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Ausgabe:

1955 Nr. 5

Spalte:

289-292

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Liturgisches Jahrbuch. 3. Band 1953 1955

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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289

Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 5

290

L1TVRG1EWISSENSCHAFT

Liturgisches Jahrbuch. Hrsg. v. J. Pascher. Im Auftrage des Liturgischen
Instituts in Trier. 3. Band 1953. 1. Halbband S. 1—124;
2. Halbband S. 125—334. Münster: Asdiendorff 1954. gr. 8°. Kart.
DM 8.-. und DM 13.-.

Das „Liturgische Jahrbuch" zeigt seinen eigenen Stil immer
deutlicher. Gerade dieser 3. Band bekundet die Fruchtbarkeit des
Prinzips, der gegenwärtigen römischen Liturgie durch historische,
theologische, (speziell pastoraltheologische), Arbeit zu dienen.
Es ist aber gerade aus diesem 3. Bande zu erschließen, daß die
Zeit einem liturgischen Umbruch günstiger ist als je eine Zeit
vorher. Aus allen Beiträgen ersieht man, wie gewaltig der Ritus
Romanus in Bewegung geraten ist, besonders auch die Missa
Romana. Und das unter der Aneiferung durch Rom, das schon
einschneidende Reformen genehmigt hat und noch weiteren und
Wichtigeren nicht abgeneigt ist — vorausgesetzt, daß die Liturgie-
Wissenschaft und die Pastoralliturgik die Sache „reif" machen.
Man wird auf Schritt und Tritt an Luthers Kritik und Reform
der römischen Liturgie von damals erinnert — und man sieht
auch deutlich den Unterschied im „Instanzenzug": heute arbeiten
die Liturgiker und die Bischöfe miteinander und machen
dann Eingaben um Eingaben in Rom, um seelsorgerlich und historisch
gerechtfertigte Liturgiereformen zu erreichen — damals
trat der D. theol., Professor, Pater und Vikar Martin Luther
allein an und schrieb nicht bloß, sondern praktizierte die
Liturgiereform ex propriis! Bisher spotteten manche Katholiken:
..Es war denn auch darnach!" Spotten werden sie nicht mehr
können, seit sie auf ähnlichen Wegen gehen. Aber eine sachliche
Behandlung der Liturgiereformation Luthers wird der heutigen
katholischen Reform vielfach dienlich sein - wie hinwiederum
der 3. Band des „Jahrbuchs" den Lutherforschern einiges verdeutlichen
kann.

Der ganze Band „sprüht" von „Liturgischer Erneuerung".
Heinrich von Meurers (f 1953) eröffnet die Reihe der Aufsätze
mit der Abhandlung „Altar und Tabernakel". Er ist (mit vielen
anderen) gegen die Altar-Hochbauten und für die Heraushebung
der Mensa. Die „liturgische Erneuerungsbewegung" will nämlich
einen Altar, der von allen Seiten dem Volke sichtbar und zugänglich
ist, wegen der „Gemeinschaft des mitopfernden Volkes
mit dem opfernden Priester". Die Frage wird ventiliert: Soll der
..Opferaltar" vom „Altar der Eucharistie-Verehrung" getrennt
werden — und welche Konsequenzen hat das für den katholischen
Kirchenbau? Dieser Aufsatz über den Altar leitet hin zum
Hauptthema des 1. Halbbandes: Wie muß die Messe als Volksmesse
gehalten werden? Der Leipziger Oratorianer und Volks-
pfarrer Theo Gunkel berichtet über die Art „Bet-Sing-Messe"
und „Deutsches Hochamt". Es handelt sich bei letzterem nicht um
eine „Deutsche Messe", sondern um die lateinische Messe des
Priesters, in welche die Gemeinde, der Chor, ein Vorbeter, der
Lector mit deutschen, aber auch lateinischen, Texten eingreifen.
(Hierzu vergleiche man etwa die Kurbrandenburgische Messe von
15401 Aber auch Luthers „Ordnung Gottesdiensts", 1523). —
Balthasar Fischer beschreibt die Art des „Deutschen Hochamts"
eingehend. Der Ausdruck steht schon bei dem Augsburger Liturgiker
Augustin Krazer (1786), die Sache ist nicht mit der Erlaubnis
zur Volkssprache in slavischen Gegenden oder im Anerbieten
an die Chinesen zu verwechseln, sondern ist ein spezifisch
deutsches Werk, zuerst gegen den Usus Romanus gepflegt,
seit 1943 den Deutschen genehmigt („benignissime toleretur".
S. 108—110). Nur die kanadischen Irokesen haben die Sache auch.
Fischer befürchtet ein Überhandnehmen des „Liedhaften" (Ersatz
der Gregorianik durch deutsches Liedgut) und spricht für die
Ausbildung einer deutschen Gregorianik. (Siehe auch die Richtlinien
des Bistums Würzburg für „Gemeinschaftsmesse", „Bet-
Sing-Messe", „Deutsches Hochamt" S. 111—119 — und die Passauer
Anordnung für die „Gestaltung des sonntäglichen Pfarrgottesdienstes
" S. 120 f.). — Eine große Sache rührt Heinrich
Kahlefeld an: Neuordnung der Meßperikopenf (Im 1. Halbband
S. 54 ff., im 2. Halbband S. 301 ff.). Seine Maxime heißt: Kenntnis
der Hl. Schrift wird rite errungen durch die gottesdienstlichen
Lesungen! Darum muß die Perikopenreihe der Sonn- und Festtage
a) den gesamten Stoff der Evangelien bringen, b.) alle wesentlichen
Stücke des Apostolus, c.) die heilsgeschichtlich wichtigsten
Partien des AT. Also stelle man 1.) die alte Ordnung
wieder her: Lesung aus dem AT — Graduale — Apostolus — Alle-
luja — Evangelium — Homilie — Fürbittgebet; 2.) man verteile
die Lesungen auf 3—4 Jahre; 3.) man erarbeite eine „thematische
Querverbindung" der jedesmaligen 3 Lesungen (Beispiele
S. 301 ff.). Die Frage wird erwogen: Soll die gegenwärtige Perikopenreihe
des Missale Romanum bei der Neuordnung erhalten
bleiben oder in die Neuordnung eingeschmolzen werden? — Der
Kongreß auf dem Odilienberg i. Elsaß 1952 war dem Thema gewidmet
„Der Mensch unserer Zeit und die Meßfeier der Kirche."
Man kam dort zu der (von den Bischöfen nachher abgelehnten)
Forderung „Schöpferische Neugestaltung der Messe für unsere
Zeit aus dem Geiste unserer Zeit." Hintergrund war die Nachricht
: Die Arbeiterschaft von Paris bleibt fast restlos der Meßfeier
fem! — P. Evans aus Oxford sieht die Volkssprache im
kath. Gottesdienst Englands im Vordringen, deutet aber auf eine
eigentümliche Schranke hin: Der anglikanische Gottesdienst gebraucht
längst die Volkssprache — und da er dem katholischen
so ähnlich ist, erschrecken manche Katholiken Englands, wenn
die Volkssprache in den katholischen Gottesdienst eindringt! —
Charles Rauch verlangt eine neue Wertung und Gestaltung der
Taufe in Frankreich, nachdem die Taufe in der Osternacht wieder
da ist; es fehlen in Frankreich die kirchlichen Kerngemeinschaften
, und das Patenamt ist Fassade; auch muß die Kindertaufe als
auf die fides parentum sive ecclesiae gegründet neu erörtert werden
. — Joachim Kcttel leitet die am Gründonnerstag übliche Übertragung
des Sanctissimum aus der bei jeder Messe vordem gebräuchlichen
Übertragung der eucharistischen Reste ins Sacrarium
her; am Gründonnerstag hat sich eben der usus antiquus erhalten
. Daß man eine Übertragung „ins Grab" daraus machte, geht
auf die Allegoristik der mittelalterlichen Liturgiker zurück. -
Gegenwartsnah ist der Bericht von Jos. Gülden und Walter Krawinkel
über den Gottesdienst auf dem Berliner Katholikentag
1952. — Liturgierechtlich interessant spricht Theodor Schnitzler
vom „Liturgischen Rat" der Diözesen. — Der 1. Halbband handelt
in den genannten Stücken weithin von dem 2. Liturgischen
Treffen auf dem Odilienberge 1952 (das 1. Treffen war 1951 in
Maria Laach; das 3. fand 1953 in Lugano statt: darüber findet
man denn alles im 2. Halbbande).

So steht der 2. Halbband unter dem Thema des Treffens von
Lugano: „Tätige Teilnahme der Gläubigen am Gottesdienst der
Kirche", einem Worte, das Papst Pius X. in die Welt warf,
Pius XII. aber ausführt. Man erhält nun im „Jahrbuch" III 2 zuerst
einen Überblick über die Lugano-Tagung, deren Referate
und „Konklusionen", den Don Luigi Agustoni und Dr. Wagner
geradezu meisterhaft geben — für „Kurzleser" ein Ersatz für das
ganze Buch. Dann folgen die Referate von Lugano, zuerst die
der Bischöfe, dann die der Professoren. Das 1. Referat, vom Bischof
von Lugano, enthält den aufschlußreichen Satz: „Die Liturgie
, der öffentliche und amtliche Kult, den die Kirche Gott
darbringt. Gott selbst hat durch die göttliche Offenbarung einen
heiligen Kult in die Welt einführen wollen, zuerst im mosaischen
Gesetz, später durch den christlichen Gottesdienst, der von Christus
und seinen Aposteln in seinen wesentlichen Grundzügen geschaffen
und durch die emsige und erleuchtete Tätigkeit der katholischen
Kirche die Jahrhunderte hindurch wunderbar entwickelt
wurde." Das ist eine Art „Hofbescheid". — Eugen Fischer,
Münsterpfarrer in Straßburg, sieht das Kennzeichen unserer Zeit
in der liturgischen Erneuerung, die sogar „außerhalb der Kirche
bei unseren getrennten Brüdern" aufbricht. Rom hat „epochemachende
Geschehnisse" in die Welt gesetzt: den neuen Psalter,
die Erneuerung der Osternacht, Ritualien in der Landessprache,
die Abendmesse, die Erleichterung des Nüchternheitsgebotes vor
dem Eucharistie-Empfang. Die Entfremdung des katholischen
Volkes von der Kirche hat als Gründe: l'inadaptation du culte
et l'inertie des catholiques ä promouvoir la justice sociale. Fischer
nennt die „träge rubrizistische Ruhe" und „die unvollkommenen
Formen der Messe" (Messe als Unterricht mit durchlaufender
Predigt, Messe als Konzert) und zitiert Guardinis Wort:
Am Ende der Neuzeit ein neuer Abschnitt der Kirche — eben der
der „liturgischen Erneuerung". — Was speziell eine Erneuerung