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Ausgabe:

1955 Nr. 5

Spalte:

269-272

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Grégoire, Mélanges Henri Grégoire. Vol. IV. 1955

Rezensent:

Irmscher, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 5

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maligem Responsum. Hier findet sich noch ein besonderer Wechselgesang
zwischen Pueri, Chorus, Baccalaureus, Cantor. Wo man
doch sonst so gern „Passionen" hört, sollte man solche Kostbarkeiten
auch wieder hervorholen. — Bisweilen wird in der Vesper
noch ein Alius hymnus, qui sequitur ad Completorium, angefügt
. Das ist ein Rest jenes feierlichen Nachtgebets, der Komplet
, das Ludecus jedoch nicht bringt (wohl aber Lucas Lossius,
wenigstens an den Hochfesten). Welch eine Weihe würde es den
Synoden und sonstigen kirchlichen Tagungen geben, wenn sie
mit solch einer klassischen Matutin begonnen und mit solch einer
klassischen Vesper geschlossen würden. Die jetzt vielfach beliebten
Surrogate mit ihren oft eigenartigen Bezeichnungen
(„Morgenwache", „Bibelarbeit" u. dgl.) sind doch meist ziemlich
armselig, um keinen schlimmeren Ausdruck zu gebrauchen.

Ludecus scheint geahnt zu haben, daß manches in seinen
großen Werken den strengen Lutheranern anstößig sein könnte,
als „katholisierend" erscheinen möchte — um diese oft so leichthingesprochene
Vokabel zu gebrauchen. Deshalb baut er vor und
sagt — in beiden Teilen des „Vesperale": Si quid autem in ea
dictum scriptumve est, quod a Propheticis et Apostolicis scriptis
dissentit, id indictum inscriptumque esto. Abgesehen aber von
den erwähnten Marienfesten wüßte ich nichts, was ein gut Evangelischer
beanstanden könnte. Ich habe auch die Divisio Aposto-
lorum in meine Auszüge mit aufgenommen, ebenso Omnium
Sanctorum, weil ich diese Feste für eine wesentliche Bereicherung
des Kirchenjahrs halte. Bei der Divisio schreibt Ludecus: Er habe
auch diesen Tag beibehalten, auch wenn er nicht mehr gefeiert
würde. Und er führt an, was Eucherius Lugdunensis Episcopus darüber
gesagt hat: Die Apostel hätten unter sich die verschiedenen
Gebiete der Erde verteilt. Bartholomaeus habe den Indern gepredigt
, Thomas den Parthern, Matthaeus den Aethiopen, Andreas
den Scythen. Johannes habe (Klein) Asien mit dem göttlichen
Wort versehen, Petrus Kappadozien und Galatien, sowie Bithy-
nien und Pontus; dann sei er nach Rom gegangen, illustraturus.
Paulus habe von Jerusalem aus bis Illyrien unzähliee und verschiedenartige
Völker durch seine Lehren, wie durch Waffen, siegreich
gebändigt. — Wir wissen nicht, ob das alles stimmt; interessant
ist es jedenfalls. Das Formular erwähnt davon aber nichts. —
Auch die Anweisungen und Texte für den Allerheiligenta? haben
nichts Bedenkliches. Unser Reformator singt ja doch auch: Laß

ALLGEMEINES: FESTSCHRIFTEN

[Gregoire:] 77/f rKAPIIEIA— Melanges Henri Gregoire. Vol. IV.

Brüssel: Ed. de l'Inst. de Philologie et d'Hist. orientales et slaves 1953.
VIII, 686 + XII S. 1 Abb., 2Taf., 1 Kte., gr. 8° = Annuaire de l'Inst.
de Philologie et d'histoire orientales et slaves XII.

Zu den im letzten Jahrgang dieser Zeitschrift Sp. 463 ff. besprochenen
drei Bänden der Gregoire-Festschrift ist noch ein abschließender
vierter getreten, welcher außer der Fortsetzung der
Gregoire-Bibliographie (S. Vff.; sie umfaßt jetzt 575 Nummern)
und den üblichen Tätigkeitsberichten des Brüsseler Institut de
Philologie et d'histoire orientales et slaves weitere 31 gelehrte
Beiträge zu Ehren des Jubilars enthält. Es wird zwedcmäßig sein,
auch diesmal in systematischer Ordnung diejenigen herauszugreifen
, welche auf das spezielle Interesse der Leser dieser Zeitschrift
rechnen dürfen.

Beginnen wir mit dem Alten Orient! Zwei Beiträge führen
nach Ägypten. M. Stracmans beschäftigt sich S. 427 ff. mit einem
vielbesprochenen Basrelief des Alten Reiches aus einer Mastaba von
Gisa, jetzt im Britisdien Museum (Nr. 994); durch Vergleich mit um-
fangreichem ethnographischen Material deckt er in dessen Darstellungen
Spuren eines Initiationsdramas auf. — C. de W i t handelt in seinem
Beitrag S. 123 ff. über die Bentresdi-Stele (s. Hermann Ranke, Zeitschrift
für ägyptische Sprache und Altertumskunde 74/l938/Taf. V), einer
Fälschung der Spätzeit, welche in archaisierender Sprache Ramses II. verherrlicht
. De Wit bemüht sich, aus diesen Erzählungen den historischen
Kern herauszuholen: besonders interessiert der Ortsname Rkhtn, dessen
Gleidisetzung mit Baktria oder Baktriana ihm angängig scheint. — Dem
Weiterwirken des Orients ist der Beitrag Pierre Gilberts gewidmet:
er zeigt S. 157 ff., wie beim kampanisch-römischen Kuppelbau Anregungen
des Ostens verwertet und in eigener Weise fortentwickelt wurden.

uns im Himmel haben teil mit den Heiligen im ewgen Heil! Als
Hymnus erscheint hier: O lux beata Trinitas. — Bedenklich ist,
wenn auch wieder sehr aktuell, die Assumptio B. Mariae Virginis.
Hier bringt Ludecus eine längere Erklärung und verweist auf
Hieronymus, Augustinus, Epiphanius, Dionysius Areopagita,
Tertullian und Eusebius. Dann sagt er: Cantiones autem, quas
adscripsi, cum pleraeque ex Cantico Canticorum depromptae sint.
retineri posse existimo. Dieses Fest wird aber kein Protestant
begehen wollen, jetzt erst recht nicht. Überhaupt haben wir wohl
nicht mehr jenen aufgeschlossenen Sinn für die Marientage, wie
ihn noch die Reformatoren hatten. Die „Jungfrau" darf nicht in
das Zentrum unsres Glaubens rücken! Ludecus hat nicht weniger
als fünf Marientage: Purificatio, Annuntiatio, Visitatio, Assumptio
und — Nativitas! Beim zuletztgenannten Fest schreibt er jedoch
die bedeutsamen Worte: „Über Mariae, der immerwährenden
Jungfrau Geburt und Eltern steht in der Heiligen Schrift
kein Jota. Wir müssen Gott für ihre Geburt danken; aber Maria
anbeten oder an Gottes Statt setzen — das wäre Götzendienst!
Denn der Kult und die Anbetung kommt Gott allein zu. Da aber
dieses Fest in der Mark Brandenburg noch hie und da gefeiert
wird, so glaubte ich die gebräuchlichen Gesänge, vom papistischen
Unrat gereinigt, aufzeichnen zu sollen."

Wir können also mit gutem evangelischen Gewissen das
Vesperale et Matutinale des Matthaeus Ludecus wieder in liturgischen
Gebrauch nehmen. —

Der von mir gemachte Auszug aus dem Vesperale et Matutinale
enthält folgende Stücke:

Titelblatt, Inhaltsverzeichnis, Vorwort, Brief an den Leser, Schema
der Hören, Psalmorum intonationes In Vigilia Natalis Domini, Am
heiligen Christtage, Am Tage S. Stephanus, des Protomartyrs, Am Tage
S. Johannis Evangelistae, In die saneto (circumeisionis), In die saneto
(Epiphaniae), Dominica prima Quadragesimae (Invocavit), Feria sexta
(Karfreitag), In die saneto (Paschae), Dominica prima post Pascha, In
die Ascensionis, In die saneto Pentecostes, In festo S. Trinitatis, In festo
Dedicationis templi. Die verschiedenen Benedicamus, Venite exultemus
(mehrere Fassungen), Responsoria (allgemeine), noch einige Hymnen.

Aus dem II. Teil folgende Tage: S.Andreas, S.Thomas, Pauli Bekehrung
, Mariae Reinigung, S. Matthias, Verkündigung an Maria, Philippus
und lakobus, Johannes der Täufer, Peter-Paul, Besudi der Maria,
Teilung der Apostel, Jakobus, Bartholomaeus, Matthaeus, Michael, Simon
und Judas, Allerheiligen.

Eine größere Anzahl von Beiträgen hat Fragen der Religionsgeschichte
der klassischen Zeit zum Thema. Über eine Vase
des 5. Jahrhunderts aus Spina, jetzt im Museum zu Ferrara, handelt
S. 151 ff. Denise Feytmans. Die Vase zeigt einen rechts und links
von Satyrn flankierten, fackeltragenden, bärtigen Mann, den Feytmans
mit guten Gründen als Prometheus anspricht; das Bild könnte durah den
472 abgefaßten IlQofit)devs üvgxaevi des Aischylos veranlaßt sein. —
Ausgehend von Werner Jaegers Aristoteleskonzeption (die Eudemische
Ethik geht der NikomaAischen voran und ist deshalb echt Aristotelisch),
untersucht Y. Nolet de Brauwere S. 345 ff. die in den beiden
Schriften enthaltenen Tugend-und-Laster-Kataloge. Das Ergebnis der
nach formalen und inhaltlichen Kriterien geführten Untersuchung bestätigt
ihm die Jaegersche Auffassung: Ursprünglich ist der Katalog im
zweiten Buche der Eudemischen Ethik (1220 b 36—1221 b 3); auf ihm
fußt die ausführliche Tugendlehre im dritten Buche desselben Werkes
und schließlich der Katalog im zweiten Buche der Nikomaduschen Ethik
(1107 a 32—1108 b 10). — Auf eine Statuette im Museum zu Rhodos
(Giulio Jacopi, Monumenti di scultura del Museo archeologico di Rodi,
2, Rhodos 1931, 16 ff.) lenkt S. 283 ff. Pierre Leveque die Aufmerksamkeit
. Sie zeigt eine weibliche Gottheit, deren rechter Fuß auf
einen Felsblock gestützt ist, so daß sich eine in der griechischen Plastik
ungewöhnlidie Rückenlinie ergibt. Das Motiv läßt sich auf die Schule
des Lysipp zurückführen, von der es die rhodische Bildhauerschule —
die Statuette dürfte einem rhodisdien Meister der zweiten Hälfte des
2. vorchristlichen Jahrhunderts angehören — entlehnt haben wird. Die
dargestellte Göttin ist wahrsdieinlich eine Nymphe, wurde doch die Statuette
in der Nähe eines alten Nymphäums gefunden. — Textverbesserungen
und sachliche Erläuterungen zu einem pseudodorisdien Gedicht
Ek vexgdv "AStoviv, das als angebliche Schöpfung Theokrits im Corpus
bueolicum Aufnahme fand (S. 126 f. der zweiten Auflage von Wi-
Iamowitz' Bukoliker-Ausgabe), gibt S. 263 ff. Jules Labarb e. —
Julien T o n d r i a u widmet dem Dionysos als „Dieu royal" S. 441 ff.
eine eingehende Studie. Ausgehend von der Feststellung, daß Dionysos
von Anbeginn her in Stiergestalt begegnet, und von der Beweisführung