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1955 Nr. 5

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Altes Testament

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 5

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was es bedeutet, daß Gottes Weg mit seiner Gemeinde der Weg
in die Wüste ist (Hos. 2).

Auch Stamm (Ps. 50, 7—23) und Kraus (Jer. 7, 1-7) wenden
ihre Texte unmittelbar auf ihre Hörer an. Der Grund zum Dank,
zu dem Ps. 50 auffordert, ist für den Christen allerdings nicht
die Herausführung aus Ägypten, sondern Tod und Auferstehung
Jesu Christi, und die Gegenwart Gottes bei seiner Gemeinde,
gegen deren falsches Verständnis sich Jer. 7 richtet, ist nicht im
Tempel, sondern in Jesus Christus gegeben. So steht hier das
Ganze gleichsam unter einem anderen Vorzeichen; aber der Verkündigungsinhalt
der Predigt kommt doch aus dem alttestament-
lichen Text selbst.

In diesen Predigten bildet also durchweg die Gemeinsamkeit
der Situation vor Gott die Voraussetzung dafür, daß die alt-
testamentlichen Texte mutatis mutandis der christlichen Gemeinde
gepredigt werden können, ohne daß etwas „dazukommen
" müßte. Die Gemeinde kann diese Worte „verstehen".

Anders ist es bei Horst (Jes. 52, 7—12) und in einer weiteren
Predigt Wolffs (Ps. 98 als nachexilischer, „eschatolo-
gischer" Psalm verstanden): In das „Nahbild", das Deutero-
jesaja von der bevorstehenden Befreiung aus dem Exil entwirft,
ragt das „Fernbild", die Befreiung der Menschheit durch das
Werk Christi, hinein; und das Wunder der Befreiung, von dem
Ps. 98 redet, ist „nur ein kleines alttestamentliches Vorspiel dessen
, was Gott für uns alle ins Werk gesetzt hat, als er seinen
Sohn sandte", so daß nun die Aufforderung zum Singen an die
Gemeinde zwischen Ostern und Christi Wiederkunft ergeht.
Hier wird also „typologisch" ausgelegt. Das geschieht ebenso in
einer weiteren Predigt Zimmeriis (Ez. 33, 1—10): In dem Amt
des „Spähers", des Warners, das dem Propheten übertragen wird,
ist das Tun Jesu Christi „wie in einer schattenhaften Verheißung
vorangedeutet", wie auch umgekehrt dieses Amt Ezechiels uns
verstehen hilft, was das Amt Jesu Christi ist.

Den eigentlichen Inhalt der Verkündigung stellt in diesen
Predigten das Neue Testament dar. Aber die Entfaltung geschieht
doch im Zusammenhang mit der Exegese des alttestamentlichen
Textes, der auf den ihn überbietenden Antitypos hin ausgelegt
wird.

In einer dritten Predigt (Ex. 3, 1—6) bedient sich Wollt
dann der Allegorese: Im Anschluß an eine alte jüdische Auslegung
will er den Dornbusch „kühn als Gleichnis der Gemeinde
sehen, sofern sie vom Feuer Jesu Christi, dem Feuer des Wortes
Gottes ergriffen ist". Sie ist der Ort, wo nach Gottes Willen
das Feuer brennt, das Jesus Christus auf Erden angezündet hat.
Hier ist nun allerdings kaum noch ein wirklicher Zusammenhang
zwischen Exegese und „Anwendung" erkennbar.

Die Predigt v. Campenhausens schließlich (Gen. 3, 1—6)
gibt die Antwort auf die in Gen. 3 gezeichnete Situation des
Menschen vor Gott aus dem Neuen Testament: Jesus Christus
„ist Mensch geworden, damit wir aufhören könnten, wie Gott
zu sein". Hier bildet also, wie es allerdings bei Gen. 3 besonders
nahe liegt, der alttestamentliche Text nur das negative Bild der
Verlorenheit des Menschen, der der im Neuen Testament verkündigten
Erlösung bedarf.

Der Wert dieser Predigten für die gegenwärtige Diskussion
könnte darin liegen, daß hier einmal die hermeneutischen Grundsätze
praktisch an einzelnen Texten durchgeführt werden. Der
Rezensent kann nicht verhehlen, daß ihm die zuerst genannten
Predigten, in denen unmittelbar aus dem alttestamentlichen Text
heraus geredet wird, am eindrücklichsten erscheinen. Jedenfalls
scheinen sie ihm zu erweisen, daß es eine legitime Möglichkeit
gibt, alttestamentliche Texte unmittelbar einer christlichen Gemeinde
zu predigen, ohne sie irgendwie zu „überhöhen" oder
ihnen ein neutestamentliches Gegenbild gegenüberzustellen.

Güttingen Rolf Rendtorff

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NEUES TESTAMENT

Schäfer, Karl Th., Prof.: Grundriß der Einleitung in das Neue Testament
. 2., verb. Aufl. Bonn: Hanstein 1952. VI, 185, 8" S. gr. 8°.
DM 7.— ; geb. DM 9.60.

Der Grundriß von K. Th. Schäfer will nach der Absicht des
Verfassers eine Einführung für Studenten sein und ein Lehrbuch
nicht ersetzen. Sch. sucht darum, „mit möglichst wenig Worten
möglichst viel zu sagen; das Zweifelhafte und das bloß Wahrscheinliche
vom Sicheren deutlich zu unterscheiden". Innerhalb
dieser selbst gesteckten Grenzen behandelt Sch. aber dann den
ganzen Stoff, der herkömmlicherweise in einer „Einleitung in das
Neue Testament" dargestellt wird, also die Kanons- und Textgeschichte
und die spezielle Einleitung. Die Probleme werden
klar aufgezeigt (besonders der textkritische Abschnitt bietet
einen sehr klaren Überblick über die Tatbestände), und es werden
die üblichen Lösungen vorgetragen, die der konservativen
katholischen Forschung selbstverständlich sind, wobei Sch. naturgemäß
nur eine kleine Auswahl der modernen Thesen anführen
oder bekämpfen kann. Doch ist dabei die Grenze wohl gelegentlich
zu eng gezogen (bei den Synoptikern fehlt nicht nur eine
klare Stellungnahme zur Zweiquellentheorie, sondern auch der
Hinweis auf Streeters Vierquellenhypothese; die Ausführungen
über die vermuteten schriftlichen Quellen der Apostelgeschichte
sind unzureichend; die wirkliche Herkunft der Doxologie des Römerbriefes
bleibt unklar usw.), während manche Ausführungen
kaum in eine so knappe Darstellung gehören (über die außerchristlichen
Jesuszeugnisse S. 47, die Evangelistensymbole S. 49,
das Leben des Paulus § 15). Für den protestantischen Leser sind
dabei nicht eigentlich die Punkte von interesse, wo Sch. eine unerwartete
Stellungnahme bezieht (etwa die Annahme der „nord-
galatischen" Adresse des Galaterbriefs; der Epheserbrief sei in
Wirklichkeit ein Laodizenerbrief; der Jakobusbrief ist nicht unbedingt
das älteste Stück des Neuen Testaments). Wirklich interessant
für den Protestanten sind vielmehr die Ausführungen, die
die besondere Problematik der katholischen Forschung erkennen
lassen. Diese Problematik zeigt sich schon an dem Urteil über
Richard Simon, dem die Aufrichtigkeit des Willens zugeschrieben
wird, der Kirche zu dienen, der aber als dogmatisch irrend bezeichnet
wird, weil er den Pentateuch als erst nachträglich
zur' Heiligen Schrift gewordene Schrift bezeichnete (S. 3). Diese
Problematik zeigt sich weiter in der Feststellung, daß die Ka-
nonizität eines biblischen Buchs in seiner Inspiration begründet
ist, wobei es als „theologisch unerheblich" bezeichnet wird,
wann die Kirche diesen schon feststehenden Sachverhalt a n-
erkannt hat (S. 14). Diese Problematik zeigt sich aber ganz
besonders dort, wo das Urteil der Kirche dem geschichtlich festgestellten
Tatbestand übergeordnet wird: Mk. 16, 9 ff. erweist
sich als Schluß des Markusevangeliums als befremdend, aber „die
Kanonizität des Abschnitts 16, 9—20 ist seit dem Tridentinum
keine Frage mehr" (S. 56); die Perikope Joh. 7, 5 3 ff. „kann nicht
vom Verfasser des Evs geformt sein", „der Befund berechtigt je-