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Ausgabe:

1955

Spalte:

337-338

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Schneider, Heinrich

Titel/Untertitel:

Der Text der Gutenbergbibel 1955

Rezensent:

Vogels, Heinrich Joseph

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 6

338

zweifelhaft, da das 17. Jahrhundert schon die Idee einer Uni-
versalreligion gefaßt hatte (Bodin).

Nach Darstellung der Moraltheologie Kants handelt Verf.
von den „Privatmeinungen", die Kants gedruckten Schriften
widersprechen. Nach Ablehnung verschiedener Deutungen kommt
Verf. zu der Ansicht, „daß es gerade die Tiefe von Kants philosophischer
Einsicht ausmacht, daß er die Probleme nicht von
e i n e m, sondern von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtete
. Seine Aussagen dürfen daher nicht falsch verallgemeinert
werden, sondern sind streng aus dem Zusammenhang heraus
zu erklären, in welchem sie stehen" (p. 172). Ich weiß nicht,
°b das Problem damit gelöst ist. Man muß fragen, ob die Privatmeinungen
Kants seine kritische Philosophie beeinflußt oder
verändert haben. Gewiß war Kant vom Dasein Gottes und der
Unsterblichkeit der Seele überzeugt. Das zeigt seine Naturphilosophie
ebenso wie seine Moraltheologie. Aber hat er damit dem
Wunder oder der Offenbarung als einer Durchbrechung der Naturkausalität
Raum gegeben, oder hat er aus seiner Vorliebe für
den physiko-theologischen Beweis Folgerungen für seine Teleo-
logie gezogen? Auch muß man immer an die pädagogischen Absichten
Kants denken.

Noch einmal kommt am Schluß des Buches Verf. auf die
Übereinstimmungen zwischen Kant und der Philosophie der Inder
, Chinesen und Japaner zurück. Sein Urteil ist auch hier zurückhaltend
und kritisch. Er fügt dann die Anerkennung der modernen
chinesischen Denker hinzu, die mit der Mitteilung schließen
: „Auf dem Erkennen dieser Übereinstimmungen beruht die
Ehrfurcht, welche die Denker Indiens, Chinas und Japans Kant
entgegenbringen, jene Ehrfurcht, die einen schönen Ausdruck
darin gefunden hat, daß Kant mit Sokrates, Konfucius und
Buddha im Tempel der vier Weltweisen zu Tokio verehrt
Wird" (p. 181).

Ich möchte nicht unterlassen, dem Verfasser meinen auflichtigen
Dank für seine wertvolle Bereicherung der Kant-Literatur
auszusprechen.

Halle/Saale Paul Menzer

BIBELWISSENSCHAFT

Schneider, Heinrich, Prof. Dr.: Der Text der Gutenbergbibel zu
ihrem 500jhhr. Jubiläum untersucht. Bonn: Hanstein 1954. 120 S.
8° = Bonner biblische Beiträge 7. DM 13.20; Lw. DM 17.-.

Das erste größere Druckwerk, welches in den Jahren 1452
—55 zu Mainz unter der Presse lag, Gutenbergs 42 zeiüge lateinische
Bibel, war in den letzten Jahrzehnten der Gegenstand
mehrfacher Forschung. Begreiflicherweise wandte sich das Interesse
der Gelehrten (K. Dziazko, P. Schwenke) in erster Linie den
Vorgängen bei der Drucklegung zu; die Frage, woher Gutenberg
seinen Text genommen und wie der Erstdruck auf die weitere
Überlieferung eingewirkt hat, wurde dabei kaum berührt. Daß
auch die Theologen sich nicht darum bemühten, bleibt angesichts
des Mangels an erforderlichen Vorarbeiten auf dem Gebiet der
Geschichte der Vulgata wohl verständlich, zumal ja für das
letzte Ziel der Textkritik, die Wiederherstellung des ursprünglichen
Wortlautes der hl. Bücher, aus einem verhältnismäßig so
jungen Erzeugnis nichts zu hoffen ist.

Nun wissen wir aber, daß nicht allein die 36 zeilige Bibel
ein fast unveränderter Nachdruck der 42 zeiligen ist, sondern
durch H. Qucntin's (Memoire sur l'etablisscment du texte de la
Vulgate [, Paris 1922. 89 ff.) Nachweise auch dies, daß die Editio
Princeps alles, was später an Ausgaben der lateinischen Bibel
erschienen ist, nachhaltig beeinflußt hat, die Sixto-Clementina
nicht ausgenommen. Quentin konnte auch bereits das durch die
neue große Vulgataausgabe (Rom 1924 ff.) bestätigte Ergebnis
sichern, daß der Text der 42 zeiligen Bibel auf jene Rezension
zurückgeht, die in der ersten Hälfte des 13. Jahrh. von den Lehrern
der Universität Paris geschaffen ward und den bedeutendsten
und erfolgreichsten Versuch darstellt, dem christlichen
Abendland einen einheitlichen Schrifttext zu geben. (Beste Hs.:
Paris, B.. N. 15467, liber magistrorum de Sorbona studentium

in theologia). Die unmittelbare Vorlage Gutenbergs nachzuweisen
, konnte Quentin nicht als seine Aufgabe ansehen.

Hier setzt Schneiders Arbeit ein. Gestützt auf die fleißige
Sammlung des Mainzer Archivars Fr. Falk, Bibelstudien, Bibelhandschriften
und Bibeldrucke in Mainz vom achten Jahrhundert
bis zur Gegenwart, Mainz 1901, untersucht er die erhaltenen alt-
testamentlichen Bibelhandschriften aus der Stadt Mainz, die sich,
durchweg aus dem 13.—15. Jahrh. stammend, heute noch dort,
bzw. in Koblenz, London, Washington, Gießen befinden, oder
wenigstens im Mainzer Raum ihre Heimat haben (heute in
Darmstadt, Frankfurt, Mainz, Gießen). Verglichen sind in ausgewählten
Proben aus Gen. 13; 1. Sam. 1; Job. 31. 32 im ganzen
nicht weniger als 41 Handschriften. Keine darunter kommt als
Vorlage Gutenbergs in Frage, aber als näher seinem Text verwandt
stellt sich eine Handschrift vom Anfang des 14. Jahrhdt.
heraus, die ein G. Blandus um 1623 dem Jesuitenkolleg zu Heiligenstadt
schenkte und die heute auf der Stadtbibliothek Mainz
unter der Signatur II 67 aufbewahrt wird.

Die Arbeit darf namentlich des Interesses der Gutenberg-
forscher versichert sein, doch auch der Theologe geht nicht leer
aus, wenn er Belehrung über die spätere Geschichte der Vulgata
sucht.

Bonn Heinrich Vogels

Hegermann, Harald: Jesaja 53 in Hexapla, Targum und Peschitta.

Gütersloh: Bertelsmann 19 54. 133 S., 2 Tab. 8° = Beiträge zur Förderung
Christi. Theologie. 2. Reihe, 56. Bd. Lw. DM 27.—.

Für die Beurteilung der Leidensworte Jesu in den synoptischen
Evangelien ist die Frage von großer Bedeutung, ob die
vorchristliche Synagoge neben der allgemein herrschenden Hoffnung
auf den kommenden Messiaskönig auch die Vorstellung
eines leidenden und sterbenden Messias gekannt hat. Das Problem
konzentriert sich dabei auf die Frage, welche Deutung das Lied
vom Gottesknecht Jes. 53 im vorchristlichen Judentum gefunden
hat. Nun steht außer allem Zweifel, daß die Hoheitsaussagen, die
dieses Kapitel dem Knecht beilegt, schon in vorchristlicher Zeit
messianisch gedeutet worden sind. Dafür geben die Bilderreden
des äth. Henochbuches deutliches Zeugnis. Wie aber steht es mit
den Leidensaussagen? Sind sie ebenfalls messianisch verstanden
worden? Bei dem atomisierenden Verfahren der Schriftdeutung,
wie sie im Spätjudentum gehandhabt wurde, ergibt sich dieser
Schluß keineswegs einfach daraus, daß die Hoheitsprädikate mes-
sianischen Sinn erhielten. Das Problem der Deutung der Leidensaussagen
von Jes. 5 3 im vorchristlichen Judentum bedarf also eingehender
Untersuchung.

Diese Frage sucht nun die vorliegende Abhandlung zu
beantworten, indem sie den Deutungen nachgeht, die Jes. 5 3
in der hexaplarischen Überlieferung, im Targum und in der
Peschitta gefunden hat. Zwar sind die Übersetzungen bzw.
Paraphrasen ausnahmslos in der uns heute vorliegenden Gestalt
in christlicher Zeit entstanden. Aber der Verfasser versucht,
von den Übersetzungen auf ältere Deutungstraditionen zurückzuschließen
. Dabei führt Hegermann wesentlich über die Untersuchung
von K. F. Euler, Die Verkündigung vom leidenden Gottesknecht
aus Jes. 5 3 in der griechischen Bibel (Stuttgart 1934)
hinaus. Denn einmal sind mit der von J. Ziegler veranstalteten
Ausgabe von LXX Jesaja (Göttingen 1939) neue wichtige Varianten
zu dem hexaplarischen Material hinzugetreten. Zum anderen
aber kommt der Verf. in seinen überaus gewissenhaften
Einzeluntersuchungen zu weitaus gesicherteren Ergebnissen als
Euler.

Der Verf. geht so vor, daß er die einzelnen Übersetzungen nacheinander
Vers für Vers und Wort für Wort prüft. Anhand der Tabellen,
die am Ende des Buches beigegeben sind und in denen nebeneinander
der hebr. Text (mit den Abweichungen der Jes. Rolle vom Toten Meer)
LXX, Targum, Peschitta, Aquila, Theodotion und Symmachus aufgeführt
worden sind, kann der Leser ständig die Einzelanalysen kontrollieren.
Bei diesen ergibt sich nun zunächst für Aquila, daß dieser an den meisten
Stellen seinen mechanischen Übcrsetzungsregcln folgt, mit deren
Hilfe er eine möglichst getreue Wiedergabe des hebräischen Textes erreichen
will. So geht z. B. nicht — wie vielfach vermutet — die Übersetzung
von "1^* durch <5oüÄoc („Knecht") statt nalt („Knedit"/„Sohn"
— so LXX) auf antichristliche Polemik zurück, sondern ist einer durch-