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Ausgabe:

1955 Nr. 4

Spalte:

223-224

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Beckmann, Joachim

Titel/Untertitel:

Neuordnung der Evangelischen Kirche der Altpreussischen Union 1955

Rezensent:

Knak, Siegfried

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Seite 1

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223

Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 4

224

Höf er, Josef: Zum Aufbruch der Neuscholastik im 19. Jahrhundert.
Christoph Bernhard Schlüter, Franz von Baader und Hermann Ernst
Plaßmann.

Historisches Jahrbuch 72, 1953 S. 410—432.

Lang, Hugo: Die Versammlung katholischer Gelehrter in München-
St. Bonifaz vom 28. IX. bis l.X. 1863.
Historisches Jahrbuch 71, 1952 S. 246—258.

M c C 1 o y, Shelby I.: Persecution of the Huguenots in the 18th Century
.

Church History XX, 1951 S. 56—79.
Mecenseffy, Grete: Susanna Katharina von Klettenberg.

Zeitschrift für Kirchengeschichte. Vierte Folge, III, LXV. Band, 1953/
54 S. 65—104.

KIRCHENKUNDE

Beckmann, Joachim: Neuordnung der Evangelischen Kirche der alt-
preußischen Union. Antwort an ihre Kritiker. Gütersloh: Bertelsmann
[1951]. 32 S. 8°. DM-.80.

Die Verspätung der Besprechung dieser Schrift ist die Folge
eines Mißverständnisses des Referenten. Die Schrift ist aber noch
heute aktuell, da die Kritik an der Neuordnung auch heute noch
lebendig ist und die wesentlichen Einwände hier zur Sprache kommen
. Die Generalsynode dieser Kirche, vor der dies Referat als
Einführung zu der 2. Lesung der Neuordnung gehalten wurde, hat
den Inhalt durch den Beschluß zur Drucklegung auf ihre Verantwortung
genommen.

Die Einwände, mit denen sich B. auseinandersetzt, kommen
vornehmlich aus den Kreisen der VELKD. Dort hatte man erwartet
, daß die Kirche sich nach dem Zusammenbruch auflösen
und den „Gliedkirchen", den ehemaligen Provinzialkirchen Gelegenheit
zur Selbstbezeichnung als lutherische oder reformierte
Kirchen geben würde. Der Fortbestand der Kirche der Union war
für sie eine Enttäuschung. Die Kritik z. B. in einem Artikel von
Goltzen in der Ev. luth. K. Z. von 1951 richtete sich gegen das
Wesen dieser Unionskirche, die keine Einheit sein könne, da sie
verschiedene Bekenntnisse zur Grundlage habe; sie sei keine
„Notwendigkeit", sondern nur „Restauration", entstanden aus
einem „AntiVELKD-Komplex". Sie sei eine verkleinerte Ausgabe
der EKiD und in Wirklichkeit ein Hindernis für deren Aufgaben;
eine Auflösung würde wahrscheinlich die westlichen Gliedkirchen
zu lutherischen, die östlichen zu lutherischen gemacht haben. Die
konfessionellen Unterschiede in der Sakramentsauffassung müßten
die kirchliche Entwicklung lähmen, während die VELKD, in
der es auch schon Unterschiede gebe, fortschreitend mehr Kirche
werde durch Vereinheitlichung der Kirchenordnungen, der Gesangbücher
und des Gottesdienstes. Entsprechend reformierter
Auffassung seien die episkopalen und konsistorialen Faktoren
stark eingeschränkt und alles Gewicht den Synoden beigelegt
worden. Ein einheitliches Schriftverständnis fehle. Schon deshalb
sei eine kirchliche Einigkeit unmöglich.

B.s Antwort zeigt die grundsätzliche Verschiedenheit der
Lutheraner in der VELKD und der Lutheraner der Union, zu
denen sich B. rechnet, sehr deutlich. Schon die Vorstellung, daß
eine Kirchengemeinschaft durch gleiche Kirchenordnungen, Gesangbücher
, Gottesdienstordnungen, „fortschreitend mehr Kirche
werden" könne, lehnt B. mit Recht ab. Denn dabei handelt es
sich ja nur um die geschichtliche Erscheinung der Kirche, nicht
aber um ihr Wesen. Nicht solche Dinge, die für die geschichtliche
Gestalt einer Kirche Bedeutung haben, entscheiden die Frage, ob
man es mit echter Kirche zu tun habe, sondern die Verkündigung
und die Verwaltung der Sakramente, das heißt also die Bekenntnisgrundlage
der Kirche. Aber auch da ist zwischen Bekenntnisschriften
und Bekenntnis zu unterscheiden. Die von Goltzen erhobene
Frage nach dem Schriftverständnis ist in der Tat die entscheidende
Frage. Gäbe es für die Reformierten und die Lutheraner
verschiedene „Schlüssel" oder „Türen" zur hl. Schrift, wie
Goltzen meint, so würde nicht einmal ein Kirchenbund, geschweige
eine gemeinsame Kirche zwischen beiden möglich sein. In
Wahrheit aber haben beide ein und dasselbe Schriftverständnis,
weil bei beiden das sola fide und das sola scriptura der Ausgangspunkt
, der Schlüssel zum Verständnis der Schrift ist. Für die Re-
formierten brauche man nur einmal Frage 60 im Heidelberger
Katechismus einzusehen, um volle Klarheit darüber zu haben.
Die Unterschiede zwischen den beiderseitigen Lehrausprägungen
werden dabei nicht geleugnet. B. bejaht die Aufzählung, die
Prof. Dreß als Lutheraner aus der Union dafür gibt: Wesen des
geistlichen Amts, Auftrag der Kirchenleitung und der Synode,
Wesen des Gottesdienstes und der Sakramente, Verhältnis von
Gesetz und Evangelium, von AT und NT. Aber die Folgen, die
Dreß davon furchtet, nämlich die Unmöglichkeit, bekenntnismäßig
zu handeln, da jedesmal das Vetorecht der bekenntnismäßig
denkenden Gruppen lähmend auf die Entschlußfähigkeit einwirken
müsse, teilt B. nicht, da ja aus diesen Unterschieden nie
ein „Damnamus" der andern folgen müsse — was auch Dreß nicht
annimmt, 'diese Unterschiede also nicht kirchentrennenden Charakter
haben. Außerdem betont B. mit Recht, daß die Kirche
nicht auf einer Theologie aufgebaut ist, sondern auf dem Evangelium
. Theologische Verschiedenheiten habe es auch innerhalb
der lutherischen Kirche, wie in jeder andern, gegeben — so im
Streit um die Kenosislehre oder heute über die Bultmannprobleme
. Eine Vergewaltigung der Gewissen kann nicht eintreten,
da ja in Bekenntnisfragen nie Majoritätsbeschlüsse zugelassen
sind, und es auch den Gemeinden jedesmal freisteht, in solchen
Fragen dem eigenen Bekenntnis zu folgen. Goltzens Behauptung,
daß man sich nicht einmal in der Taufpraxis einigen könne, wie
die Barthschen Bedenken über die Taufpraxis zeigten, widerlegt
B. durch den Hinweis auf die Taufordnung der Westfälischen
Kirche, die, von beiden Seiten angenommen, zeige, daß zwischen
der lutherischen und der reformierten Taufpraxis volle Einmütigkeit
bestehe. Hier zeige es sich, wie an andern Stellen, daß
Goltzen von der Theorie aus urteile, ohne die kirchliche Wirklichkeit
zu kennen.

B. verschweigt nicht, daß es noch ungelöste Fragen und
ernste Gefahren für diese Kirche gibt, wie denn überhaupt seine
Schrift durch ihre maßvolle Sprache anzieht. Dreß' Sorge, daß
hier eine „Konsensusunion" im Werden sei, teilt zwar B. nicht,
sieht aber die Gefahr. Die Warnung von Wulf Thiel, mit dem er
sich zuletzt kurz beschäftigt, die große Freiheit, die den Gliedkirchen
gelassen sei, könne zur schließlichen Trennung führen,
und anderseits die Verharmlosung der Lehrunterschiede stehe als
Gefahr am Rande dieser Kirchenordnung, nimmt B. durchaus
ernst und mit ihm die Synode, die trotz aller solcher Bedenken
den Entwurf sanktionierte.

Zusammenfassend ist mit B. zu sagen, daß es sich hier nicht
um die Frage gehandelt hat, wie sie Goltzen formuliert: Ist
diese Kirche eine Notwendigkeit oder eine Restauration? Denn
an was für eine „Notwendigkeit" wäre da zu denken? Ist die
VELKD eine Notwendigkeit? oder der Lutherische Weltbund?
oder die EKiD? Und „Restauration"? handelte es sich denn um
eine Neugründung? Die Kirche der altpreußischen Union war
ja da — sowohl de jure wie de facto! Die Frage war vielmehr
die, ob es Gehorsam gegen den Herrn der Kirche war, die vorhandene
Kirche aufzulösen oder sie zu erhalten und zeitgemäß
umzugestalten? Die theologische Rechtfertigung lag darin zu
Tage, daß hier das sola fide, sola gratia, sola scriptura, also ein
eindeutiges und einiges Schriftverständnis zugrunde liegt. Fragt
man, ob diese Kirche ein Existenzrecht innerhalb der EKiD hat,
so ist darauf zu verweisen, daß die Gemeinschaft in Verkündigung
, Sakramentspraxis und in der Willigkeit, aufeinander zu
hören, nur eine Bereicherune der EKiD sein kann. Die kritischen
Bedenken aber zeigen nur die Aufgaben, die in dieser Kirche zu
lösen sind. Man lasse ihr Zeit, zu zeigen, was für Kräfte in ihr
wirksam sind.

Berlin Siegfried Knak

Die Lage der Protestanten in katholischen Lindern
. Zollikon-Zürich: Evang. Verlag 1953. 203 S. 8°. Kart.
DM 7.60.

Den Titel dieses Buches muß man genau zitieren, denn es
wird nicht etwa eine vollständige Übersicht gegeben über d i e
katholischen Länder, in denen auch Protestanten leben, und über
die Lage, in der sich Protestanten überall in katholischer Umwelt