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Ausgabe:

1955

Spalte:

321-324

Autor/Hrsg.:

Michel, Otto

Titel/Untertitel:

Zum Hebräerbrief 1955

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iffconatefdjrift für Da$ gesamte Gebiet Der Cljeoloöie anü töeitötonsfoiffenfdiiaft

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Unter Mitwirkung von Professor D. Ernst Sommerlath, Leipzig
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D.KURT ALAND, HALLE «BERLIN

NUMMER 6 ACHTZIGSTER JAHRGANG JUNI 1955

Spalte

Zum Hebräerbrief, von o. Michel. . . 321

Theologia viatorum. Die Jahrbücher der
Kirch!. Hochschule Berlin 1948—19)2.
Von E. Kahler..........325

Althaus, P.: Der Brief an die Römer übers.
u- erkl. 7. Aufl. (L. Fendt).......345

Bartsch, H.-W.: Die Anrede Gottes (L.Fendt) 366

Becker, B.: Autour de Michel Servet et de
aebastien Castellion (R. W. Bainton) ... 356

Böhlj^, A.: Die griechischen Lehnwörter im
sahidischen u. bohairischen Neuen Testament
mit Register u. Vergleichstabellen (O. Oaritte) 340

Bornkamm,Q., Bultmann,R., Schumann,
r. K.: Die christliche Hoffnung u. das Problem
der Entmythologisierung (G. Steege) ... 361

Bultmann, R., s. Bornkamm, 0......361

Chadwick, H., s. Oulton, ].......348

Gebetbuch, Allgemeines Evangelisches.
Hrsg. H. Greifenstein, H. Hartog u. F. Schulz
(L. Fendt).............368

Spalte

Ölasenapp, H. v.: Kant und die Religionen
des Ostens (P. Menzer)........335

Greifenstein, H., s. Oebetbuch, Allg. Ev. . 368

Hartog, H., s. Gebetbuch, Allg. Ev. ... 368

Hegermann, H.: Jesaja 53 in Hexapla, Tar-
gum und Peschitta (E. Lohse).....338

Lampe, O. W. H„ s. Manson, W.....359

Manson, W., Lampe, O. W. H., Torrance,
T. F., Whitehouse, W. A.: Eschatology.
Four Papers read to the Society for the Study
of Theology (W. O. Kümmel)......359

Mühlen, H.i Sein und Person nach Johannes
Duns Scotus (W. Pannenberg).....353

Müller, A.: Syphilis - Metasyphilis (E. Reisner) 364

Oulton, J. u. Chadwick, H.: Alexandrian
Christianity (L. Früchtel).......348

PI ister, K.: Die Welt des Mittelalters
(P. E. Schramm)..........353

Remplein, H.: Psychologie der Persönlichkeit
(G. Holtz).............363

Spalte

Schneider, H.: Der Text der Outenbergbibel

(H. Vogels)............ 337

Schulz, Fr., s. Oebetbuch, Allg. Ev..... 368

Schumann, F. K., s. Bornkamm, Q. ... 361

Spicq, C: L'epitre aux Hebreux I u. II

(O. Michel)............ 32i

Theologia Viatorum. Jahrbuch d. Kirchl.

Hochschule Berlin I-IV, 1948-1952 (E. Kahler) 325

Torrance, T. F., s. Manson, W..... 35g

Whitehouse, W. A., s. Manson, W. . . . 359
(Zwaan-Festschrift:] Studia Paulina. in

honorem J. de Zwaan Septiiagenarü

(W. O. Kümmel).......... 342

Zeitschriftenschau:

Territorialkirchengeschichte (Forts.) ... 369

Neue Bücher........... 331

Zum vorliegenden Heft....... 383

I.

In der Sammlung: ,,Etudes bibliques" (Paris) erscheint der
große zweibändige Kommentar von C. Spicq1, der schon deshalb
beachtenswert ist, weil er bis 1952 die gesamte internationale
exegetische Literatur aufarbeitet (Bd. I cap. 13, S. 379—411).
Diese Aufarbeitung vollzieht sich aber nicht nur in einer bibliographischen
Übersicht, sondern auch in einer verständnisvollen,
das Ganze des Kommentars (Bd. II) durchziehenden Aussprache
mit den Fachgenossen der verschiedenen Nationen und Konfessionen
. Dabei verliert der Kommentar keineswegs sein eigenes Gesicht
, sondern bringt ein eigenes Bild von der historischen und
theologischen Bedeutung des Hebräerbriefes. Der Verfasser unseres
Kommentars hatte schon vor seinem Erscheinen durch eine
Reihe von Einzelstudien sein besonderes Interesse am Hebräerbrief
bezeugt; ich nenne nur 1. L'authenticite du chap. XIII de
l'epitre aux Hebreux, Conjectanea neotestamentica 1947, 226—
236; 2. Le philonisme de l'epitre aux Hebreux, Revue biblique
56— 57, 1949 f.; 3. L'origine Johannique de la coneeption du
Christ-pretre dans l'epistle aux Hebreux, in der Festschrift für
M. Goguel, Aux sources de la tradition chretienne 1950, 258—
269. So sind wir dankbar, daß er nun so ausführlich seine Gesamtanschauung
in einem Kommentar vorlegen kann.

Unser Verfasser sieht im Hebräerbrief einen apologetischen
Traktat, der rhetorische Kunstmittel verwendet und die Form
einer Homilie hat. Der abrupte, mit einer langen, feierlichen Periode
beginnende Briefeingang entspricht zwar nicht dem grie-
^isch-römischen Stil, wohl aber dem palästinisch-asiatischen, und
kündigt die Art der Botschaft an. In diesem feierlichen,
kategorischen Stil wird das Orakel, die Gottesbotschaft angekündigt
. Der Bote, der den Brief mitbringt, wird Näheres über
die persönlichen Umstände des Briefschreibers mündlich mitteilen
(ygl. die biblischen Formeln: „So spricht der König, so spricht
der Herr, sagt dem König . . ."). Wir haben es also hier mit einer

') Spicq, C.i L'epitre aux Hebreux. Paris: Libr. Leeoffre J. Ga-
balda u. Co. Bd. I: Introduction. 445 S. Bd. II: Commentaire, 457 S.
8r. 8°. 1952 u. 1953. Je ffr. 2.400. —

Zum Hebräerbrief

Von O. Michel, Tübingen

stilgeschichtlichen Tradition zu tun, die für
den Inhalt des Briefeingangs von besonderer Bedeutung ist.

Audi der Aufbau des Hebräerbriefes darf nicht von modernen
exegetischen Voraussetzungen aus erschlossen werden, sondern
muß von der jüdischen Lehrtradition her ermittelt
werden. C. Spicq verweist auf die bei uns in Deutschland
vielfach unbekannte Untersuchung von L. Vaganay, Le plan de
l'epitre aux Hebreux (Memorial Lagrange; Paris 1940, 269—277)
hin, die den Zusammenhang des Hebräerbriefes mit der jüdischen
Lehrtradition aufgedeckt hat. Die logische Verknüpfung der
Gedanken vollzieht sich durch Stichworte und Verkettung
, d. h. der Brief führt einen Begriff ein, der mit einem
anderen verknüpft wird. Es ist also die Aufgabe des Exegeten,
die besondere Art der Verknüpfung von Begriffen zu ermitteln
(inclusio, concatenatio). Der Abschluß eines Abschnittes gibt
das Grundmotiv des nächsten ebenso an, wie umgekehrt ein Anfang
eines Abschnittes das Grundmotiv wieder aufnimmt.

Die Exegese ist grundsätzlich von der P h i 1 o s entfernt.
Philo entwickelt seine Philosophie vermittels des biblischen Textes
; seine kosmologischen und psychologischen Theorien müssen
sich dem Wortlaut des Textes anpassen, aber das Eigengewicht
des Textes kann nicht in der Exegese herausgestellt werden.

Wo der Text sich sträubt, das zu sagen, was er sagen soll,
wird er allegorisch entfaltet. Man wird die Exegese des
Hebräerbriefes als von der Philos verschieden ansehen müssen.
Sie ist im tiefsten Sinn geschichtlich, ja sogar jüdisch bestimmt
; vielleicht ist sogar der Hebräerbrief
der am meisten vom Judentum bestimmte
Brief des Neuen Testamentes (Bd. I, cap. 3, S. 86:
ein richtiges Urteil von H. T. Andrews, das C. Spicq wieder aufnimmt
). Immerhin wird man zugeben müssen, daß die gedankliche
Schulung unseres Briefes auf Philo zurückweist: unser Verfasser
ist durch seine Schule gegangen, ehe er Christ wurde (Bd. I,
cap. 3, S. 91).

Auch das theologische Denken des Urchristentums war
schulmäßig gegliedert. Es gilt also, die Berührungen des

321 322

-2. AUG. 1955