Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1954 Nr. 3

Spalte:

169-170

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Schilling, Kurt

Titel/Untertitel:

Geschichte der Philosophie 1954

Rezensent:

Hessen, Johannes

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

169

Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 3

170

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

1. Schilling, Kurt: Geschichte der Philosophie. I.: Die alte Zeit.
456 S., 2 Abb., 16Taf., 3 Ktn. IL: Die Neuzeit. 2., verb. Aufl.
Das christlich-germanische Mittelalter. 2., verb. u. umgearb. Aufl.
688 S., 55Taf. gr. 8°. München/Basel: Reinhardt 195 1/53. L: DM
15.-. Lw. 18.— ; IL: Lw. DM 28.—.

— Geschichte der Philosophie. Heidelberg: Winter 1949. VIII, 248 S.
8° = Winters Studienführer, hrsg. v. W. Anders. Gruppe Kulturwiss.
DM 6.90; geb. DM 8.70.

2. Hirschberge r, Johannes: Geschichte der Philosophie. 2 Bde.
I. Altertum und Mittelalter. II. Neuzeit und Gegenwart. Freiburg:
Herder 1949 u. 1952. XVI, 476 S. u. XVII, 641 S. gr. 8°. Bd. I DM
18.-, Lw. DM 21.-; Bd. II DM 26.-, Lw. DM 29.50.

3. Vorländer, Karl: Geschichte der Philosophie. 9. Aufl. l.Bd.:
Altertum und Mittelalter. Neu bearb. u. mit Literaturübersicht versehen
v. Erwin M e t z k e. Mit einem Schlußkapitel v. Ernst Hoffmann
. Hamburg: R. Meiner [1949]. XV, 433 S. 8°. Hlw. DM 13.50.

1. Das jetzt in zweiter Auflage vorliegende Werk des Münchener
Philosophen ist von der Kritik mit Recht als eine gediegene
Leistung bezeichnet worden. Es beruht auf umfassenden
Quellenstudien und bietet den Stoff in klarer Gliederung und
ansprechender Form dar. Nach der Intention des Verfassers soll
es ein Lehrbuch für Studenten sein, das bei der Vermittlung des
lernbaren Stoffes die Philosophie so betrachten lehrt, daß sie auch
nach dem Examen Wert und Bedeutung für das Leben behält. Im
ersten Band werden unter dem Titel „Die alte Welt" zunächst
„die Griechen" und dann „das Zeitalter des jenseitigen Gottes"
behandelt. Diese Kennzeichnung ist nicht glücklich. Sie trifft auf
den Neuplatonismus zu, nicht jedoch auf das Urchristentum und
Augustin. Wer mit dem biblischen Denken vertraut ist, dessen
Strukturvcrschicdenhcit vom griechischen gerade durch die jüngsten
Forschungen in helles Licht gerückt ist, kann darüber nicht
im Zweifel sein. Wenig glücklich ist auch die Behandlung der
mittelalterlichen Philosophie unter dem Titel „Die neue Welt".
Im zweiten Band gliedert der Verfasser die Philosophie der Neuzeit
nach Nationen, so daß hier die Italiener, die Franzosen, die
Deutschen und die Engländer der Reihe nach behandelt werden.
Bei der Darstellung der deutschen Philosophie werden die meisten
Leser ein Eingehen auf die aktuellste Strömung, die Existenzphilosophie
, schmerzlich vermissen. — Die hervorgehobenen Mängel
tun der Leistung des Verfassers keinen wesentlichen Abbruch.
Sie können in einer Neuauflage leicht beseitigt werden und wollen
lediglich als Anregungen zu einer weiteren Vervollkommnung
des Werkes verstanden sein.

Einen kurzen Auszug aus seinem Werk hat Schilling in der Schriftenreihe
„Winters Studienführer" mit dem Titel „Geschichte der Philosophie
" (248 S.) bei C.Winter in Heidelberg 1949 veröffentlicht.

2. Auch Hirsch bergers Werk will ein Handbuch für
das Studium der Philosophiegeschichte sein. Es will aber, wie der
Verfasser im Vorwort betont, nicht bloß referieren, sondern philosophieren
, indem es das Werden des philosophischen Gedankens
um dieses Gedankens willen sichtbar macht. Im ersten Band
wird die platonische und aristotelische sowie vor allem die scholastische
(thomistische) Philosophie eingehend dargestellt. Als
katholischer Theologe bringt Hirschberger für diese Darstellung
besondere Voraussetzungen mit. Damit hängt es freilich auch zusammen
, daß die tiefe Problematik oder besser Aporetik gerade
des thomistischen Systems nicht herausgestellt wird. Im zweiten
Band erfährt besonders die Philosophie Kants und des deutschen
Idealismus eine ausführliche Behandlung. Dankbar wird der Leser
dem Verfasser dafür sein, daß er auch die modernsten Strömungen
, den dialektischen Materialismus, den Neupositivismus und
den Existentialismus, in die Darstellung einbezieht. So ist das
lebendig geschriebene Werk, das eine imposante Leistung darstellt
, in jeder Weise geeignet, seinen Zweck zu erfüllen.

Für eine Neuauflage möchte ich dem Verfasser nahelegen, die
Philosophie der Gegenwart nicht mit Hegels Tode beginnen zu lassen,
Eduard von Hartmann nicht so stiefmütterlich zu behandeln und mich
selbst nidit mehr zu den ontologistischen Interpreten der augustinischen
Noctik zu zählen. (In meinem Werk „Augustins Metaphysik der Erkenntnis
" (1931) habe ich mich doch wohl deutlich genug von dieser
heute überwundenen Interpretation distanziert.)

3. Alle, die das erstmals 1902/03 in zwei handlichen Bänden
erschienene und seitdem immer wieder neu aufgelegte Lehr-
und Lernbuch Vorländers kennen und schätzen, werden sein
Wiedererscheinen freudig begrüßen. Diese Neuauflage weist eine
weit stärkere Umgestaltung auf als die früheren Auflagen. Die
Erforschung der alten wie der mittelalterlichen Philosophie hat
in den letzten Jahrzehnten so viele neue Ergebnisse zutage gefördert
, daß nicht nur in allen Kapiteln Änderungen notwendig wurden
, sondern darüber hinaus ganze Abschnitte neu geschrieben
werden mußten. Der Herausgeber, E. M e t z k e, hat diese Aufgabe
mit vorbildlicher Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit gelöst.
Besonders dankenswert sind seine Literaturübersichten, die in
den heutigen Stand der Forschung einführen und die neugewonnenen
Gesichtspunkte kurz und klar hervorheben. Hoffen wir,
daß auf diesen ersten Band der zweite bald folgen und eine ebenso
musterhafte Neugestaltung erfahren wird.

Köln Johannes Hessea

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Koch, Kurt E., Dr. theol.: Seelsorge und Okkultismus. Die seelsorgerliche
Behandlung der Mensdien, die durch die Beschäftigung mit okkulten
Dingen seelisdi angefochten oder erkrankt sind. Eine praktischtheologische
u. systematische Untersuch, unter Berücksicht. der medizinischen
und psychologischen Grenzwiss. Wüstenrot: Reith Verl.
[1953]. 335 S. gr. 8°. Kart. DM 11.80; Lw. DM 13.80.

Es handelt sich um eine Dissertation, die der ev. theologischen
Fakultät Tübingen vorgelegen hat und für deren Veröffentlichung
die Professoren Faber und Köberle die Verantwortung
übernahmen. Köberle schrieb auch ein Geleitwort. Der Verlag
hat Empfehlungen der Theologen Rendtorff-Kiel und Blanke-
Zürich und der Mediziner Siebeck-Heidelberg und Urban-Innsbruck
beigefügt.Von ihnen erscheint Blanke im Text des Buches
als Opponent. Der Verfasser ist in Süddeutschland und in der
Schweiz als Jugendpfarrer und Evangelisationsprediger bekannt
und trat bisher als Autor volksmissionarischer Schriften hervor.
Wir erfahren, daß er das der Untersuchung zugrundegelegte Material
in fünfzehnjähriger seelsorgerlicher Tätigkeit gesammelt
hat. Es ist dann einer zwiefachen Siebung unterworfen worden:
aus allen Berichten der seelsorgerlichen Sprechstunde wurden zunächst
600 Fälle okkulter Behaftung für des Verfassers Vorarbeiten
ausgewählt, die dann in einer zweiten strengeren Auslese
auf c. 120 Beispiele reduziert wurden und der Öffentlichkeit
übergeben sind. Ihre Wiedergabe geschieht in skizzenhafter
Form, wie sie bei der Veröffentlichung psychotherapeutischer Behandlungsfälle
üblich geworden ist. Über die Prinzipien der doppelten
Auslese erfahren wir nichts, weswegen wir in diesem wichtigen
Punkt auf Rückschlüsse aus dem Inhalt des Buches angewiesen
sind, worauf wir weiter unten zurückkommen. Außer dem
eigenen Material wird in wenigen Fällen auf ältere Literatur zurückgegriffen
.

Die okkulten Teilgebiete, auf die näher eingegangen wird,
seien hier in Auswahl genannt: die spiritistischen Phänomene der
Totenerscheinung, des Tischrückens, des Tranceredens und des
automatischen Schreibens, die telepathischen Probleme (Wahrtraum
, Hellsehen, Hellfühlen), die mantischen Phänomene (Kartenlegen
, Chiromantie, Astrologie, Pendelei), der magische Komplex
(Besprechen, Blutverschreibung, Fetischismus u. a.), endlich
die Phänomene des Spuks und der Materialisation. Der Verfasser
beweist durchgehend seine Vertrautheit mit dem Stand der wissenschaftlichen
Forschung; sowohl über die medizinischen wie
die psychologischen und parapsychologischen Fragen ist er unterrichtet
, z. T. erstaunlich gut, so daß er sich sicher auf dem wissenschaftlichen
Parkett bewegen kann. Unter den Grundsätzen,
die ihn bei seiner Arbeit leiteten, finden sich die folgenden:
1. die exakte medizinisch-psychologische Erforschung der Phänomene
hat den Vorrang; 2. bei ungeklärten Fragen „darf keine
Flucht ins Übersinnliche erfolgen, solange noch stichhaltige rationale
Erklärungsmöglichkeiten bestehen" (16). Bei solcher Grundeinstellung
versteht sich von selbst, daß die Thesen Drieschs
oder E. v. Hartmanns bei der Erörterung des Hellsehens diskutiert
werden, um nur ein Beispiel unter vielen herauszugreifen.