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Ausgabe:

1955

Spalte:

397-400

Autor/Hrsg.:

Kraft, Heinrich

Titel/Untertitel:

Das Selbstzeugnis Kaiser Konstantins 1955

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 7/8

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man in Lund schließlich darauf, hier einander zu nötigen, sondern
empfahl gründliche theologische Weiterarbeit an diesem Komplex24
. Auch in Evanston unterblieb an diesem Punkte bewußt

Abendmahlsgemeinschaft nur Ausdruck vorhandener Kirchengemeinschaft
sein. Natürlich ist das Abendmahl wesentlich beides; aber es
fragt sich, worauf der Hauptakzent gelegt und was dem anderen untergeordnet
wird. — Die beiden grundsätzlich verschiedenen Typen und
Einstellungen kommen deutlich und sprechend zum Ausdruck einerseits
in Werner Eiert: „Abendmahl und Kirchengemeinschaft in der
alten Kirche hauptsächlich des Ostens", Berlin 19 54, und andererseits
in Helmut Gollwitzer: „Die Kirchengemeinschaft in der
Abendmahlsgemeinschaft", Evang. Theol. Jg. 19 54, Heft 11.

24) Als Echo auf die in dem Lund-Bericht gestellte diesbezügliche
Frage und Aufforderung (s. o. bei Anm. 22) beauftragte die Kirchenleitung
der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche Deutschlands den ökumenischen
Ausschuß der V. E. L. K. D., den Fragen von Abendmahlsgemeinschaft
und Kirchengemeinschaft genauer nachzugehen. Aus dessen sehr
sorgfältigen und eingehenden Beratungen (in deren Verlauf u. a. auch

ein emotionales Drängen. Daß man zunächst einmal unreflektiert
das hl. Abendmahl einfach miteinander feiert und dies „fait ac-
compli" dann nachträglich theologisch und ekklesiologisch für
die Frage der Kirchengemeinschaft auswertet, scheint nach allem
kein echter ökumenischer Weg zur sachgemäßen Bewältigung der
ökumenischen Problematik zu sein. Dafür zeigen sich in dem vorher
Erwähnten fruchtbar in tiefere Schichten stoßende neue Ansätze
, deren gewissenhafte und geduldige gemeinsame theologische
Weiterbearbeitung für den weiteren Weg der ökumenischen
Bewegung verheißungsvoll sein und auch noch einmal zur
Abendmahlsgemeinschaft hinführen kann.

Eiert referierte und die Gedanken des o. a. Buches zum ersten Male
vortrug) erwuchs das „Memorandum des Ökumenischen Ausschusses
der V. E. L. K. D. zum Verhältnis von Kirchengemeinschaft und Abendmahlsgemeinschaft
" vom 18. Sept. 19 54, das abgedruckt wurde im
„Informationsdienst der V. E. L. K. D.", Jg. 19 54, Okt.-Nr.; in Ev.-
Luth. Kirchen Ztg. 1954/Nr. 21, u. anderswo.

Das Selbstzeugnis

Von H. K r a

Ein Versuch, das Werk von Hermann Dörries1 nach den bekannten
Gesichtspunkten in der Konstantinforschung: — politische
oder religiöse Deutung — einzuordnen, würde sich nur unvollkommen
verwirklichen lassen. Nicht darum, weil etwa seine Haltung
unklar wäre; es ist keinen Augenblick zweifelhaft, daß der
Kaiser religiös verstanden und gedeutet wird, und insofern
könnte man hier eine Fortsetzung der durch K. Müller — N. H
Baynes — H. Lietzmann gezogenen Linie sehen. Aber damit wäre
nichts darüber gesagt, was dem Rezensenten am wesentlichsten
zu sein scheint: daß hier praktisch zum ersten Mal festgestellt
wird, was sich aus den Äußerungen des Kaisers Konstantin selbst
zu den Problemen der Konstantinforschung ergibt. Denn obwohl
diese Aufgabe bereits vor nahezu 40 Jahren von I. A. Heikel erkannt
und ausgesprochen wurde, hat — außer einem Ansatz in
Bavnes' schönem, aber einseitigem Buch — [noch niemand die
zahlreichen wörtlichen Äußerungen Konstantins systematisch
zur Grundlage der Konstantindeutung gemacht!] Das ist nun geschehen
, [tm Vordergrund steht stets die Frage, wie Konstantin
sich selbst gesehen und verstanden hat. Was die Historiker über
ihn berichtet haben, tritt demgegenüber zurüdejund damit auch
die Fraee nach einem wirklichen oder scheinbaren Gegensatz in
seinen Worten und Taten. Das bedeutet, daß die stellenweise
recht ausgetretenen Bahnen der herkömmlichen Fragestellung mit
ihren nicht immer fruchtbaren Antithesen weithin verlassen sind
und dafür — methodisch gesehen — Neuland gewonnen wurde.

Das Buch besteht aus zwei Teilen, von denen der erste
(„Die Zeugnisse") dazu dient, der systematischen Darbietung des
zweiten Teils („Das Zeugnis") eine breite Basis zu schaffen. Ausführlich
werden die Briefe und Erlasse Konstantins interpretiert.
Die weiteren Abschnitte behandeln die Rede „An die Versammlung
der Heiligen", Gesetze, Inschriften und die Religionsedikte
aus den Jahren 311 und 313. Dabei beabsichtigt der Verfasser,
„den Gedankengang festzuhalten und alle bezeichnenden Wendungen
mit aufzunehmen" (S. 16). Die sind oft wörtlich zitiert,
und so kommt diese Art der Wiedergabe einem flüchtigen Überlesen
keineswegs entgegen, während sie sich als ausgesprochen
praktisch für ein sorgfältiges Durcharbeiten erweist. Die erhaltenen
Briefe sind vollständig und, soweit möglich, in chronologischer
Ordnung aufgeführt. Insgesamt vermittelt der erste Abschnitt
bereits einen deutlichen Eindruck von der Art Konstantins
, seine religiöse Korrespondenz zu führen. Die Persönlichkeit
des Schreibers beginnt, in ihrer Geschlossenheit sich abzuzeichnen
. Man sieht, was den Briefautor Konstantin in erster Linie
und unablässig bewegt hat, nämlich das Christenrum und die
Kirche, und schon hier kann man feststellen, daß zu heidnischen
Neigungen daneben kein Platz bleibt.

') Dörries, Hermann, Prof.: Das Sclbstzeugnis Kaiser Konstantins
. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 19 54. 43 1 S. gr. 8° =
Abhandl. d. Akademie d. Wiss. in Göttingen. Phil.-Hist. Kl. 3. Folge
Nr. 34. DM 30.— ; Lw. DM 35.—.

Kaiser Konstantins

f t, Heidelberg

Gelegentlich hat man versucht, das eindeutig christliche Bild,
das Konstantins Briefe geben, aus ihrer Auswahl zu erklären. Der
Gesamteindruck, meinte man, würde sich wesentlich ändern, wenn
auch die Briefe an Heiden erhalten wären. Der Gedanke muß
jedem einleuchten, der die Verhältnisse nicht genauer kennt; doch
handelt es sich dabei um eine Konstruktion auf imaginärem Boden
. Die Voraussetzung dafür ist, daß man den Kaiser als „armen,
tastenden Menschen" deutet. Aber diese Auffassung hat so gut
wie keinen Anhaltspunkt in den Quellen. Nur Zosimus, der mißgünstigste
und feindlichste seiner Historiker, könnte sie stützen.
In Wirklichkeit hält es schwer, zur Zeit Konstantins Menschen
zu finden, die ihrer Sache so sicher sind, wie der Kaiser. Selbstverständlich
hätten im christlichen Reich nur wenige Historiker
ein Interesse an der Überlieferung heidnischer Konstantinbriefe
gehabt. Aber muß es denn wirklich heidnisch-religiöse Briefe gegeben
haben? Von vierzig erhaltenen Schreiben Konstantins richten
sich ca. zwanzig an Einzelpersonen und davon sechs an Heiden
. Das ist ungefähr ein Drittel, in dem man bei noch so großer
Sorgfalt nur ergebnislos nach heidnischen Resten sucht. Der Befund
ist keineswegs günstig für die Annahme der Existenz „heidnischer
" Briefe.

/Damit kommen wir zwangsläufig zur Echtheitsfrage, und das
ist ein Punkt, wo der Rezensent dem Verfasser bei aller grundsätzlichen
Übereinstimmung zwar im wesentlichen, doch nicht in
allen Einzelheiten zu folgen vermag. Hermann Dörries hat sich,
mit einer noch zu erwähnenden Ausnahme, für die Echtheit aller
unter Konstantins Namen überlieferten Briefe entschieden, [ich
gehe mit ihm darin einig, daß kein einziger davon vollkommen
gefälscht ist. Aber in einigen Fällen komme ich ohne die Annahme
von redaktionellen Änderungen nicht auj] gelegentlich
läßt sich meines Erachtens sogar der zwingende Beweis dafür
führen.

Die Berufung auf H. Lietzmann und N. H. Baynes, die generell
die Echtheit der ganzen Konstantinliteratur behauptet haben
(Bavnes mit Ausnahme der „Karfreitagspredigt"), kann nicht
die Schwieriokeiten beseitigen, die durch plötzlichen und unbegründeten
Wechsel in Konstantins stilistischen Gewohnheiten
entstehen. Der Kaiser hat z. B. eine Scheu davor, den Namen
Christi auszusprechen; sie drückt sich auch in seiner Bevorzugung
unpersönlicher Gottesprädikate aus. Er kann eine Rede über das
Leben Jesu oder einen langen Brief über das Osterfest verfassen,
ohne Christus zu nennen. Wenn wir auf ein Briefstück stoßen,
in dem Christus in jedem Satz vorkommt, und weitere Verdachtsmomente
hinzutreten, dann liegt der Schluß auf einen Tnterpola-
tor sehr nahe. Ein anderes Beispiel liefert uns die Eigentümlichkeit
, daß Konstantins Briefe zwar voll biblischer Anklänge stekken
, aber daß sich so gut wie nie wirkliche Zitate finden. Sollen
einem da keine Bedenken kommen, wenn in einem auch sonst
verdächtigen Briefstück plötzlich die sibyllinischen Bücher zitiert
werden?