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Ausgabe:

1954

Spalte:

146

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Cornelius, Friedrich

Titel/Untertitel:

Geschichte des Alten Orients 1954

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologisdie Literaturzeitung 1954 Nr. 3

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ter" geschrieben habe. „Tiefer zu gehen zwingt nichts. Selbst
wenn der Chronist gegen den samarischen Tempel auf dem Ga-
rizim polemisiert haben sollte . . ., bringt uns das nicht weiter,
weil wir schlechterdings nicht wissen, wann dieser gegründet
wurde" (S. XXV). So lehnt Verf., m. E. mit Recht, die Spätdatierung
des chronistischen Werkes ab, wie sie neuerdings M. Noth
versucht hat.

Für das richtige Verständnis von Esra/Nehemia ist es besonders
wertvoll, daß in der Einleitung eine „Skizze der in Esra''
Nehemia berichteten Ereignisse auf Grund der kritisch geprüften
chronistischen Darstellung" geboten wird (S. XXVI). Danach
gliedert sich der ganze zu behandelnde Stoff in mehrere Abschnitte
. Ein erster Zeitraum umfaßt die Periode von 538 bis
515, d.h. vom Edikt des Kyros IL, das im Rahmen einer weitgefaßten
Restaurationspolitik auch den Wiederaufbau des Tempels
zu Jerusalem vorsieht, bis hin zu dessen endgültiger Fertigstellung
am 23. Adar 515. Aus der zweiten Periode zwischen 515
und 445 liegt nur Esra 4, 6 f.; 8—23 vor, woraus hervorgeht, daß
der Wiederaufbau Jerusalems als Stadt unter Artaxerxes I. am
Widerstand der Samarier scheiterte. Der dritte Zeitabschnitt umfaßt
die erste Wirksamkeit des Nehemia, die sich von 445 bis 433
erstreckt. Nach Ablauf dieser Zeit kehrt Nehemia an den Königshof
zurück, nach Meinung des Verfassers, „doch wohl in der Erkenntnis
, daß die unbefriedigenden religiösen und kultischen
Verhältnisse in Jerusalem einer Reform bedurften, die er als
Laie nicht leisten konnte, und in der Absicht, die Inangriffnahme
einer solchen Reform in die Wege zu leiten" (S. XXVI f.).

In die nunmehr folgende vierte Periode der Reform versetzt
Verf. den Esra, der in Abwesenheit des Nehemia in Jerusalem
wirkt. In der historisch-politischen Bewertung Esras folgt
Verf. mit Recht den grundlegenden Forschungen von H. H.
Schacder. Mit der chronologischen Einordnung hinter Nehemia
dagegen steht Verf. auf dem Boden einer These, die van
Hoonacker seit 1890 vertritt und der sich Forscher wie Bertholet
, Haller, Guthe, Albright, Bentzen und Noth angeschlossen
haben. Nicht weniger als sieben, teilweise sehr einleuchtende
Gründe führt Verf. an, um zu zeigen, daß Esra nach der ersten
Tätigkeit des Nehemia gewirkt haben müsse. Man wird ihm gern
zugeben, daß in der Tat durch diese Ansetzung das historische
Problem, das die Esra-Überlieferung bietet, relativ am besten
gelöst ist, jedenfalls besser als durch andere Ausgleichsversuche,
ganz abgesehen von dem fragwürdigen und vom Standpunkte
des Historikers bedenklichen Bemühen, die Gestalt des Esra überhaupt
in das Reich der Legende zu verweisen. Daß freilich die
Tätigkeit des Esra mit einem Mißerfolg endet, ist auch die Meinung
des Verfassers; jedoch würde man gerade an dieser Stelle
eine etwas kritischere Würdigung der geschichtlichen Situation
in Jerusalem und eine stärkere Lösung vom Standpunkt des
Chronisten erwarten (S. 67 ff.; 8 5 ff.). Am Schlüsse steht noch
ein fünfter Zeitabschnitt, in den eine zweite, zeitlich nicht näher
zu bestimmende Amtsperiode Nehemias als Statthalter in Jerusalem
fällt; über ihren Ausgang erfahren wir heute nichts mehr.

Die Einleitung schließt, abgesehen von einer umfangreichen
Literaturauswahl, mit einem Abriß der Theologie des Chronisten.
Sie bietet zahlreiche wertvolle Hinweise. Das eine oder andere
Bedenken mag vielleicht auftauchen, wenn man Sätze liest wie:
„Die politische Freiheit des religiös geeinten Israel lag offenbar
noch nicht im göttlichen Heilsplan. Hätte der Chronist in echter
eschatologischer Gespanntheit (?) gelebt, müßte man davon trotz
der gegenüber der persischen Regierung gebotenen Vorsicht. . .
seinem Werke mehr anspüren" (S. XXX).

Die Einzelexegese, deren ausführliche Besprechung den Rahmen
einer kurzen Rezension überschreiten würde, zeichnet sich
durch eine treffliche philologische Akribie aus. Abgesehen von
der sorgfältigen Einzelinterpretation, wird es der Leser dankbar
begrüßen, daß Verf. mit Exkursen und Zusammenfassungen
nicht gespart und, soweit ich sehe, keine wesentliche Fragestellung
übergangen hat.

Ein besonderer Vorzug des Kommentars besteht darin, daß
dem Leser zwar die ganze Fülle der divergierenden Meinungen,
wie sie gerade in bezug auf Esra/Nehemia besteht, vorgeführt
wird, daß es aber der Verf. immer wieder erfolgreich versteht,

durch die verschiedensten Theorien und Aspekte hindurch einen
wissenschaftlich gangbaren, Extreme vermeidenden Weg der Auslegung
zu finden. Es ist möglich, daß bei dieser Methode der
mehr kritisch eingestellte Forscher nicht in jedem Falle ganz auf
seine Rechnung kommt. Dies trägt jedoch dem Tatbestande nicht
das geringste ab, daß der neue Kommentar zu Esra und Nehemia
für den Studierenden ein vortreffliches Hilfsmittel zum Einzelstudium
wie zur wissenschaftlichen Mitarbeit im Seminar darstellt,
daß das genannte Werk darüber hinaus aber auch dem Fachgenossen
nicht nur einen ausgezeichneten Überblick über den derzeitigen
Stand der Forschung, sondern auch wertvolle Anregungen
zu eigener Weiterarbeit zu geben vermag.

Jena Kudolf Meyer

Cornelius, Friedrich, Dr. habil.: Geschichte des Alten Orients.

Stuttgart: Kohlhammer 1950. 129 S. 8° = Schaeffers Abriß aus Kultur
u. Geschichte. Abt. I. Geschichte. 3. Bd. kart. DM 5. 40.

Dem Charakter der Sammlung, in der es erschienen ist, entsprechend
bietet das vorliegende Buch keine zusammenhängende
Darstellung der Geschichte des Alten Orients, sondern eine lose
Aneinanderreihung der wichtigsten Tatsachen aus ihr, wobei neben
der politischen die Geschichte von Wirtschaft, Gesellschaft,
Kultur, Kunst und Religion ganz zu ihrem Recht kommen. Der
ungeheure Stoff wird in der Weise bewältigt, daß — von der Einleitung
(S. 7-10) sowie der Schlußbetrachtung, dem von Transkription
und Chronologie handelnden Anhang, dem Verzeichnis
des Schrifttums und dem Register (S. 116—129) abgesehen — der
zu berücksichtigende Zeitverlauf in diese fünf Teile gegliedert
ist: Die schriftlose Vorgeschichte (S. 11-13), Die Flußtalkulturen
des dritten Jahrtausends (S. 14-50), Der Alte Orient und die
Indogermanen im 2. Jahrtausend v. Chr. (S. 51-72), Von Moses
bis Alexander (S. 73-109), Die hellenistische Zeit (S. 110-115)
gegliedert wird. Kann man hinsichtlich der aus dem Stoff zu treffenden
Auswahl auch hier und da anderer Meinung sein als der
Verfasser, so ist doch die von ihm getroffene aufs Ganze gesehen
zu billigen.

Manche Einzelangaben bedürften der Begründung oder auch der Berichtigung
, so die S. 7 und S. 16 mitgeteilte Herleitung des Namens
„Syrer" von „Subaräer" oder „Subari"; die S. 9 aufgestellte Behauptung
, daß die Assyriologie seit Schräder und Delitzsch eine vorwiegend
deutsche Wissensdiaft sei, was doch leider schon seit dem ersten Weltkrieg
nicht mehr zutrifft; die S. 77-78 ohne Kritik mitgeteilte Angabe
der „Überlieferung", daß die Israeliten unter den Hyksos nach
Ägypten gekommen seien und daß Josua die zwölf oder doch 9lA Stämme
über den Jordan geführt und das Westjordanland an sie verteilt habe
. Die Nötigung, sich kurz zu fassen, hat insbesondere bei der Wertung
religiöser Phänomene zu Einseitigkeiten und Sdiicfheitcn geführt,
etwa: „In zunehmendem Maße wurde die Religion des Keilschriftkreises
eine Aufpeitschung der Sinne im plötzlichen Übergang von Weh
zur Lust" (S. 20); „Die Religion der Kanaanäcr war in den Grundzügen
der babylonischen ähnlich, nur daß sie die Unsitten noch stärker
pflegte" (S. 58); Der Phöniker „Religion richtete sich an die alten
kanaanäisdien Gottheiten. Sie bevorzugten dabei die sinnlichen und
grausamen Kulte" (S. 81). Eigenartig ist der Versuch, die in nachexi-
lischer Zeit eingetretene Umwandlung des Judentums in eine dualistische
Religion auf die in Palästina zurückgebliebenen Arier zarqthu-
strischen Glaubens, die seit dem Alexanderzug von ihrem Volk abgeschnitten
und unter den Juden aufgegangen waren, zurückzuführen
(S. 114).

Trotz der gegen Einzelheiten geltend zu machenden Bedenken
aber gilt es, daß das Buch seine Aufgabe, in die Geschichte
des Alten Orients einzuführen und zum Verständnis für ihre
wichtigsten Tatsachen anzuleiten, in vollem Maße zu erfüllen
vermag.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

NEUES TESTAMENT

B u 11 m a n n, Rudolf: Theologie des Neuen Testaments. 2. u. 3. Lief. Tübingen
: Mohr 1951/53. S. 349—608 gr. 8° = Neue Theol. Grundrisse.
Subskr. Preis Lfg. 2 DM 3.60; Lfg. 3 DM 6.60.

Durch die Ausgabe einer 2. Lieferung (1951) und einer
3. Lieferung (1953) ist R. Bultmanns „Theologie des Neuen Testamentes
" zum Abschluß gekommen. Die beiden Lieferungen
setzen den 2. Teil: „Die Theologie des Paulus und des Johannes"