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Ausgabe:

1955 Nr. 3

Spalte:

179

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Osswald, Eva

Titel/Untertitel:

Urform und Auslegung im masoretischen Amostext 1955

Rezensent:

Osswald, Eva

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179

Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 3

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Werkes und den Leiter der deutschen Heimatgemeinde, die Glieder
der Stiftskirche ihren Prälaten und Stiftsprediger, Herren des
Oberkirchenrates und der Evangelischen Kirche in Deutschland
den Kirchenführer mit seinem Blick für die Aufgaben im Innern
und seinen weltweiten Beziehungen, die Diener der Diakonie den
demütigen Christen, der nichts anderes sein wollte, als ein Diakon
, der zum Dienen rief, die Männer der Mission den Missionar
im Dienst der jungen Kirchen in der Ökumene, und der Herausgeber
als Freund seit der Studentenzeit den Theologen mit den
zahlreichen fruchtbaren Ansätzen theologischen Arbeitens, von

deren Umfang eine fast vier Seiten umfassende Übersicht nur das
Allerwichtigste heraushebt. Man staunt über die nicht zu zü-
gelnde Arbeitskraft des reichbegabten, fröhlichen tapferen Christen
und wird sich beim Lesen der sich von aller Übertreibung
fernhaltenden Darstellung voll ehrfürchtiger Bewunderung dessen
bewußt, wie Großes der Christenheit in Karl Hartenstein geschenkt
war. Sein Leben ist mehr als eine Biographie. Es umfaßt
ein wichtiges Stück der Kirchen- und Missionsgeschichte aus
Deutschlands schwerster Zeit.

Tübingen M. Sehl unk

Referate über theologische Dissertationen in Maschinenschrift

O ß w a 1 A Eva: Urform und Auslegung im masoretisdien Amostext.
Ein Beitrag zur Kritik an der neueren traditionsgeschichtlichen Methode
. Diss. Jena 1951. 211 S.

Das Ziel der Untersuchung ist, in Auseinandersetzung mit den
Ansichten der Vertreter der „schwedischen Schule" eine Klärung in
methodischer Hinsicht zu geben.

In der Einleitung wird ein Überblick über die von der bisherigen
Forschung zur Erfassung eines prophetischen Textes angewandten Methoden
dargeboten, unter besonderer Berücksichtigung der Arbeit der
traditionsgeschichtlichen Schule. Der Überbewertung der mündlichen
Tradition durch H. S. Nyberg, H. Birkeland, I. Engneil u. a. und der
damit zusammenhängenden Behauptung Birkelands und Engneils, daß es
unmöglich sei, in einem Prophetentext zwischen Urform und Auslegung
zu scheiden, werden S. Mowinckels Ansichten als die zutreffenderen
gegenübergestellt, der sowohl mit mündlicher als auch mit schriftlicher
Überlieferung rechnet und die Möglichkeit zugibt, bis zu den „ipsis-
sima verba" der Propheten vorzudringen.

Im Hauptteil wird die Problematik, die mit der traditionsgeschichtlichen
Fragestellung verbunden ist, an dem relativ in sich geschlossenen
Amostext dargelegt. Von den Einzeleinheiten ausgehend, wird zunächst
mit Hilfe literarischer und vor allem formgeschichtlicher Kriterien die
Auslegung von der Urform getrennt.

Nach dieser Analyse wird versucht, die Geschichte der Tradition
zu erkennen und so die literarische Gestalt des Amosbuches zu erklären.
Wenn es auch nicht möglich ist, das Schicksal eines Prophetenwortes
von seiner Urform bis zu seiner Endgestalt zu verfolgen, so wird das
Wirken der Tradition doch an einigen Punkten des Sammlungsprozesses
und der Auslegung erfaßbar. Ein einheitliches Prinzip für die
Sammlung ist nicht erkennbar. Verbindende Bemerkungen und vielleicht
auch Zusammenstellungen nach bestimmten Gedankengängen
weisen darauf hin, daß eine Tendenz zur Schaffung größerer Einheiten
besteht. Die Visionen sind durch die Tradition auseinandergerissen
worden, gehören aber ursprünglich eng zusammen, wie aus dem gleichen
Aufbau und der durch die Anordnung erreichten Steigerung, die
sich auch sonst bei Arnos findet, hervorgeht.

In Art und Tendenz der Auslegung, die in Streichungen und Zusätzen
wirksam ist, spiegeln sich verschiedene sachliche und praktische
Interessen wider. Ausfälle, die an einigen Stellen aus formgeschichtlichen
Gründen angenommen werden müssen, erklären sich durch Harmonisierungen
oder durch Abschwächungen von Drohungen (Verlust der
Israelstrophe nach Am. 2, 6 und der Drohung nach Am. 4, 12b). Bei den
Erweiterungen lassen sich redaktionelle, erklärende, einschränkende,
liturgische, eschatologische u. a. Zusätze unterscheiden.

Schließlich wird herausgestellt, daß kein Grund vorliegt, in Bezug
auf die Urheberschaft des Arnos an der Korrektheit der Tradition zu
zweifeln.

In einem dritten Abschnitt werden die am Amostext gewonnenen
Ergebnisse durch Vergleich mit anderen atl. und außeratl. Texten erhärtet
, wobei vor allem eine Auseinandersetzung mit A. Kapelruds
Untersuchung des Buches Joel gegeben wird.

Als Ergebnis wird herausgestellt, daß es trotz aller Schwierigkeiten,
die die hebräische Traditionsliteratur bietet, nicht erforderlich ist, auf
jede Analyse des Endproduktes des Traditionsprozesses zu verzichten.
Die traditionsgeschichtliche Methode, die im ganzen ein wertvolles
Korrektiv zur älteren Literarkritik darstellt, liefert manche bedeutenden
Gesichtspunkte. Ausschließlichkeitsanspruch darf für sie, ebenso wie
für jede andere Methode, nicht erhoben werden. Die Lösung der traditionsgeschichtlichen
Probleme wird in der Richtung des von S. Mo-
winckel gewiesenen Weges zu suchen sein.

R ä c k e, Günther: Gesetz und Evangelium bei Calvin. Diss. Mainz 195 f.

Die Untersuchung über die Lehre von Gesetz und Evangelium bei
Calvin konnte sich zunächst an H. H. Wolfs Studie über die Einheit des

Bundes bei Calvin (Bethel 1942) anschließen und wesentliche Erkenntnisse
von ihr übernehmen. So ist im Gefolge Wolfs herausgearbeitet
worden, daß die Calvinsche Konzeption von der Einheit des Bundes
zwangsläufig die von der Einheit von Gesetz und Evangelium nach sich
zieht. Über aller Unterschiedenheit beider Größen, die Calvin nicht leugnen
will, betont er ihre Einheit, welche sich daraus ergibt, daß Gesetz
und Evangelium Funktionen innerhalb des einen Gnadenbundes haben.
Aus diesem Faktum kann aber nicht die Konsequenz gezogen werden,
daß Calvin, wie es neuerdings K. Barth getan hat, das Gesetz nur noch
als Form des Evangeliums wertet. Diese Folgerung Wolfs trifft nicht zu.
Ist doch streng zu unterscheiden zwischen Gesetz und Evangelium als
administrationes des Bundes und aeterna voluntas Dei und gratuita
adoptio als Inhalten der substantia foederis. Es ist nun durchaus richtig,
daß in der sich stets gleichbleibenden Bundessubstanz eine Priorität der
auch als Evangelium (doppelter Evangeliumsbegriff!) bezeichneten
gratuita adoptio vor der aeterna voluntas Dei besteht. Im heilsgeschichtlichen
Prozeß jedoch, wo die termini „Gesetz" als offenbarte aeterna
voluntas und „Evangelium" als offenbarte gratuita adoptio erst eigentlich
verwandt werden können, ist solche Priorität nicht anzutreffen.
Das Gesetz ist für Calvin nicht Form des Evangeliums, sondern, genau
wie auch das Evangelium, Form (d. h. administratio) des Bundes und
kommt im heilsgeschichtlichen Ablauf vor dem Evangelium zu stehen. —

Die gleiche Tatsache konnte auch im zweiten Teil der Untersuchung
beobachtet werden, in dem es um die Frage der Ethik geht. Hier
wurde deutlich, daß Calvin die Inhalte der Ethik, sofern er sie in der
Auslegung der 10 Gebote dartut, ausschließlich in der Schöpfung begründet
sieht und in keiner Weise über das Verhältnis von Forderung
und Verwirklichung der Forderung reflektiert. Darüber hinaus zeigte
sich in diesem zweiten Abschnitt die Ausrichtung der gesamten Ethik
Calvins (auch der in III, 6—10 gegebenen) auf die Norm des Gesetzes.
Auch das geistgewirkte Leben des Christen bleibt immer solcher Norm
unterworfen. Das Gesetz als tertius usus legis gibt somit der Calvinschen
Ethik ihr entscheidendes Gepräge.

Im dritten und letzten Teil wurden Gesetz und Evangelium bis in
den Gottesbegriff zurückverfolgt und als in die Heilsgeschichte projizierte
Eigenschaften Gottes selbst erkannt (iustitia und misericordia
Dei). Als Analogie für die Unterschiedenheit von Gesetz und Evangelium
fand sich im Gottesbegriff jenes Gegenüber von iustitia und misericordia
in Form einer gleichschwebenden Doppelheit. Der Oberbegriff
der maiestas bzw. gloria Dei, in dem solche Doppelheit letztlich
begründet liegt, spiegelt demgegenüber die für Calvin so charakteristische
Einheit von Gesetz und Evangelium wider.

Redhardt, Jürgen: Das evangelische und das katholische Dostojewski
-Bild. Diss. Mainz 1954.

Verf. hat sich die Aufgabe gestellt, das in der deutschen evangelischen
und katholischen Theologie über den aus der griechisch-orthodoxen
Tradition stammenden russischen Dichter Dostojewski erschienene
Schrifttum zu sammeln und kritisch zu untersuchen. Er legt die
Gründe dar, die zur Beschäftigung mit D. geführt haben. Die Dostojewski
-Interpretation ist vor dem 1. Weltkrieg spärlich. Sie läßt sich
weniger von religiösen als von ästhetischen Gesichtspunkten leiten. Die
Bewertung D.s geschieht auf dem Hintergrunde eines idealistischen Humanismus
und fällt deshalb meist negativ aus. Das ändert sich grundlegend
in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts, also in der unmittelbaren
Nachkriegszeit. Es sind besonders Vertreter der dialektischen
Theologie (Thurneysen, Barth), die D. entdecken. Die Deutung erfolgt
im Sinne der dialektischen Kulturkritik, für die D. als Kronzeuge herangezogen
wird. Es entsteht in einigen Kreisen eine ausgesprochene D.Verehrung
. Das ändert sich, als die geistige Verarbeitung des Kriegserlebnisses
in Deutschland abgeschlossen ist. Nunmehr setzt — wahrscheinlich
im Zusammenhang mit der ökumenischen Bewegung in der
Evang. Kirche — das historische Interesse am „östlichen" Christentum
ein und damit auch eine neue Phase der D.-Interpretation.