Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1955

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte: Reformation und Gegenreformation

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

493

Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 7/8

494

So ist das Buch eine ausgezeichnete Handreichung für Theologen
und Laien. Sie werden in den nacheinander abgehandelten
Abschnitten über Taufe, Konfirmation, Ehe und Trauung, Bestattung
und die Beichtrede zunächst über die Geschichte jedes
dieser Gebiete kurz, aber wesentlich orientiert; dann werden sie
in die biblisch-dogmatische Besinnung hineingenommen. Schließlich
folgt je eine Fülle von Beispielen, an denen Günther Dehn
die Verfälschung der Casualpredigt nach verschiedensten Seiten
hin vorführt. Wenn diese Beispiele, die wohl jeden Prediger abschrecken
sollen, nidit der jüngsten Casualliteratur entnommen
sind, so geschieht das wohl aus Takt. Es ließen sich aus der
neusten Casualliteratur eine Fülle gleich abschreckender Beispiele
anführen.

Für eine neue Auflage möchte die Bitte nicht verschwiegen
werden, daß der Verfasser je eine Casualpredigt abdrucken ließe,
die zeigt, wie eine rechte sein sollte.

Beriin-Falkensee Joh. Wolff

' . IIL

E i c h h o 1 z, "Georg: Herr, tue meine Lippen auf. Eine Predigthilfe.
Bd. 1: Die altkirchlidien Evangelien. 2., Überarb. Aufl. Bd. 4: Die neuen
Episteln. Wuppertal/Barmen: Emil Müller [1954/1955]. XVI, 363 S.
u. VIII, 556 S. 8°. Lw. DM 15.80 u. 20.80.

Das Kapitel „Predigthilfe" (oder „Predigerhilfe"!) schwillt
in der homiletischen Literatur unserer Zeit mächtig an, zeigt
eine bunte Mannigfaltigkeit (vgl. ThLZ 1955 [80] Nr. 2 Sp. 108
zu „Le temps de l'eglise") und enthält viel Gutes. Zu diesem
Guten gehört mit Vorzug das von Eichholz herausgegebene
Werk, von welchem uns der 1. und der 4. Band zugingen. Gerade
wegen der angedeuteten Mannigfaltigkeit des Kapitels
„Predigthilfe" erhebt sich für die ThLZ zu allererst die Frage:
Wie meint Eichholz, wie meinen seine Mitarbeiter diese ihre
„Predigthilfe"? Die „Einleitung" zum 1. Band (von 1940) und
das „Vorwort" (von 195 3), auch das „Vorwort" zum 4. Band
(von 1954) legen die Deutung nahe, und der Inhalt der beiden
Bände bekräftigt sie: Das Eichholzsche Werk ist ein Andachtsbuch
für den Predigerstand, nämlich ein Perikopen-Andachtsbuch
für Prediger! Darum wird der „Predigthilfe" der „Ort zwischen
Exegese und Predigt" angewiesen, sie wird als „Mitte
der Besinnung zwischen Exegese und Predigt" charakterisiert,
und der Titel „Meditation" wird als vieldeutig zurückgestellt.
Das Werk gehört also dorthin, wo der Prediger in die „geistliche
Stille" eintritt und sich dem Worte Gottes als ein Mann
von Rm. 5, 1—11 stellt. Und zwar tritt er in diese geistliche
Stille ein, nachdem er die Perikope „geistig" bearbeitet hat.
So dürfte die Bezeichnung „Perikopen-Andachtsbuch für Prediger
" das Besondere des Eichholzschen Werkes gut treffen. Und
gerade als solches „Perikopen-Andachtsbuch für Prediger" ist das
Werk ein großer Wurf. Es hat die Kraft, den Prediger selbst immer
stärker in den Geist der Perikopen hineinzubringen, und
das wird seiner jeweiligen Predigt über die Perikopen je länger
je mehr die charakteristische Farbe jeder Perikope geben. Auch
hier wird der indirekte Weg („Andachtsbuch") stärker wirken
als der direkte („So müßt ihr predigen!"). Ob dann ein Prediger
gelegentlich auch einmal so eine Perikopen-Andacht aus dem
Eichholzschen Werk zu einer Kanzelpredigt ausmünzt, das darf
dahingestellt bleiben. Die Hauptsache ist das nicht. Und erfahrungsgemäß
stehen die Prediger allen „Predigthilfen" selbständig
gegenüber, weil bei uns jeder Prediger seinen wohlerwogenen
Predigtweg hat, von dem er nicht abgeht (mag man auch über
seine Exegese, Homiletik, Systematik recht verschieden urteilen
müssen). Aber für ein solches „Andachtsbuch", das die Prediger
nicht regieren will, sondern ihrer „Meditation" Form und Inhalt
spendet, wird jeder Prediger dankbar sein. Es kommt noch ein
Moment hinzu. Die einzelnen Verfasser holen das Anliegen der
Bibel („die vorgängige Konkretheit des Wortes") so aus den Perikopen
, wie es diesen Verfassern ums Herz ist — der Prediger
auf der Kanzel muß die Anliegen der Perikopen so aus dem
Tex^e herausholen, daß seine Hörer ihre eigenen Anliegen durch
die Bibel getroffen fühlen. Das ist recht zweierlei, und je gelehrter
die Verfasser von „Predigthilfen" sind, desto stärker besteht
die Gefahr der Maxime: „Extra Academiam non est vita." Hingegen
ein „Andachtsbuch" darf und soll mich auffordern:
„Komm! hebe dich zu höheren Sphären, wenn er dich ahnet,

folgt er nach." Es dirigiert mich nicht, es gibt mir Einblick ins
Reich der Geister.

Das Werk hat aber noch einen Vorzug: es gibt bei jeder
Perikope Weisungen, wie der Bearbeiter der Perikope sich die
Predigt denkt, die man über die Perikope halten will. Auch das
gehört in ein „Perikopen-Andachtsbuch für Prediger"
hinein, denn der Prediger ist auch in der „geistlichen Stille" nicht
ohne seine Gemeinde. Es sind nun diese Hinweise auf die Predigt
dann besonders kostbar, wenn der Bearbeiter seine Hinweise
aus eigener Predigttätigkeit an der jeweiligen Perikope schöpft,
demnach eine homiletica posterior gibt. Müßte man freilich diese
Hinweise als eine „normative Homiletik" hinnehmen, dann wären
die Prediger wieder dagegen. Aber wenn die Hinweise als
Rat verstanden werden dürfen, dann wirken sie spannend. Es
muß aber eine Ausnahme von dieser Freiheit gemacht werden:
Wo die Verfasser des Eichholzschen Werkes Warnungstafeln
aufstellen: „Auf keinen Fall darf man...", da muß jeder Prediger
um der Gemeinde willen nachgeben. Die negative Norm ist
verpflichtend.

Das betrifft hauptsächlich die Exegese. Gerade die Exegese
ist in diesem Werke, und besonders im 4. Bande, eine exemplarische
Leistung, tief, reich, modern bis zum letzten Datum.
Manchmal könnte man sagen: „Etwas weniger wäre vielleicht
mehr." Aber man soll es nicht sagen, sondern die Ernte einbringen
. Hatte man beim 1. Band an mancher Stelle das Gefühl, es
sei die „historische" Lage nicht immer genau ausgewogen, so
wird man beim 4. Band darüber reichlich getröstet. Man könnte
diesen 4. Band geradewegs als ein Collegium Biblicum de peri-
copis jedem Lernwilligen empfehlen.

Indes eine Sache für sich ist die in dem Eichholzschen Werke
angewandte theologische Systematik. Natürlich verwundert es
keinen Kenner der kirchlichen Lage, daß die Verfasser jene ganz
bestimmte theologische Systematik vertreten — warum sollten
sie auch nicht? Aber es berührt nicht ganz natürlich, daß sie jene
theologische Systematik als die einzige, mindestens als die einzig
zuverlässige handhaben. Denn auch diese (aller Ehren werte)
theologische Systematik ist die einer Schule; daneben stehen
andere Schulen, die ebensolcher Ehre wert sind. Weil wir nun
einmal keine theologia perennis, wohl aber eine biblia perennis
haben! Nun wird man gerade von einem Werke für Prediger
kalte Vorsicht verlangen dürfen allen Meinungen der Systematiker
gegenüber, damit die Prediger die Bibel, hier die Perikopen
, non scholae, sed vitae ausspenden. Das ist ausgesprochenermaßen
auch die Tendenz der Verfasser, aber man kann mit
seinem Schifflein leicht ins Schilf geraten. Ob es auch mit dieser
ganz bestimmten Systematik zusammenhängt, wenn gerade in
den systematischen Teilen des Werkes nicht allzu selten eine
Sprache laut wird, welche die Prediger nicht ertragen? So ein
„theologisches Getue" oder die „violette Nacht"! (Womit nicht
gesagt sein soll, daß jene Partien nicht des Hörens wert wären,
im Gegenteil — aber eben deswegen möchte der Prediger sich
nicht ausgeschlossen fühlen!) Also: der Prediger ist gewiß dafür
zu haben, daß auch jene ganz bestimmte theologische Systematik
in dem Eichholzschen Werke zu Worte kommt, aber er legt sich
immer wieder die Frage vor: Ist diese Systematik nun tatsächlich
der Weisheit letzter Schluß — oder gibt es noch anderes zu sagen
? Als einer, qui multa tulit, will der Prediger von der theologischen
Systematik kein „Parteibuch", sondern ein „Bibelbuch
". Und ein „Bibelbuch" ist ja der „Eichholz" auch zuerst und
zuletzt.

Es wäre dieses reiche, tiefe, breite Werk würdig, daß man in
die Erwägung der exegetischen, meditativen, homiletischen, systematischen
Einzelheiten bis ins kleinste eintrete. Aber dies
unternimmt vielleicht besser ein wohlberatenes praktisch-theologisches
Universitätsseminar; etwa mit der Bearbeitung des Themas
: „Wege aus der Bibel in die Predigt in unseren Tagen." Das
letzte Wort jedoch haben die Prediger, wenn auch nicht als gelegentliche
Bcnützer des Werkes, sondern wenn sie sich Jahre
hindurch von diesem Werk in die geistliche Stille „zwischen Exegese
und Predigt" haben geleiten lassen. Daneben geht es freilich
im praktischen Predigen immer noch um die Frage, ob nicht
doch Musterpredigten (wie man sie seit Augustins Wink De