker versucht in
dieser Karl Adam gewidmeten neutestamentlichen Abhandlung,
die vor andern durch O. Cullmann vertretene These, das urchristliche
Kerygma sei heilsgeschichtlich gedacht und begründet,
für die Verkündigung und Theologie von Jesus Christus als deren
,,Norm" geltend zu machen, um so „unserer" Verkündigung und
Theologie von Jesus Christus zu „einer radikalen Wendung von
ihrem anthropozentrischen Ansatzpunkt zu einem konsequenten
Theozentrismus" zu verhelfen (174), die „Forderung nach Ent-
mythologisierung unserer Verkündigung von Jesus Christus" (166)
abzuwehren und festzustellen: „Dem Kerygma von Jesus geht es
in seiner Urform um Geschichte", es bedient sich erst später dem
Bereich des Mythos entstammender Aussagen, mythisiert aber auch
dadurch Jesu Gestalt keineswegs (167). Gottes Heilsgeschichte ist
stärker als ein „Erzeugnis der schöpferischen Phantasie" (169).
Es geht in der Geschichte Jesu von vornherein eben nicht „um gewöhnliche
Geschichte, sondern um Geschichte ganz eigener Art,
um die Verwirklichung des Heilsplanes Gottes". „Diese Geschichte
hat Gott selbst geschrieben in Moses und den Propheten
und diese Geschichte hat Gott Wirklichkeit werden lassen in Jesu
Leiden, Tod und Auferstehung" (168). Gewiß ist sie erst ein
„Ganzes" zusammen mit „der noch ausstehenden Parousie des
Herrn" und insofern im Kerygma „vorausgenommene Geschidite"
(169). Aber die Apostel tun recht daran, daß sie von Jesus mehr
als ein messianisches Bewußtsein, „daß sie von ihm das Christus-
Sein aussagen". Sie weisen die „Heilsbedeutung Jesu" „von der
oikonomia Gottes aus, von der geschichtlich gegebenen Heilsveranstaltung
aus, nach, indem sie Jesus in diese Heilsveranstaltung
hineinstellen und als die Erfüllung der Heilsgeschichtc darstellen
" (166). M a r t y r i a und Paradosis von Jesus als dem
Christus sind die beiden maßgebenden Formen des apostolischen
Kerygmas, und beide zusammen finden ihre Einheit in der Heilsgeschichte
, ohne den Mythos (166 f.). Das ist die vom Verf. entwickelte
These.

Der These entsprechend unterstreicht der Verf. wie „Die Stellung
des Alten Testamentes in der Liturgie der Kirche" (13 ff.),
so „Die Heilsgcschichte als das bestimmende Prinzip des apostolischen
Kerygmas von Jesus als dem Christus" (16), um, nach
einem das Problem bewußt machenden Seitenblick auf Ag. 13,
26—37 (warum schweigt hier Paulus von sich?), S. 17 ff., die ursprünglichen
Formen dieses Kerygmas als „Das Martyrion der
Apostel von Jesus als dem Christus" (31—48) und als „Die Paradosis
der Apostel von Jesus als dem Christus" (54—101) aus der
Kerygmatik der Reden in der lukanischen Apostelgeschichte und
der analogen kerygmatischen Tradition bei Paulus zu erheben.
Diese beiden großen Abschnitte tragen die ganze Untersuchung;
die übrigen Abschnitte — es sind im Ganzen zwölf — differieren
stark nach Umfang und Gewicht für das Thema und sind des öfteren
mehr Exkurse, Propositionen und Zusammenfassungen als
Sachteile (auch S. 91 ff. ist faktisch ein Anhang).

„Das martyrion ist die aus dem geschichtlichen Charakter dessen,
was die Apostel künden, sich notwendig ergebende Form ihrer Vermittlung
" (31). Um Zeuge der Auferstehung Jesu sein zu können, muß man
nach Ag. 1,21 f. von der Jordantaufe an bis zur Himmelfahrt mit Jesus
zusammengewesen sein und von Jesus selbst „den Sinn all dieser Ereignisse
aufgeschlossen" bekommen haben (33). So entsteht das Martyrion
der „Zwölfe". „Gegen diesen Tatbestand verfehlt sich die (historisch-)
kritische Leben-Jesu-Forschung dadurch, daß sie an Leiden und Tod Jesu
das Übergeschichtliche, nur dem Glauben erfaßbare Heilsmoment, an der
Auferstehung Jesu aber das geschichtliche Moment einklammert" (3 5).
Während nun die Zwölf alle Heilsereignisse bezeugen können, die sich
„an den Namen Jesu knüpfen", kann das Paulus nicht, weil er, obwohl
auch er den Auferstandenen gesehen hat, nur „künden" kann, „daß in
diesen Ereignissen, besonders in der Erweckung Jesu von den Toten, das,
was geschrieben stellt, sich erfüllt hat" usw. (Ag. 13,32—41). In „diesem
wesentlichen Unterschied des Apostolates der Zwölfe und des Paulus
ist die Notwendigkeit der apostolischen Paradosis begründet"; die Zwölf
sind fiänivQs; avtov, Paulus dagegen fiägivs avt<i> (Ag. 22, 15; Strath-
mann; S. 39). Paulus muß in Ag. 13, 26 ff. von sich schweigen, weil er
das dort über Jesus geschichtlich Mitgeteilte nicht selbst bezeugen kann.
Geht es aber nicht um die geschichtliche Grundlage des Kerygmas einschließlich
dessen, was die Zwölf vom Herrn selbst empfangen haben
(33), geht es um das „Ziel des aus der Augenzeugenschaft heraus erfolgenden
K ü n d c n s, Jesus sei der Christus", dann ist zu beachten,
„daß ... das Gesetz des Glaubens auf dem Grund des Schauens abgelöst
wird durch das Gesetz des Glaubens auf dem Grunde des Nicht-Schauens.
Positiv ausgedrückt: Auf dem Grunde des Hörens. Ja, der Glaube ohne
Augenzeugenschaft wird über den Glauben aus Augenzeugenschaft gestellt
" (Joh. 20, 29). „Das aber heißt: An die Stelle der Augenzeugen-
schaft rückt die apostolische Paradosis" (57). „Die traditio ist immer
auch traditio interpretativa" (58). Im Blick auf Rom. 1, 1—4 und
Phil. 2, 5—11 ist der „Schluß zu ziehen, daß die Paradosis keine starre
Größe ist, sondern auf dem Wege der Weitergabe ihre dialektische Entfaltung
zuläßt und erfahren hat" (66). „So wenig wie die Paradosis von
l.Kor. 15,3—5 von Paulus selber formuliert worden ist, so wenig ist
dies der Fall bei der Abendmahlsparadosis von l.Kor. 11,23 und
24" (75). Paulus riditet seine Verkündigung von Jesus Christus „an dem
urchristlichen Kerygma" aus. „Der legitime Vermittler der Überlieferung
ist der Apostel, und zwar nicht nur der, der zur Zwölfergruppe gehört,
sondern auch der, der vor Damaskus zum Apostel berufen worden
ist" (77). Paulus steht den Uraposteln gleich, sofern er „das Recht, sein
Evangelium zu verkünden", „vom unmittelbaren Auftrag des
Herrn" ableiten kann (79). Man darf aber, vgl. das djid roü xvglov
von l.Kor. 11,23, nicht „zwischen historischem Tatsachenbericht und
seiner theologischen Deutung" unterscheiden (81). Wie im Kerygma der
Zwölf vermittelt der Herr auch in der paulinischen Paradosis „sich
selbst" (85). „Jesus selbst ist die einzige Paradosis". Er ist „die einzig
gültige und endgültige Erklärung der Schriften" (86). Paulus aber ist der
„Schöpfer der Paradosislehre des NT geworden" (59), weil sein Para-
dosisbegritf an „die Stelle jeder Paradosis reöväv&Qwnoav (Kol. 2, 8), sei
es jüdische oder gnostisch menschliche Überlieferung", „die einzig wahre
Überlieferung, Jesus Christus den Herrn (Kol. 2. 6), setzen" will (Cullmann
). „Und hier erhält in der Theologie des Paulus der Geist des Ky-
rios Christos seine heilsgeschichtliche Aufgabe" (2. Kor. 3, 6—18; S. 87),
während die rabbinische Paradosis nicht mehr vom Geist inspiriert war.
„Paulus gehört nicht zu den Zeugen Christi wie die Zwölfe. Aber er ist
Zeuge Gottes und fiÜQtvs Xoioiw . .. was die Zwölfe vor ihm voraus
haben, das bleibt nicht wohlbehüteter Eigenbesitz, sondern wird Gemeingut
aller Apostel... Daher übergibt der Apostel das, was er bezeugen
kann, dem Apostel, der dies Besondere nicht bezeugen kann (Gal. 1, 19;
1. Kor. 15, ll)." „Die traditio ist ihrem Wesen nach traditio aposto-
lica" (90). Die Paradosis begibt sich nicht erst bei denen nach dem
Apostel (Söhngen), noch kommt sie nur dem Apostel zu (Cullmann),
sondern sie gibt, wie die Pastoralbricfe zeigen, „als Norm der kirchlichen
Paradosis" (91) „das Schöpferisdie der Lehrgewalt" (93) in „Didaskalia
und Paratheke" (97) weiter: „Aus der Pflicht der Bewahrung der Para-
theke ergibt sich von selbst das apostolische Wächtcramt über das anvertraute
Glaubensgut, das sich in Lehrentscheidungen gegen die Irrlehren
äußert" (Schlier; S. 95). „Paradosis ist auktoritatives Glaubenszeugnis
" (97).

Was ist nun der Inhalt des „Zeugnisses der Urapostel von
Jesus als dem Christus" (103—130)? Antwort: die Jesus mit dem
Alten Testament in ihrer Einheit zusammenschließende Heilsgeschichte
. Sie „ist es, die nicht nur das Kerygma von Jesus überhaupt
bestimmt, sondern auch im besonderen die Jesus-Prädikate
diktiert. Es handelt sich daher bei den Jesus-Prädikaten der urapostolischen
Verkündigung ausschließlich um heilsgeschichtlidb.
gemeinte Aussagen". Denn es „geht der urapostolischen Verkündigung
um den geschichtlichen Jesus. Ihr Ziel aber ist, die Taten