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Ausgabe:

1955 Nr. 4

Spalte:

243-244

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Winkler, Dietrich

Titel/Untertitel:

Grundzüge der Frömmigkeit Heinrich Müllers 1955

Rezensent:

Winkler, Dietrich

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243

Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 4

244

Klosters und die Verwandlung einzelner Aussagen in regelartige Anweisungen
.

So stellt sich dar, wie C. zu verändern pflegt. Im III. Teil wird
versucht, diejenigen Bücher auf ihre Quellen zurückzuführen, die sich
der Untersuchung im II. Teil entzogen, nachdem die wenigen nachweisbaren
Quellen sich als nicht genügend hilfreich erwiesen hatten,
Schlüsse auf Cs. Veränderungsmethode zuzulassen. Die Coli. XVII und
XXIV sind für das Gesamtthema von grundlegender Wichtigkeit, weil
aus ihnen die zwielichtige Meinung Cs. über Wüste und Kloster ersichtlich
wird.

W e t z e 1, Christoph: Die theologische Bedeutung der Musik im Leben
und Denken Martin Luthers. Diss. Münster 1954. Bd. I (Text)
IX. 220 S. Bd. II (Anmerkungen) 90 S.

Der Verfasser will mit seiner Arbeit das für die kürzlich aufgebrochene
Diskussion um das theologische Problem der Musik erforderliche
theologiegeschichtliche Material bereitstellen. Da Luther in einer
äußerst geprägten und umfassenden musikalischen Tradition herangewachsen
ist, wird die mittelalterliche Denkbemühung um die theologische
Bedeutung der Musik zum Ausgangspunkt bestimmt, so weit
Luther mit ihr in Berührung gekommen ist.

Augustin ist in Fragen der Musik für das Mittelalter die Autorität
schlechthin (Confessiones, Enarrationes in Psalmos; De Musica wird
nur gestreift, da für Luther ohne Bedeutung). Weiter werden dargestellt
Thomas von Aquino (Summa theologica II 2), Wilhelm Duranti (Rationale
divinorum officiorum) und Gabriel Biel (Sacri canonis missae
expositio), indem ihre jeweilige Eigenart, das theologische Problem der
Musik zu lösen, nachgezeichnet wird.

In einem zweiten Teil werden Luthers spätmittelalterlicher musikalischer
Bildungsgang sowie seine liturgisch-musikalische Reformarbeit
und sein Liedschaffen behandelt. In Auseinandersetzung mit Vertretern
der Musikwissenschaft wird aufgezeigt, daß Luthers Musikanschauung,
obwohl sie im Kern spätmittelalterlich ist, doch Züge trägt, die auf die
neue Musik des Humanismus hinweisen.

Im dritten Teil der Arbeit wird Luthers Ringen um das theologische
Problem der Musik dargestellt. Der „junge" Luther steht weitgehend
in Abhängigkeit von seinen mittelalterlichen Lehrern, besonders
Augustin. Aber im Ansatz sind doch schon alle die Linien da, die
Luther seit Mitte der zwanziger Jahre ausgeführt hat. Mit dem Neubau
der Sittlichkeit aus Glauben setzt der Kampf gegen das meritorische
Musizieren der Kirche ein. Luther geht daran, die Musik im Zusammenhang
des weltlichen Regimentes Gottes, des geistlichen Regimentes
Gottes (= des Gottesdienstes als Werk Gottes) und des Gottesdienstes
als Werk des Glaubens neu zu verstehen und zu begründen. Von
diesem dreifachen Bezug her hat die Musik für den Christenstand in
der Anfechtung große Bedeutung.

W i n k 1 e r, Dietrich: Grundzüge der Frömmigkeit Heinrich Müllers.
Diss. Rostock 1954.

H.Müller (1631—75, Pastor, Superintendent, Professor in Rostock)
ist bekannt als Vorläufer des Pietismus, der vor allem durch seine Erbauungsschriften
auf weitere Kreise gewirkt hat. Die Arbeit will dieser

allgemeinen Erkenntnis auf den Grund gehen. Dabei ergibt sich, daß
M. sich durchaus auf dem Boden der überlieferten orthodox-lutherischen
Theologie weiß, was besonders in den akademischen Schriften, aber
auch in den Erbauungsbüchern zum Ausdruck kommt. Doch sein eigentliches
Anliegen ist nicht Orthodoxie, auch nicht Moral, sondern subjektives
Erleben der Heilswirklichkeit. Dabei kommt er mit der orthodoxen
Lehre nicht aus und greift zu Ideen Luthers und vor allem der
Mystik.

Da die Problematik des ordo salutis in der Werdezeit des Pietismus
von zentraler Bedeutung ist, wird im ersten Teil der Arbeit davon
ausgegangen und gezeigt: 1. Müller vertritt die imputative Rechtfertigungslehre
, gibt sich 2. aber mit ihr nicht zufrieden, was sich zunächst
darin zeigt, daß er im Rahmen des orthodoxen Schemas Rechtfertigung —
Heiligung letztere betont. 3. Er geht aber noch weiter, indem er großen
Wert darauf legt, daß der Vorgang der Heilsaneignung mit real
erlebten psychischen Vorgängen verbunden sein müsse, und treibt intensive
Selbstbeobachtung. 4. Die Möglichkeit dieses Erlebens ergibt
sich für ihn aus der Vereinigung mit Christus. Er beschreibt sie auch
in Anlehnung an Luthers mit der Rechtfertigung identische unio cum
Christo, nutzt diese aber nicht voll aus, sondern stützt sich mehr auf
Elemente der spekulativen Mystik, die allerdings abgeschwächt werden.
Mit der orthodoxen unio-Lehre hebt er die Identität von Rechtfertigung
und Vereinigung auf; über sie hinaus macht er mit der Mystik
die Vereinigung vom vorhergehenden Entwerdungsprozeß abhängig
5. Seine Vollendung findet das Erleben in der Jesusminne, also in der
bernhardinischen Form der Mystik. Abhängigkeit von Bernhard und
von der „Seelenlust" Joh. Schefflers wird vor allem in einigen Liedern
Müllers deutlich.

Der zweite Teil zeigt die Auswirkung von Müllers Hauptanliegen
im Bereich weiterer theologischer und praktisch-kirchlicher Fragen. Die
Aufnahme der Einungs-Idee bringt es mit sich, daß noch andere mystische
Gedanken in seine sonst weithin orthodoxe Frömmigkeit eindringen
. Er hat aber auch von Luther gelernt, und es ergibt sich, daß
er öfters Lutherzitate in stark mystisch gefärbte Zusammenhänge stellt
(das „produktive Mißverstehen" Luthers z.T. rückgängig macht); andererseits
aber auch den mystischen Gedanken durch Luther und Orthodoxie
die Spitze abbricht. Das Neben- und Ineinander der Motive
wird gezeigt an der Lehre von dem Menschen, der Sünde, den Gnadenmitteln
(Wort: das Interesse ist auf das Innerlichwerden konzentriert;
es klingt der Gedanke der inneren, geheimen Offenbarung an, die sich
auch gefühlsmäßig manifestiert), der Erneuerung (Kreuz, Demut, Nachfolge
, Abkehr von der Weh, Gebet). Das Hauptanliegen Müllers zeigt
sich auch in der Kritik der kirchlichen Zustände und in den Reformforderungen
. Als Hauptmangel wird hohle Äußerlichkeit kirchlichen
Betriebes empfunden, der nicht durch organisatorische Maßnahmen abzuhelfen
ist; M. hat darum wenig Interesse an einer Kirchenreform im
Sinne seiner Rostocker Kollegen Quistorp und Großgebauer. Er zeigt
eher Neigung zur resignierten Absonderung des Frommen und damit
zum Konventikelwesen; nicht an die Menge, sondern an den einzelnen
wendet er sich.

Im dritten Teil wird die Frage der Erlebnisechtheit, die sich vor
allem durch den überschwenglichen Ton seiner Lieder aufdrängt, geprüft
und im Hinblick einerseits auf die barocke Dichtung, andererseits
auf Zeugnisse in Müllers Leben und Schriften bejahend beantwortet.

VON PERSONEN

Carl Stange zum 85. Geburtstag

Der 7. März 1955 ist der 85. Geburtstag von Abt Professor D.D.
Dr. phil. h. c. (Athen) Carl Stange, Göttingen. Seiner Lebensarbeit ist vor
fünf Jahren weithin gedacht worden. Seine stets eigengegründete wissenschaftliche
Tätigkeit auf den Gebieten der Ethik, der Religionsphilosophie
, der Lutherforschung, der Glaubenslehre, der Dante- und Erasmusforschung
, und noch beträchtlich über diese Felder hinaus, war es nicht
allein, die ihm Freunde und Schüler erwarb. Es ging ihm nicht minder
um die Predigt, um die Vortragswirksamkeit, um die Lutherakademie
und um die Zeitschrift für Systematische Theologie, die von ihm ins
Leben gerufen, jetzt in ihrem 23. Jahrgang steht. Auch seine vielfachen
kirchlichen Auslandsbeziehungen sowie seine Fürsorgetätigkeit im ersten
Weltkrieg sollen nicht vergessen werden.

Ein großer Kreis von Menschen, über zwei Menschenalter zurückreichend
, denkt in Verehrung und Anhänglichkeit seiner und seines
Ehrentages. Ihre Wünsche geleiten ihn herzlich auf seinem, nicht immer
leicht gewesenen, Lebensweg.

Berlin Rudolf Hermann

Verzeichnis der wichtigsten Schriften Carl Stanges
aus den Jahren 1950—1955

Zusammengestellt von R. Mau, Berlin

L

Selbständige Schriften
Luther und das Evangelium.

1. Wie Luther zum Reformator wurde.

2. Die Taufe Jesu.

Berlin: Töpelmann 1953. 45 S. 8°. (Studien der Luther-Akademie.
N. F. 2).

Bernhard von Clairvaux.

Berlin: Töpelmann 1954. 55 S. 8°. (Studien der Luther-Akademie
N.F. 3).

Begegnung mit Dante. Zum Verständnis seiner Dichtung.
Göttingen — Frankfurt — Berlin: Musterschmidt (1954). 28 S. 8°.

n.

Aufsätze
Der Prolog des Johannes-Evangeliums.
Zeitschr. f. syst. Theol., 21, 1950-52, 120—141.