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1955

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Kirchengeschichte: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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217 Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 4

Adolf (seit 1654 an der Regierung) als Jüngling ein Jahr lang im
Hause Dannhauers verkehrt hatte, — diese Verbindungen im
Wechselspiel mit dem Wirken der Quistorp, Lütkemann, Großgebauer
, H. Müller waren mächtig, die Orthodoxie zu mildern
und zu verlebendigen. Um so bemerkenswerter, daß später der
Pietismus nur mühsam Eingang im Lande fand, — es sind fürstliche
Personen, die ihm den Weg bereitet haben: die Prinzessin
Augusta in Dargun und der Herzog Friedrich, der sich Ernst den
frommen von Gotha zum Vorbild genommen hatte. Auf die
theologische Wissenschaft suchte derselbe Friedrich durch Döder-
lein zu wirken, mit dessen Hilfe in Bützow eine neue Universität
errichtet wurde, die aber bald wieder zum Erliegen kam. Dem
Rationalismus fehlt wieder das Extreme, das ihm schon in den
nächstbenachbarten Kirchen — z. B. Rügen — eigen ist. Die Pastoren
sind wadcere Supranaturalisten, die ehrlich den Glauben
der Väter mit der Geistigkeit der Zeit in Einklang zu bringen
suchten. Vor allem ist die kurze Aera der Erweckungszeit von
sprießendem Leben erfüllt, das in den Anfängen des christlichen
Vereinswesens, in freien Predigervereinen, in der beginnenden
Arbeit der Inneren Mission, vor allem aber in Persönlichkeiten
des Adels und der Theologenschaft zum Durchbruch kommt. Ein
besonderes Glanzstück kritischer Darstellungskunst ist die Schilderung
der Aera Kliefoth. Schmaltz versagt dem großen Theologen
und Kirchenführer die Hochachtung nicht, sieht aber in
seinem Wirken auch dunkle Schatten. Da eine zureichende Biographie
Kliefoths fehlt, sei auf die umfangreiche Darstellung bei
Schmaltz mit Nachdruck verwiesen, weil hier die Grundlagen des
Geschichtsbildes gelegt sein dürften.

4. Endlich sei über schon Gesagtes hinaus auf Persönlichkeiten
und Vorgänge verwiesen, welche nicht der Geschichte einer
kleinen Landeskirche allein, sondern dem Gesamtprotestantismus
zugehören. Daß Kliefoth und der Rostocker Frühpietismus
"ier zu nennen sind, dürfte sich von selbst verstehen. Aber auch
Leonhard Christoph Sturm, der erste Theoretiker des evangelischen
Kirchenbaus, ein radikaler, unruhiger Pietist und Freund
Gottfried Arnolds, gehört der Gesamtkirchengeschichte an, —
Schmaltz hat ihm interessante Ausführungen gewidmet (148).
Auch sei auf Nicolaus Stenonis (Stensen), den gelehrten konvertierten
Dänen, verwiesen, der eine Zeitlang von Schwerin aus
als apostolischer Vikar des Nordens wirkte. Sein Erscheinen steht
•in Zusammenhang mit einer fast unbekannten Geschichte von
Rekatholisierungsversuchen und Konversionen, an der in Zukunft
die Erforscher der Kirchengeschichte nicht vorbeigehen
werden. Natürlich ist auch der von Kliefoth und Krabbe verfolgte
unglückliche * Michael Baumgarten als eine dem Gesamt-
protestantismus zugehörige prominente Erscheinung zu nennen,
neben ihm der nur wenig unglücklichere Julius Wiggers. Daß
Rostock neben Göttingen eine frühe Pflanzschule dogmengeschichtlicher
Forschung war, mag der Bearbeiter der Theologiegeschichte
vermerken, desgleichen die Tatsache des befremdlich
geringen exegetischen Studiums im Zeitalter der Orthodoxie. Da
der kenntnisreiche Schmaltz die Bewegungen in der Landeskirche
immer mit der allgemeinen Zeit- und Geistesgeschichte zusammenführt
, ist Anlaß zur Achtsamkeit auf das Buch allgemein
gegeben.

Fehler in der Darstellung, die unbedingt genannt werden müßten,
sind uns nicht begegnet. Nur auf S. 481 findet sich ein ärgerlicher Druckfehler
(„die Bahrdtsdie Theologie der Krisis' "). Ein nicht mehr zu
behebender Schade der Edition ist das Versäumnis, ein Sachregister beizufügen
, — ein Fehler, der die laufende Arbeit ungemein erschwert und
die Wirksamkeit des Buches hemmen wird.

Zur Entstehungsgeschichte des dritten Bandes sei noch vermerkt
, daß die Druckbogen schon vor dem Tode des Verf.
('•11.1940) fertig vorlagen, die Herausgabe des Buches aber
durch den Nazismus verhindert wurde. Der abrupte, unorganische
Schluß läßt vermuten, daß die Herausgeber hier gestrichen haben,
während sonst das Manuskript unangetastet geblieben zu sein
scheint. Leider ist das Papier mäßig.

Keiner war wie Schmaltz zu dem Unternehmen gerüstet,
die Kirchengeschichte Mecklenburgs zu schreiben. Er hat nicht
nur seine ganze Amtszeit als Pastor der mecklenburgischen Kirche
geschenkt, sondern immer aufs neue das Land durchstreift, Überlieferungen
gesammelt, Archive durchforscht, Vorarbeiten ver-

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öffentlicht, deren Frucht nun in sein dreibändiges Werk eingegangen
ist. Der einzige Versuch einer Gesamtdarstellung vor
Schmaltz wurde 1840 von Julius Wiggers unternommen, in der
wertvollen, aber kompendienhaften „Kirchengeschichte Mecklenburgs
".

Gerhard Voß schrieb ein warmherziges Nachwort „In me-
moriam Karl Schmaltz".

Rostock _ O. Holli

Beiträn de Heredi a, Vincente: La Cancileria de la Universi-

dad de Salamanca.

Salmanticensis 1, 1954 S. 5—49.
B o r k e n h a g e n, Erich: Zur Restaurierung von Pergamenturkunden.

Mit 4 Abbildungen.

Ardiivalische Zeitschrift 49, 1954 S. 169—171.
Brohl, Paul: Archivalienrestaurierung im Historischen Archiv der
Stadt Köln.

Ardiivalische Zeitschrift 49, 1954 S. 163—167.
C r a m e r, Maria: Das Koptische und die Entzifferung der Hieroglyphen.
Ein Beitrag zur Geschichte der Koptologie in Europa.
Oriens Christianus. Hefte für die Kunde des christlichen Orients 37,
1953 S. 116—131.

D e m e t e r, Karl: Das Bundesarchiv Abteilung Frankfurt a. M. Entstehung
, Aufgabe, Tätigkeit.
Ardiivalische Zeitschrift 49, 1954 S. 111—125.

D u v a 1, A., C o n g a r, Yves M.-J.: Bulletin d'histoire des institutions
chretiennes.

Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques XXXVIII, 1954
S. 681—731.

Feyl, Othmar: Die führende Stellung der Ungarländer in der internationalen
Geistesgeschichte der Universität Jena. (Beiträge zu einer
Geschichte der Ostbeziehungen der Universität Jena bis zum Beginn
des 19. Jahrhunderts.)

Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe 3, 1953/54 S. 399—445.
G o 1 d i n g e r, Walter: Schatzgewölbe und Kanzleiarchive in Österreich.
Ardiivalische Zeitschrift 49, 1954 S. 9—25.

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Lietzmann, Hans: Geschichte der alten Kirche.

I. Die Anfänge. 3. Aufl. VII, 327 S.

II. Ecclesia catholica. 2. Aufl. VIII, 339 S.

III. Die Reichskirche bis zum Tode Julians. 2. Aufl. VIII, 347 S.

IV. Die Zeit der Kirchenväter. 2. Aufl. IV, 200 S. Berlin: de Gruy-
ter 19 53. 8°. Bd. I—IV zus. Lw. DM 44.—.

Es ist sehr erfreulich, daß das große Werk Hans Lictzmanns
in neuer Auflage erscheinen kann. Mit seinen hohen Vorzügen,
die nicht nur auf guter Kenntnis der Literatur, sondern vor allem
auf gründlicher Lektüre der Quellen und eigener Anschauung
der archäologischen Denkmäler beruhen, wird es nicht schnell
veralten. Es bleibt der gültige Ausdruck einer heute zwar sdion
zurückliegenden, aber von der Gegenwart unerreichten Epoche,
die durch die Weite des Blicks, die Fülle der Interessen und Beziehungen
und die Verbindung mit den Nachbardisziplinen ausgezeichnet
ist. #

Worin die Gegenwart über diese Betrachtungsweise doch
hinausstrebt, ist in der Besprechung der einzelnen Bände (I. Band:
Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 4, II. Band 1937 Nr. 4,
III. Band 1939 Nr. 4, IV. Band 1948 Nr. 1) ausgesprochen. Darauf
ist ohnehin zu verweisen, da es sich jetzt nur um einen unveränderten
Nachdruck handelt, — abgesehen von der Umsetzung
wenigstens der ersten drei Bände von Fraktur in Antiqua. In der
Vorbemerkung zur 2. Auflage des I. Bandes hatte Hans Lietzmann
eine „sachliche Nachprüfung" nach Abschluß des ganzen,
auf fünf Bände berechneten Werkes in Aussicht genommen. Der
Verlag hat doch wohl daran getan, eine solche nicht durch einen
Anderen vornehmen zu lassen. Wie es ist, stellt das Werk eine
so abgeschlossene, in sich vollendete Leistung dar, daß sie unangetastet
bleiben muß, auch wo der Verfasser selbst durch eigene
oder fremde Forschung sich zu Korrekturen veranlaßt gesehen
haben würde. Unter den Schutz dieser Unantastbarkeit sind auch
die wenigen Druckfehler gestellt!

Oöttingen H. Dörries