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Ausgabe:

1955 Nr. 1

Spalte:

25-26

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Burckhardt, Titus

Titel/Untertitel:

Vom Sufitum 1955

Rezensent:

Hartmann, Richard

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Seite 1

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25

Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 1

26

Pfannmüller, Gustav. Prof. D.: Tod, Jenseits und Unsterblichkeit

in der Religion, Literatur und Philosophie der Griechen und Römer.
München, Basel: E. Reinhardt 1953. 288 S., 23 Taf. 8°. kart. DM 14.— ;
Lw. DM 16.-.

Von dem am 12. Nov. 1953 in Darmstadt im 81. Lebensjahr
verstorbenen Religionshistoriker liegt eine Sammlung von antiken
Zeugnissen über Tod, Jenseits und Unsterblichkeit in Übertragung
vor, hauptsächlich griechischen und etwa zu einem Fünftel
lateinischen; sie sind jeweils durch Einleitungen eingeführt, die
eine gewisse Vulgata der Auffassung bieten und nur ausnahmsweise
auf die Forschung Bezug nehmen. Die Verdeutschungen
machen einen uneinheitlichen Eindruck, da sie von sehr verschiedenen
Übersetzern, Dichtern und mehr noch Philologen herrühren
, bald im Maße des Urtexts bald in eigenen Rhythmen gehalten
sind, manchmal sich strenger ans Original binden und
dann wieder sich freier bewegen usw. Daß alle einschlägigen
Quellen gesammelt wären, wie der Umschlag verheißt, wird niemand
verlangen oder erwarten. Es ist fast nur die hohe Literatur
berücksichtigt und auch diese nicht vollständig; der Volksglaube
kommt kaum zu Wort: die Komödie fehlt ganz, und aus dem
reichen epigraphischen Material erscheinen lediglich ein paar materialistische
Äußerungen der Römerzeit (vgl. jetzt G. Pfohl, Untersuchungen
über die attischen Grabinschriften, Diss. Erlangen
1953). Erfreulicherweise ist aber die monumentale Überlieferung
durch einige Bildbeigaben mit knappen Erläuterungen vertreten.
Innerhalb seiner Grenzen kann das Buch für weitere Kreise sehr
nützlich und anregend wirken.

Bonn Hans H e r t e r

B u r c k h a r d t, Titus: Vom Sufitum. Einführung in die Mystik des
Islam. München-PIanegg: Otto-Wilhelm-Barth-Verlag 1953. 131 S.
8°. Lw. DM 8.80.

Die kleine Schrift will ..allen jenen behilflich . . . sein, die .. .
Ausschau halten nach den allgültigen Wahrheiten, die jeder heiligen
Lehre zugrunde liegen" (S. 7). Es sei gestattet, zunächst noch
zwei Sätze aus der Einleitung zu zitieren. ,.Das Sufitum" ist
„eine Überlieferung im wahren Sinne des Wortes, das heißt die
Weitergabe einer ursprünglich göttlichen Weisheit" (S. 11).
„Vom christlichen Standpunkte aus kann man die sufische Weisheit
, wenn man überhaupt ihren Sinn erahnt, nicht anders denn
als ein Werk des Heiligen Geistes auffassen" (S. 10). Mit diesen
Sätzen ist wohl der Standpunkt des Verfassers hinlänglich gekennzeichnet
. Es ist begreiflich, daß für ihn „die schulmäßige
Wissenschaft nur von sehr beiläufigem Nutzen ist" (S. 7), weil sie
sich des Verstandes bedient, der nach seiner Meinung in einem
Gegensatz zum Geist steht. Dies wird deutlich ausgesprochen in
einem Satz, der überhaupt auf die psychologische Einstelluncr der
Schrift ein klares Licht wirft: „Die Gefährdung der im Volke
weit verbreiteten Kreise liegt darin, daß leicht das seelische Erleben
mit dem Geiste verwechselt wird, während für den Gelehrten
die Gefahr des Ungeistes in der Verwechslung des menschlichen
, folgernden Verstandes mit dem reinen Geist besteht"
(S. 26).

Mit diesen Feststellungen ist im Grunde jeder wissenschaftlichen
Auseinandersetzung der Boden entzogen. An einem Beispiel
mag dies verdeutlicht werden. Wer auf dem Standpunkt des
überzeugten Sufi steht, wie Titus Burckhardt, für den ist der
Tasawwuf selbstverständlich „nichts anderes als der innere ...
Islam" (S. 15). Wer diesen Standpunkt nicht teilt, wird bei aller
Anerkennung der Tatsache, daß sich bei Muhammed selbst unverkennbare
Ansätze zum Tasawwuf finden, und der Forderung
, das Verständnis des Tasawwuf zu allererst innerislamisch
zu suchen, dieser These kaum zustimmen können: man denke
nur an die Wahhäbiten, die den Tasawwuf ablehnen, denen man
aber die Anerkennung als echte Muslime doch nicht wohl absprechen
kann.

Inhaltlich entspricht die Darstellung der „lehrlichen Sprache
des Sufitum"1 im ganzen durchaus sufischen Anschauungen. Die

') Leider muß ich bekennen, daß ich nicht weiß, was dieser Ausdruck
, in schlichtes Deutsch übertragen, besagen soll. Sollte etwa einfach
die Sprache der Theorie des Sufitums gemeint sein?

grundlegenden Gedanken ebenso wie zahlreiche Formulierungen
im einzelnen könnten geradezu die Vermutung arabischer Autorschaft
nahelegen; auf der anderen Seite stammen natürlich die
Vergleiche mit indischer und abendländischer Mystik von einem
Manne abendländischer Bildung. Häufige Hinweise auf Ibn al-
'Arabl's fusüs al-hikam — übrigens im Wesentlichen die einzigen
Quellenbelege — lassen nicht ohne weiteres erkennen, ob sie
auf den Verfasser oder seine Vorlagen zurückgehen. Die vielfache
Beizichung der arabischen Termini beweist durchweg wirkliche
Vertrautheit mit der Sprache. Das zeigt im ganzen schon die konsequente
Durchführung der allerdings etwas vereinfachten Transkription
, bei der freilich gelegentlich sonst kaum noch vorkommende
Umschriften heute etwas merkwürdig anmuten (so Q für
s, zh für z) — ein besonderes Pech wollte es, daß gerade der
zentrale Begriff Tasawwuf tatsächlich verunglückt ist zu Ta*
Qawwüf —.Auch die deutsche Übersetzung dieser Ausdrücke im
Text und im Glossar (S. 117—130) ist ziemlich wortgetreu und
treffend. Daß sie gelegentlich vielleicht noch wörtlicher und zugleich
deutlicher sein könnte, beeinträchtigt dieses Urteil nicht.
Es handelt sich ja nur um Fragen des Sprachgefühls. So würde ich
für idjäd (S. 65 u. 123) die Verdeutschung „Ins-Dasein-Rufen"
dem „Sein-Machen, Hervorbringung zum Dasein" des Verfassers
vorziehen, für zuhür (zuhür S. 130) die Wiedergabe „In-Er-
scheinung-Treten" der Burckhardts „Das Offenbarwerden, die
Kundgebung". 'AI - itlisäf bis-sifät il-ilähiyah ist — wörtlich
übersetzt — „Das Behaftetsein oder Behaftetwerden mit den
göttlichen Eigenschaften"; das scheint mir doch eher noch deutlicher
als die „Aneignung der göttlichen Eigenschaften" oder
„Angleichung an die göttlichen Eigenschaften", wie Burckhardt
(S. 123) den Begriff umschreibt.

Die kleine Schrift ist, wie wir schon in Einzelheiten sehen
konnten, im Ganzen geschickt, ja gut und sogar sorgfältig gearbeitet
. Wir werden sie doch wohl als das Ergebnis der engsten
Zusammenarbeit zwischen einem gut gebildeten Abendländer und
orientalischen Sufikreisen verstehen müssen. Man wird sie nur
nicht als etwas nehmen dürfen, was sie nicht i s t und nicht sein
will, als eine Abhandlung über das Sufitum; sie ist vielmehr
eine originale Darstellung (und Werbeschrift?) des Sufitums.
Bleibt man sich dessen bewußt und kommt man über die den
meisten Lesern wohl recht fremdartig und unverständlich vorkommenden
ersten Seiten hinweg, so kann man nicht wenig aus
ihr lernen. Man kann sich fragen, ob die Schrift ihrem Wesen nach
für die Anzeige in einem wissenschaftlichen Organ überhaupt geeignet
ist. Gewiß entzieht sie sich einer eigentlichen kritischen
Auseinandersetzung. Aber mir scheint, daß sie als religionswissenschaftliches
Dokument doch durchaus Erwähnung in einem
kritischen Fachorgan rechtfertigt.

Berlin Richard H a r t m a n n

ALTES TESTAMENT

N o t h, M., Prof.: Das Buch Josua. 2., verb. Aufl. Tübingen: Mohr
19 53. 1 5 1 S. gr. 8° = Handbuch zum Alten Testament, hrsg. v.
Otto Eißfeldt. l. Reihe 7.

Die vorliegende zweite Auflage — ich wüßte keinen anderen
Fall, wo ein Josuakommentar eine solche erlebt hätte! — ist nach
der Seitenzahl gegenüber der ersten, die G. Beer seinerzeit hier
angezeigt hat (1941, Sp. 78 f.), unverändert, dank engerem Druck
aber doch etwas vermehrt, besonders in der Einleitung. Es war
schon damals eine vorzügliche Leistung.besonders in den topographischen
Bestimmungen, wo Noth seine Landeskenntnis zugute
kam, in der glücklichen Verbindung literarkritischer und
überlieferungsgeschichtlicher Analyse und in der vorsichtigen historischen
Auswertung. Die Veränderungen der neuen Auflage
betreffen vor allem die literarischen Fragen. Schon damals hatte
er Bedenken geäußert gegen die übliche Einbeziehung des Josua-
buches in das Ganze der Hexateuchanalyse. Dann hatte er sich in
seinen „Überlieferungsgeschichtlichen Studien" I (1943), in der
„Überlieferungsgeschichte des Pentateuch" (1948) und in verschiedenen
Aufsätzen mit diesen Fragen befaßt. Hier geht er nun,
zum Teil im Anschluß an A. Alt, noch ein Stück weiter in dieser
Richtung. Den schon damals auf wenige Einzelstücke reduzierten