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Ausgabe:

1955

Spalte:

356-358

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Autour de Michel Servet et de Sebastien Castellion 1955

Rezensent:

Bainton, Roland Herbert

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 6

356

Problematisch bleibt an der Scotusinterpretation Mühlens die Anwendung
des Begriffs „Tendenz" zur Zusammenschau des konkreten
Seienden mit seinen formalen Konstituentien. — Mühlen meint (mit
Tim. Barth gegen E. Gilson) von einer „zeitlichen Tendenz des Wesens
zu seinem Dasein" sprechen zu können (22). Scotus kennt hier durchweg
nur eine aptitudo, eine Geeignetheit, nicht etwas so Aktives wie
eine Tendenz. Ein tenderc kommt nur dem schon daseienden Wesen zu
(vgl. 66 f.), nicht aber läßt sich vom Wesen als solchem, das noch kein
reales Dasein hat, sagen, es habe eine Tendenz zu diesem Dasein. Die
Vergleiche des Möglichseins mit dem Finalnexus (insofern Zweckstreben
wie potentia keine bloße relatio rationis sind) oder mit der Zeit
(insofern Zeit wie potentia eine Beziehung zu etwas noch nicht Seiendem
haben), rechtfertigen noch nicht verallgemeinernde Sätze wie:
„Das Sein erzielt das Dasein des Wesens", oder: „Das Sein hat also
eine zeitliche Struktur" (18). — Die Tragweite dieses Verständnisses
von Sein als Tendenz zeigt ein Satz wie: „Das einmal Geschaffene hat
keinen unmittelbaren Bezug mehr zum Schöpfer, sondern einen durch
das Sein vermittelten" (66); und: „Das Geschaffensein des einmal Erschaffenen
ist die Tendenz zum ständig ausstehenden Ende, zur Seligkeit
" (67). — Ob das für die menschliche Person in der Tat charakteristische
Streben, ihre „Tendenz zu sich selbst" (99 ff.), wirklich fundiert
ist in einer Tendenz der Seele zum Leibe und weiter in einer
Tendenz des Wesens zum Dasein (106 f.)? Oder gründet der Tendenzcharakter
des konkreten Seienden vielmehr im appetitus, verschieden
nach seinen verschiedenen Stufen? Im Unterschied des appetitus von der
bloß begrifflichen Potentialität und aptitudo wird der Unterschied zwischen
konkret Daseiendem und seinen formalen Konstituentien sichtbar.

Das durch Mühlen herausgearbeitete scotische Personverständnis
ist hochbedeutsam für die gegenwärtige Auseinandersetzung
um den theologischen Personalismus (cf. G. Glozge, Der
theologische Personalismus als dogmatisches Problem, Kerygma
und Dogma 1955/l). Nicht nur der geschichtliche Weg von der
Definition des Boethius zu Luthers ganz anders begründetem
Petsonalismus wird aus Mühlens Darstellung deutlich. Bei Scotus
ist jene Kluft zwischen Person und Substanz bzw. Natur noch nicht
da, um deren Überwindung wir heute ringen. Die Person ist noch
nicht isoliert; und das Seinsverständnis, in dessen Horizont der
Personbegriff entfaltet wird, ist selbst auf Personalität hin entworfen
.

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KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATI0NSZE1T

B e c k e r, B.: Autour de Michel Scrvct et de Sebastien Castellion. Re-

cueil. Haarlem: Willink & Zoon 1953. VII, 302 S. gr. 8°. Geb.
hfl. 15.-.

Der vierhundertste Jahrestag des Todes von Servetus im
Jahre 1 5 53 und der Protest gegen seine Hinrichtung aus der Feder
von Castellio 15 54 brachte, in Verbindung mit diesen beiden
Gestalten, einen außergewöhnlichen wissenschaftlichen Forschungsertrag
hervor. Der vorliegende Band enthält über beide und über
das allgemeine Toleranzproblem eine Sammlung von Aufsätzen.
Das einleitende Kapitel von Johannes Kühn nimmt das
Problem auf, das er früher in seiner „Toleranz und Offenbarung
" behandelt hatte. Er berücksichtigt hier nicht nur
religiöse, sondern auch weltliche Gründe, die eine Gruppe veranlassen
können, tolerant gegen andere Auffassungen zu sein.
Die zweite Abhandlung von mir gibt einen Überblick über die
drei Haupttypen der mittelalterlichen trinitarischen Spekulation
und zeigt, wie Servetus den Skeptizismus der Spätscholastik in
einen positiven Antitrinitarianismus umdeutete.

E. F. P o d a c h gibt eine eingehende Schilderung über die
Herkunft der drei existierenden Kopien der Christianismi
Restitutio: Eine in Edinburg, eine in Paris und eine in Wien.
Schließlich wird ein Bericht über die Verbreitung des Buches durch
eine überraschende Anzahl von handschriftlichen Kopien gegeben,
die man der gedruckten Fassung entnahm.

John F. Fulton hält Servetus für den Entdecker des
Lungenblutkreislaufes. Er kommt zu dem Ergebnis, daß man ihn
als den zu bezeichnen habe, der unabhängig wiederentdeckte, was
der Araber Ibn an-Nafis im dreizehnten Jahrhundert gewußt
hatte. Realdo Colombo und Juan Valverde, die Konkurrenten
dieses Anspruches im Westen, können sehr wohl von Servetus abhängig
gewesen sein.

Stanislaus Kot machte die sehr aufregende Entdek-
kung eines neuen theologischen Manuskriptes von Servetus. Es