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Ausgabe:

1954 Nr. 3

Spalte:

152-154

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Sacris Erudiri; 5 1954

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 3

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bei A. nichts davon sichtbar, daß dieser Hypothesenbau höchst umstritten
ist (erst recht nichts davon, daß er im Grunde über einer — Textlücke
errichtet ist, die im Habakuk-Kommentar zwischen Kol. VIII und
IX vorliegt).

Konnte man beim Lesen bisher — wenn einem freilich das
nicht seltene Übersehen mancher bedeutsamen Einsichten der
neueren Forschung über die Zusammenhänge der neutestament-
lidien Botschaft (auf das wir nicht weiter eingehen konnten) auffiel
— noch der Meinung sein, das Ziel des Vfs. sei mit unserem
einleitenden Satz richtig gekennzeichnet, so läßt das krönende
Kap. (S. 176—228) eine tiefere Absicht erkennen. Merkwürdig
erschien allerdings auch schon die geflissentliche Betonung, mit
der immer wieder von dem Gott des Judentums zur Zeit Jesu
als „Jahwe dem Stammesgotte" gesprochen wurde (S. 41, vgl. 46.
60. 71. 151). Man stutzte wohl auch bei dem Satz: Jesus bleibt
„der Morgenländer aus einem Volkstum semitischer Sprache und
wird darum dem abendländischen Geiste nie unmittelbar . .. verständlich
werden" (S. 132); immerhin wurde er in diesem Zusammenhang
anschließend etwas abgemildert. Nun geht einem in
dem Schlußkapitel, das „Die Aufnahme der Botschaft im Abendland
" bis zum jüngsten „Siege der Bekennenden Kirche über die
Vernunft" (S. 217) skizziert, auf, daß jener Satz die eigentliche
iVleinung des Vfs. wiedergibt, während in Kap. III die Unterschiede
zwischen der Botschaft Jesu, die freilich mit bestimmten
Zügen der semitischen Frömmigkeit in religionsgeschichtlicher
Verbindung steht, und der abendländischen Religion und Philosophie
noch weithin ohne ausgesprochene Werturteile aufgezeigt
waren. Der Charakter des Buches als einer Kampfschrift wird
— um von den nicht wenigen Ausfällen gegen die Kirchen und das
Christentum als ganzes abzusehen — schließlich in der Behauptung
sichtbar, das Christentum habe dem Abendland keine Hebung
der Sittlichkeit gebracht; diese verdanke es dem Deismus
und der Aufklärung (S. 220—23). Versagt habe das Christentuni
gegenüber den Aufgaben, die in den Gegebenheiten Staat und
Gemeinschaft, Wissenschaft und Kunst beschlossen liegen (S. 223—
27).

Die Ausbreitung des paulinisch-augustinischen Christentums
ist, so meint A., „erst nach Aussterben der eigentlichen Hellenen
und Römer möglich geworden" (S. 179; das Christentum
erscheint hier als eine Religion der Minderwertigen [S. 178 f.] ).
Mit der „Besinnung des Abendlandes auf sich selbst" (S. 181),
die sich nach A. besonders in Renaissance und Humanismus und
vollendet in der Goethezeit ereignete, trat an die Stelle der
transzendenten Gottesvorstellung Jesu die „von einem innerweltlichen
... und innerseelischen Gotte" (S. 182, vgl. 195); „das
Nahen der Gottesherrschaft als einer Offenbarung von außen her"
deutet „der abendländische Geist" in ein mystisches Schauen um
(S. 196). Die Personalität und Willensbestimmtheit der Gottesvorstellung
Jesu widerstreben dem abendländischen Geist ebenso wie
der aus jener sich ergebende Gedanke der Offenbarung im „Wort"
und in der Geschichte (S. 203—208). Die Erwartung der Auferstehung
und des Ewigen Lebens wird ersetzt durch den Gedanken
der „Zeitlosigkeit der erkennenden oder der sich in sich
selbst versenkenden Seele" (S. 190); daß die „Unvereinbarkeit"
beider Vorstellungen „endlich eingeschärft worden ist", wird als
Verdienst der dialektischen Theologie anerkannt (S. 194). Sie
hat auch „mit Recht" festgestellt, „daß Christentum und Humanismus
nicht verbunden werden können" (S. 198): „die Forderung
der Nächstenliebe" wird in einer „eigengesetzlichen Sittlichkeit
, wie sie Jesu fremd gewesen war", aus der Menschenwürde
gefolgert; deren Wiederentdeckung tritt der Auffassung
Jesu entgegen, der „den Menschen als sündiges Geschöpf Gottes
gesehen" hatte (S. 183 f., vgl. 197).

Mit höchstem Erstaunen sehen wir — um von anderen grundsätzlichen
Fragen zu schweigen, die das Buch wachruft — hier gewisse
Sätze aus der jüngsten Vergangenheit wiederauftauchen.
Gewiß hat der Vergleich volkstümlich bedingter Verschiedenheiten
geistiger Strukturen seine wissenschaftliche Berechtigung
nicht zuletzt im Blick auf die Arbeit am Urchristentum erwiesen.
Der Art jedoch, wie der Vf. ihn in unumschränkten Werturteilen
zu absoluten Setzungen ausweitet, muß m. E. um der Wissenschaftlichkeit
der historischen Forschung willen eindeutig
und scharf widersprochen werden. Oder könnten wir so schnell

vergessen haben, wie wahrhaft todbringend die Früchte von diesem
Baum angeblicher Erkenntnis sind?

Halle/S. Oerhard Delling

KI HOHEN GESCHICHTE: ALLGEMEINES

Sacris Erudiri. Jaarboek voor Godsdienstwetenschappen. V, 1953.
Uitgave van de Sint Pietersabdij, Steenbrugge. Brügge: Beyaert, Den
Haag: Nijhoff [1953]. 432 S. gr. 8°. bfr. 320.—

Auch dieser V. Band des „Jahrbuchs" ist eine große Gabe an
die gelehrte Welt. Die Absicht unserer Anzeige in der ThLZ
kann nur sein, auf den reichen Inhalt im einzelnen aufmerksam
zu machen. F. Vandenbroucke, Sur la lecture chretienne
du psautier au V' siecle, nimmt B. Fischers Terminologie „Chri-
stologisierung von oben", „Christologisierung von unten" (B. Fischer
, Die Psalmenfrömmigkeit der Märtyrerkirche, 1949) her,
um das Material in dem von A. Wilmart und L. Brou herausgegebenen
Werke The Psalter-Collects from V—VIth Century Sour-
ces, London 1949 (three series) auf die Verchristlichung der
Psalmen im Breviergebet hin zu prüfen. Dem Literalsinn tragen
diese Gebete (V. nennt sie lieber „Orationen" als „Kollekten")
mehr Rechnung, als man erwartet hätte. Die „Christologisierung
von oben" (Christus Deus; der Psalm an Jahveh ist oratio ad
Christum Dominum) und die „Christologisierung von unten"
(Christus Homo; der Psalm ist vox Christi ad Patrem oder vox
ecclesiae cum Christo ad Patrem) ist gleichmäßig beteiligt, keine
Art überwiegt. Doch muß darauf hingewiesen werden, daß in den
Psalm-„Orationen" dieser Art Christus als Erlöser und die Mysterien
des Heils oft auch dann vorkommen, wenn im Psalm selbst
kein Anlaß hierzu liegt. (Der Vandenbrouckesche Aufsatz ist für
die Erforschung von Luthers Psalmenauslegungen, z. B. in den
Dictata super psalterium, eminent wichtig). — Meinrad S t e n z e 1,
Die Konstanzer und St. Gallener Fragmente zum altlateinischen
Dodekapropheton, hat in des Tyconius Dodekapropheton eine
ähnliche Ubersetzerart entdeckt wie sie im Ez-Text der genannten
Fragmente, der aus dem Gesamten herausfällt, an der Arbeit
ist. Daß aber „vom Tyconiustyp aus der Weg über Cyprian zu
einer urafrikanischen Übersetzung der Gesamtbibel führt", das
bleibt vorläufig Hypothese. — Gustave B a r d y, Les origines des
ecoles monastiques en Occident, vertritt die These, daß für das
5. Jhdt. weder in Afrika noch in Italien noch in Gallien Kloster-
Bildungsschulen für Kinder und junge Leute nachweisbar sind. —
I. M a d o z, Citas y reminiscencias clasicas en los Padres espano-
les, untersucht die spanischen Kirchenväter auf Zitate aus den
klassischen Schriftstellern der Antike. Es erweist sich, daß außer
bei Orosius und Pacianus die Zitate meist aus zweiter oder dritter
Hand sind. — Alexander O 1 i v a r, Der 186. Sermo des pseu-
doaugustinischen Anhangs, findet in der Predigt Perpetui mu-
neris zwei Bibclzitate aus der Vetus Latina anstatt aus der Vul-
gata: a.) Zu Tob. 2, 1: Ibam ad Pentecosten diem festum, qui
est sanctus a scptimanis; b.) Zu Apg. 2, 13: quia musto repleti
sunt. Olivar gibt einen geläuterten Text der Predigt Perpetui
muneris. — Alfons K u r f e s s, Critica Latina, macht an zwei in
der „Clavis Patrum Latinorum" (ed. Dekkers und Gaar) erschienenen
Editionen Verbesserungen, a.) am Ludus VII Sapientum
des Ausonius, b.) an den Sortes Sangallenses. — Dlazy Diaz,
Isidoriana I, beweist, daß De ordine creaturarum nicht Isidor angehört
; diese Ansicht übernahm Dekkers in die „Clavis Patrum
". — Alban D o 1 d, Fragmente zweier eigentümlicher Sakra-
mentar-Formulare aus der Epiphaniezeit, bringt eine photographische
Abbildung der in Frage kommenden Teilchen des Cod.
Theol. et Philos. Fol. Q 203 der Württembergischen Landesbibliothek
und liest und rekonstruiert den Text. Außer Formularen
zum Epiphaniefest enthält das Stück solche zum I. post Theo-
phaniam, und diese entsprechen dem Cod. Paduanus (ed. Moniberg
) und dem Cod. Ottobonianus 313 (dort zur fer. III. der Li-
tania-Major-Woche). — H. Silvestre, Notices et extraits des
Manuscripts 5413-22, 10098-105 et 10127—44 de la Biblio-
theque Royale de Bruxelles, setzt ersteres MS. ins 9. Jhdt., letzteres
ins 8./9. Jhdt., das mittlere ins 13. Jhdt.; der Inhalt: Exzerpte
aus mancherlei Schriften, besonders Kirchenvätern, in
Nr. 10 127—44 vielleicht das älteste Reisebrevier. — E. D e k-