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Ausgabe:

1955 Nr. 5

Spalte:

273-274

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hollister, John Norman

Titel/Untertitel:

The Shi'a of India 1955

Rezensent:

Rosenkranz, Gerhard

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273

Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 5

274

alles zugänglichen Materials und Vergleichen mit anderen Völkern
nicht gelöst werden. Die Keto-Religion zeigt eigentümliche
Mischformen einer Himmelsreligion vermutlich türkischer Herkunft
mit mutterrechtlichen Elementen. Neben dem Himmelsgott
Ees, der zu Sommeranfang den Menschen Befehle für das kommende
Jahr gibt, stehen zwei weibliche Gottheiten, die Frühlingsgöttin
Tom-am (= Mutter des Tom-Flusses) und die Erdgöttin
Hosad-am, ursprünglich Gattin des Ees, dann zum Mond geflüchtet
und zur Strafe von Ees auf die Erde gestürzt. P. W. Schmidt
sieht hierin einen gescheiterten Versuch, vaterrechtlichen Himmelsglauben
mit mutterrechtlich-lunarer Erdreligion zu verbinden,
entsprechend seiner Grundanschauung, daß die dem Urmonothe-
ismus am nächsten gebliebene Himmelsreligion durch Aufnahme
neuer Elemente nur verschlechtert werden könne. — Die mit großer
Autorität als Stammesfürsten ausgestatteten Schamanen erscheinen
als Gehilfen des Ees gegen Hosad-am. Auffallend ist
die Vererbung der Schamanenwürde auf die Tochter und wieder
auf deren Sohn. Hier wie bei den Jakuten und bei entsprechenden
Untersuchungen in früheren Bänden zeigt sich wieder, daß in den
herkömmlich als Schamanismus bezeichneten Erscheinungen Nordasiens
ganz verschiedenartige Elemente stecken, deren Herkunft
und gegenseitige Beeinflussung bisher nicht restlos hat geklärt
werden können.

Im letzten Abschnitt wird die Vergleichung der Religionen
der innerasiatischen Hirtenvölker mit denen der Nachbarvölker
unternommen. P. W. Schmidt will hierdurch insbes. die unberührten
Urformen der Himmelsreligion klarer in ihrer Eigenart herausarbeiten
. Auch dieser Abschnitt bringt noch eine Fülle neuen
Materials als Vorbereitung für die im letzten Band des Gesamtwerkes
beabsichtigte große Synthese der Religionen aller Hirtenvölker
.

Marburg Heinrich Herrfahrdt

H o 11 i s t e r, John Norman, BS c, M.A., Ph.D.: The Shi'a of India.
London: Luzac 1953. XIV, 440 S., 2 Taf. gr. 8° = Luzac's Oriental
Religions Series VIII. £ 3.3.0.

H. war Missionar in Lucknow, dem Zentrum der indischen
Shi'a. Er hat die vorliegende Arbeit dort begonnen, in den USA.
zu Ende geführt und mit ihr den philosophischen Doktorgrad erworben
. Sein Buch hat also den Vorzug, aus missionarischer Praxis
und wissenschaftlicher Durchdringung des Stoffes entstanden
zu sein. Geschichtlich bringt es zum Ausdruck, wie früh und
stark die Shi'a die Ausbreitung des Islam in Indien beeinflußt
hat, religionsgeschichtlich klärt es, wie sehr sie sich in Indien,
nicht unwesentlich unter Einwirkungen des Süfismus und Hinduismus
, dogmatisch und kultisch von der islamischen Orthodoxie
entfernt hat.Dieser Aufgabe unterzieht sich H., nachdem er eingangs
den Begriff der Sekte im Isläm klargestellt, die Entstehung
der Shi'a und die Bedeutung 'Ali's, des von ihr verehrten ersten
Imäm, behandelt hat, in den beiden Hauptteilen seines Buches.
Der erste Teil ist der 11 h n 3 'a s h a r i y a, also den
„Zwölfern", gewidmet, die den im Jahre 866 geborenen, im Alter
von fünf Jahren „entrückten" Muhammad al-Mahdi als wiederkommenden
zwölften Imäm verehren. H. arbeitet in kurzen,
einprägsamen Gegenüberstellungen mit dem Glauben der Sunniten
das shi'itische Gepräge ihrer Lehren heraus und gibt dann
die Porträts ihrer zwölf Imäme sowie einen ausführlichen Bericht
über ihre in langer Zeit erfolgte Einsickerung in Indien.
Dabei stützt er sich auf wenig bekanntes oder doch schwer zugängliches
Quellenmaterial. Es sei nachdrücklich auf das verwiesen
, was er über die takiya (pflichtmäßige Verbergung des Glaubens
im Augenblick der Gefahr und zur Gewinnung Andersgläubiger
) sowie über die mut'a (Zeitehe) schreibt (S. 53-57).
In diesen beiden Lehren sieht er mit Recht Zersetzungsmomente
für die indische Shi'a (S. 192 f.).

Der zweite Hauptteil handelt von der mit den
„Zwölfern" aufs engste verbundenen I s m ä 'I Ii y a, die mit
der Ithnä 'ashariya die ersten sechs Imäme gemeinsam hat, sich
dann aber von ihr scheidet, indem sie als siebten Imäm nicht
Müsä al-Käzim, sondern seinen älteren Bruder Ismä'il zählt.
Das hat ihr die Bezeichnung „Siebener" (Sab'iya) eingetragen.

die jedoch mit vollem Recht nur der aus ihr entstandenen Sekte
der Karmaten zukommt, die mit Ismä'il das Imämat als beendet
ansehen (S. 217). Ismä'iliten waren die Imäme der Fätimiden-
Dynastie, die von 909—1171 ein Reich in Nordafrika regierte.
Ein jeder von ihnen war zugleich Imäm und Khalifa und als Imäm
„mit den Ismä'IlI-Gemeinden des gegenwärtigen Indien sehr eng
verbunden" (S. 221). H. stellt ihre einzelnen Vertreter und die
„Religion der Fätimiden" dar. In diesem Zusammenhang verdient
seine Schilderung der dä'i und ihrer Tätigkeit besondere Aufmerksamkeit
. Die dä'i hatten in der Fätimiden-Hierarchie die
Schlüsselstellung inne. Das Wort dä'i bedeutet „einen, der ruft".
„Der Ausdruck begegnet sehr früh in der Geschichte des Ismä-
'ilitentums, und offenbar standen die dä'i in der Frühzeit direkt
mit dem Imäm in Beziehung ... Im dä'i finden wir das Gegenstück
zum Priester der christlichen Kirche ... Nicht nur waren
die dä'i ordiniert, sondern auch fest besoldet und mit Sonderrechten
für ihr Propagandawerk ausgestattet" (S. 261). Die Bezeichnung
„Missionare" für sie, die auch H. verwendet, sollte
vermieden werden; aber ohne Zweifel haben wir in ihnen die
Träger einer islamischen Ausbreitung vor uns, die sich nicht, wie
im Sunnitentum, der Waffengewalt als eines legalen Mittels bedient
, sondern der Lehrverkündigung, die allerdings nicht immer
von politischen Zwecken frei ist.

Der Tod des Fätimiden-Imäm al-Mustansir im Jahre 1067
führte zu Nachfolgestreitigkeiten zwischen seinen Söhnen Nizär
und al-Musta'li. Die Anhänger Nizär's „richteten sich in Persien
ein. Ihre Repräsentanten in Indien sind die jChodja, deren Imäm
der Agha Khän ist. Der Musta'li-Zweig hatte seinen Boden lange
im Yemen und ist in Indien durch die Bohora vertreten" (S. 243).
In den besonders instruktiven Schlußkapiteln schildert H. den
Eingang der Musta'lier bzw. der Nizäri sowie die Religion und
gegenwärtige Lage der Bohora und Khodja. Wieder fällt hier auf
die Wirksamkeit der dä'i der Musta'lier und der Nizäri ein bedeutsames
Licht. H. gibt ihre Namenslisten wie auch Biographien
einzelner bedeutender dä'i. Von aktuellem Interesse ist das Kapitel
über die Agha Khäne, deren erster im Jahre 1840 nach Indien
aus Persien gekommen ist; zu seiner Ergänzung sei auf die
Lebenserinnerungen des z. Zt. regierenden Agha Khän (1954 in
deutscher Übersetzung erschienen) hingewiesen. H. hebt die sowohl
auf sozialem wie pädagogischem Gebiet rege reformerische
Tätigkeit der Bohora und Khodja als wichtig für die Zukunft der
Shi'a in Indien hervor.

Wenn wir die in ihren geschichtlichen und lehrmäßigen Einzelentwicklungen
kaum übersehbare Vielfältigkeit der Shi'a im
allgemeinen und in Indien im besonderen bedenken und hinzunehmen
, welche Schwierigkeiten es bedeutet, sich mit ihren oft
geheim übermittelten Lehren und Vorstellungen vertraut zu machen
, verbindet sich unser Dank dafür, daß H. ihre zusammenfassende
Darstellung gewagt hat, mit dem Dank dafür, daß er
sie mit vorbildlicher Exaktheit und dem höchstmöglichen Maß an
Klärung verschlungener Zusammenhänge durchgeführt hat.

Tübingen Oerhard Rosenkranz

Baumstark, Anton f: Zur Herkunft der monotheistischen Bekenntnisformeln
im Koran.

Oriens Christianus. Hefte für die Kunde des christlichen Orients 37,

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