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Ausgabe:

1955 Nr. 5

Spalte:

277-278

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Das Buch Ijjob 1955

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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277

Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 5

278

■^a]}, eine verschiedene Auslegung möglich und wohl unvermeidlich
bleibt, ist das Hauptanliegen des Vfs., die Beziehung
all der verschiedenen Beschreibungen des körperlichen und seelischen
Lebens auf eine geistige Totalität, eine alles sich unterordnende
Personeinheit anschaulich zu machen und die Auflösung
dieser Personeinheit in selbständige geistige Bezirke nach
dem von H. W. Robinson eingeführten Schlagwort „diffusion of
consciousness" als Irrtum abzuweisen, in außerordentlich eindrucksvoller
Weise durchgeführt und bildet einen wertvollen
Beitrag zum Verständnis der alttestamentlichen Psychologie.
Man sieht den vom Vf. in Aussicht gestellten weiteren Beiträgen
2U diesem Thema mit Spannung entgegen.

Basel W. Eichrodt

Stier, Fridolin: Das Buch Ijjob. Hebräisch und Deutsch. Übertragen,
ausgelegt und mit Text- und Sacherläuterungen versehen. München:
Kösel-Verlag [1954]. 362 S. 8°. DM 25.—.

Die größere Hälfte des vorliegenden Buches (S. 9—214) wird
v°n dem — ohne Vokale und Akzentzeichen mitgeteilten — hebräischen
Text des Hiobbuches, der auf den linken Seiten steht,
"nd seiner ihm gegenüber auf den rechten Seiten abgedruckten
deutschen Übersetzung in Anspruch genommen; die kleinere
(S. 215—362) durdi zusammenfassende Auslegung (S. 215—258),
Einleitung (S. 259—265), Text- und Sacherläuterungen (S. 266
~354) und Postscriptum (S. 3 5 5-362). Dem entspricht, daß es
dem Verfasser vor allem auf Darbietung einer Übersetzung ankommt
, die, soweit irgend möglich. Form und Inhalt des Hiobbuches
getreulich wiedergibt. „Im Übersetzen schließt sich der
Kreis, Anfang und Ende alles auslegenden Tuns", heißt es S. 361
>n dem Postscriptum, das Kunde gibt von den für die deutsche
Übersetzung maßgebenden Prinzipien und von dem Ernst, mit
dem der Verfasser sie zu befolgen bemüht ist. Über diese und
jene Einzelheit wird man da verschiedener Meinung sein können.
Aber aufs Ganze gesehen, verdient nicht nur Stiers unermüdliches
Ringen um den rechten Ausdruck Anerkennung, sondern
wird man auch sagen dürfen, daß seine Verdeutschung des hebräischen
Textes oft den Nagel auf den Kopf trifft. Insbesondere
ist ihm darin recht zu geben, daß der ,,Sprachalltag", das „Kon-
ventionaldeutsch" nicht befugt ist, sich in diesen Dingen zum
Richter aufzuwerfen und „Neuworte" abzulehnen. So ist die
Wiedergabe von saddaj durch „Allwalt" durchaus zu rechtfertigen
. Ob das auch von „Unbühr" für tiplüh (1,22), „Schläng-
ler" für niptülim (5, 13) und „Darbnis" für kitpän (5, 22) gilt,
■nag dahingestellt bleiben.

Was die Auslegung angeht, so hat sie ihre Besonderheit
darin, daß sie das Hiobbudi nachdrücklicher, als es sonst wohl
geschieht, als einen Bericht über Hiobs Prozeß gegen Gott zu
verstehen sucht. „Ijjob .stellt' Gott. Ihm geht es nicht um Antwort
auf eine Frage, sondern darum, daß Gott ihm auf seine
Frage Rede und Antwort stehe. Ijjob fordert Gott zur gerichtlichen
Verantwortung" (S. 217). Damit, daß die drei Freunde,
die in diesem Prozeß Gottes Verteidigung führen, verstummen,
tritt der Prozeß in sein entscheidendes Stadium, indem Hiob
nun des eigentlichen Widersachers, Gottes, Entgegnung erwarten
darf. Durch die „anklagende Klage" von c. 29—31 will Hiob
diese Entgegnung, u. d. h. seine Rechtfertigung, mit der Gott
sich zugleich selbst schuldig erklärt, erzwingen. „Ijjob verklagt
Gott bei Gott. Und glaubt, erwartet, verlangt, daß i n Gott der
Gott des Rechtes dem Gott der Gewalt obsiege" (S. 237). Insofern
führt er „seinen Kampf ,um' Gott und ,wider' Gott zugleich
" (S. 237). Gott - die Elihu-Reden c. 32-37 sind nicht
ursprünglich — hört diese Anklage Hiobs, nimmt sie an, überfragt
und überführt ihn, doch so, daß er ihn zu sich hinüber
fragt und hinüber führt (c. 3 8—41). Damit ist Hiob ein anderer
geworden. „Das Ereignis der Begegnung mit Gott hat auch den
Menschen Ijjob gewandelt. Gelöst ward das in ihm inkarnierte
Bild von Gott und vom Menschen: das .Hörensagen'. Er ward
gebracht ins .Schauen' (42, 5)" (S. 250). Die Rahmenerzählung,
1—2, 13; 42, (7—9) 10—17, aber rührt von dem Verfasser der
Dichtung her und entspricht ganz deren religiös-ethischer Höhenlage
. „Der Ijjob der Bewährungsgeschichte verkörpert den
Widerspruch gegen die Vergeltungslehre ezechielischer Prägung,
insoweit sie es nicht vermochte, sich gegen die Mißverständnisse

ihres Prinzips zu feien... Im Ijjob der Vorgeschichte ist der am
Rechtsanspruch gegen Gott haftende Ijjob der folgenden Streitreden
überwunden. Dieser fordert die Bewahrheitung der Lehre
Ezechiels, jener ist über sie hinausgestiegen" (S. 223). Besondere
Bedeutung kommt dabei, wie Stier meint, 42, 10 zu, wo die
Wendung von Hiobs Geschick damit in Verbindung gebracht
wird, daß er für seine Freunde gebetet hat. „Der Autor des Buches
hat zwischen die ersten beiden Sätze der wiederanhebenden
Rahmenerzählung die zeigende Zeile geschoben: Ijjobs Geschick
ward ,damit [indem]' gewendet, ,daß er fürsprach für seine
Freunde' [42, lob]. Und das will heißen, daß gerade darum, daß
Ijjob, gelöst und still geworden, für sich nichts mehr verlangte,
diesem innerstgewendeten Ijjob das Zwiefache zugewendet ward.
Mit diesem bedeutsamen Zwischensatz [42, lob] wird eine nochmalige
, indirekte Verwerfung der Rechts- und Gerechtigkeitstheologie
des Eliphaz und seiner Genossen ausgesprochen"
(S. 255 f.). Man sieht: die hier vorgelegte Auslegung des Hiobbuches
enthält mancherlei Beachtens- und Erwägenswertes und
kann so wohl zu vertieftem Verständnis des Buches beitragen.

Auch aus der Einleitung und aus den Text- und Sacherläuterungen
, in denen der Verf. weithin den neueren Hiob-Kom-
mentaren, vor allem dem Hölschers, folgt, aber vielfach
auch eigene Wege geht, ist mancherlei zu lernen. Einen vollständigen
Kommentar geben zwar die Erläuterungen nicht, und
es bleibt auch einigermaßen unklar, nach welchem Prinzip die
Auswahl der Erläuterungen getroffen ist. Statt dieser oder jener
Bemerkung, die nicht unbedingt nötig ersdieint, hätte man gelegentlich
lieber andere Stellen, die in den Erläuterungen jetzt
unberücksichtigt bleiben und doch zu mancherlei Fragen Anlaß
geben, erklärt gesehen. Aber was geboten wird, zeugt davon,
daß der Verf. um das rechte Verständnis sachlich schwieriger
Sätze und Worte, ebenso ernst gerungen hat wie um die zutreffende
Heilung textlich offenbar verderbter Stellen. Sehr oft, allzu
oft, werden dabei mehrere Vorschläge in Frageform nebeneinandergestellt
, ohne daß zwischen diesen Möglichkeiten eine
klare Entscheidung getroffen würde. Das mag in Einzelfällen, wo
es darauf ankommt, daß der Leser mit der ganzen Problematik
des Falles vertraut werde, berechtigt sein. Aber im allgemeinen
dürfte doch die — gewiß mit den nötigen Vorbehalten verbundene
— Entscheidung für eine bestimmte Lösung des Problems
das Gegebene sein, um so mehr, als schließlich ja die Übersetzung
solch eine bestimmte Entscheidung voraussetzt.

Halle/Saale Ouu EiUftldt

Kraus, Hans-Joachim: Alttestamentlidie Predigten, zumeist in Universitätsgottesdiensten
gehalten von den Professoren der Theologie
H. Frh. v. Campenhausen, F. Horst, H.-J. Kraus, G. v. Rad, J. J. Stamm,
H. W. Wolff, W. Zimmerli, hrsg. Neukirchen Krs. Moers: Verlag der
Buchhandl. d. Erziehungsvereins. [1954]. 128 S. kl. 8°. Lw. DM 6.—.

Wenn bei dem heutigen Stand der hermeneutischen Debatte
über das Alte Testament ein Band alttestamentlicher Predigten
ersdieint, wird man nicht fehlgehen in der Annahme, daß er als
Beitrag zu diesem Gespräch verstanden sein will. Bei dem vorliegenden
Bändchen wird das noch dadurch unterstrichen, daß es
in offensichtlichem Zusammenhang mit dem in Vorbereitung befindlichen
„Biblischen Kommentar" steht, durch dessen „Programm
" (vgl. Ev. Theol. 12. Jahrgang 1952/5 3, Heft l/2) die
Diskussion ja eigentlich erst in Fluß gekommen ist. Man wird
also wohl der Absicht dieser Sammlung am ehesten gerecht, wenn
man sie auf die hermeneutischen Grundsätze hin betrachtet, die
in den hier vereinigten 10 Predigten wirksam sind.

Die Gemeinde wird in diesen Predigten durchweg unmittelbar
vom alttestamentlichen Text her angeredet, ohne daß die
Frage nach seiner Verbindlichkeit explizit gestellt wird. Andererseits
reden sie alle von Christus, wenn auch in sehr verschiedener
Weise. So lassen die Predigten von Wolff (Jes. 43, 1—7), Zimmerli
(Jes. 44, 6—8) und v. Rad (Hos. 2, 16—24) die Botschaft
ihrer Texte direkt ihren Hörern, der heutigen christlichen Gemeinde
, gesagt sein. Daß sie das tun können, ist für sie alle
aber durch Christus ermöglicht: Er gibt uns die Gewißheit, daß
das „Fürchte dich nicht" von Jes. 43 und das „Ich bin der Erste
und der Letzte" von Jes. 44 wahr ist und uns gilt; in seinem
Weg nach Gethsemane und Golgatha wird erst ganz sichtbar.