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Ausgabe:

1954 Nr. 2

Spalte:

123-124

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Mumm, Reinhard

Titel/Untertitel:

Theologische und christologische Begründung des Rechts in der evangelischen Theologie der Gegenwart 1954

Rezensent:

Mumm, Reinhard

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 2

124

der koptischen «ars praedicandi». Auf die Benutzung dieser Homilien
in Homiliaren und Lektionaren, ihre liturgische Stellung, ihre Bedeutung
für die Mönche, eventuelle Überarbeitungen und Revisionen wird
hingewiesen und damit gleichzeitig Punkte angedeutet, an denen die
weitere Forschung einsetzen muß.

Ein Anhang bietet die Monatsteilung des koptischen Jahres.

M u in m, Reinhard: Theologische und christologische Begründung des
Rechts in der evangelischen Theologie der Gegenwart. — Eine Studie
zum Problem einer evangelischen Rechtstheologie. Diss. Heidelberg
19 52.

Die Diss. gibt in einem einleitenden Teil eine Übersicht über das
Problem einer theologischen Begründung des Rechts und seine Geschichte
etwa während der letzten 30 Jahre. Das Jahr 194 5 und die
nachfolgende Zeit offenbarte eine tiefgehende Rechtsnot. Kann die evangelische
Theologie in dieser Not eine Hilfe und Weisung geben? Die
theologische Arbeit hat sich um Antworten bemüht. Der Vf. behandelt
in zwei weiteren Teilen ausführlich die theologische und christologische
Begründung des Rechts bei K. Barth, A. de Quervain, J. Ellul und Erik
Wolf. (Vgl. hierzu die von R.Mumm früher veröffentlichten Aufsätze:
,,Jesus Christus, der Herr alles Rechts" / Zeichen der Zeit 1948 S. 255 ff.
und „Um eine evangelische Begründung des Rechts" / Junge Kirche
1^49 S. 73 ff.). In der Fülle der Literatur zu diesem Thema, die das
der Arbeit angefügte Verzeichnis anzeigt, weisen die Arbeiten der vier
genannten Gelehrten besonders in die Richtung einer christ.olo-
g i s c h e n Rechtsbegründung.

Der dritte Teil der Studie wendet sich der Kritik eben dieser chri-
stologischen Rechtsbegründung zu. Zuerst ist zu fragen: was lehrt die
Hl. Schrift Alten und Neuen Testaments über Recht und Gerechtigkeit,
Bund und Gesetz? Wie steht Jesus zum Recht, wie Paulus und das
übrige NT? Was sagt die Bibel zum Naturrecht? (Das Kirchenrecht muß
als ein Sondcrproblem aus diesen Fragen ausgeklammert werden.) So
wenig die Hl. Schrift uns unmittelbar heute bindende Rechtssätze liefern
kann, so sehr gibt sie doch bestimmte Grundsätze zum Problem
des Rechts für die Lehre der Kirche. „Das NT lehrt keine christologische
Rechtsbegründung, kein Aristokratisches Recht; denn Christi
Königsherrschaft ist noch verborgen. Vielmehr lehrt das NT in Übereinstimmung
mit dem AT, daß das Recht in dem Willen Gottes, des
Vaters Jesu Christi, begründet und von Gott, dem Schöpfer und Erhalter
der Welt, als eine Anordnung seiner Geduld für die Zeit bis
zum Endgericht den Menschen gegeben ist. Da Gott sich durch Christus
den Mensdien offenbart hat, erkennt der Mensch Gottes Willen zum
Recht durch diese seine Offenbarung in seinem Sohn. Diese einmalige
und entscheidende Funktion der Offenbarung in Christus schließt aber
nicht aus, daß Gott das Recht allen Menschen, auch den Nicht-Christen,
gegeben hat. Aufgabe der Kirche als der Christusgemeinschaft ist es,
allen Völkern und Menschen zur Erkenntnis des Rechts nach Gottes
Willen zu helfen durch ihre Lehre, durch das prophetische Wort und
durch das Beispiel der Christen."

Die Bekenntnisschriften der evang.-luth. Kirche treffen mit ihrer
Unterscheidung (nicht Trennung I) der geistlichen und der bürgerlichen
Gerechtigkeit eine unübersehbare Wahrheit der christlichen Lehre.
„Die Autorität Gottes, der sich in Jesus Christus offenbart, ist die
bleibende oberste Autorität für das Recht." Aber „Gottes ewige Gerechtigkeit
und das von Gott kommende menschliche Recht sind bis
zur Wiederkunft Christi voneinander verschieden." (S. 278) Dies ist
als der wichtigste Grundsatz der Bekenntnisschriften für eine evangelische
Lehre vom Recht festzuhalten, ungeachtet dessen, daß einzelne
Aussagen der Bekenntnisse zum Recht von der Hl. Schrift her in Frage
zu stellen sind.

Die besonders von K. Barth vorgetragene christologische Rechtsbegründung
legt ein Zeugnis von dem sieghaften Glauben an die Auferstehung
Jesu Christi von den Toten und Seine Herrschaft über Himmel
und Erde ab: „Die Verantwortung des Christen dem Recht gegenüber
erwächst nicht zuerst aus seinem Gehorsam gegen das Gesetz, das
er doch nicht erfüllen kann und vor dem er verzagen muß, sondern
diese Verantwortung des Christen erwächst aus dem dankbaren fröhlichen
Gehorsam gegenüber dem Herrn, der uns erlöst hat und uns
heiligen will. Nicht das Recht und sein Inhalt, wohl aber die Verantwortung
der Christen gegenüber dem Recht darf und soll so christo-
logisch begründet sein." (S. 313) Aber „die christologische Rechtsbegründung
hat den Fehler, daß sie Christi Königsherrschaft und der
Christen Leben im Recht zu kurzschliissig miteinander verbindet. Sie
übersieht, daß Christi Herrlichkeit noch verborgen ist, daß wir noch
„im Fleische" leben in der Hoffnung auf die Vollendung der Welt. Die
gefährlichen Folgen einer solchen kurzschlüssigen Verbindung zwischen
der Rechtfertigung und dem Recht sind in der Kritik aufgezeigt worden
. Deshalb muß es dabei bleiben, daß beide in der Unterschiedenheit
verbunden, aber auch in der Verbundenheit unterschieden zu sehen
und zu lehren sind." (S. 316)

Abschließend wird ein Entwurf für eine theologische Begründung
des Rechts in Verbindung mit dem trinitarischen Dogma und eine ethische
Weisung für das Recht gegeben (letztere ist nur als ein Versuch
anzusehen, der dem Gespräch mit sachkundigen Christen dienen
soll). Das Recht gründet in Gott dem Schöpfer und Erhalter, in
Gott dem Erlöser und in Gott, der die Welt vollenden wird. „Das
geistliche Regiment Gottes in diesem Aon kann nicht bestehen ohne
das weltliche Regiment und sein weltliches Recht. Das weltliche Regiment
ist angewiesen auf das geistliche Regiment und bedarf seiner:
Das Recht ist nicht abzulösen von dem Heilsweg Gottes. Es ist Gottes
Wille, daß sein Recht und seine Rechtfertigung einander gegenüberstehen
, voneinander unterschieden und doch nicht getrennt in der Zeit,
aber hingerichtet auf die Vollendung der Welt in seinem ewigen
Reich." (S. 349)

Nauck, Wolfgang: Die Theologie der Pastoralbriefe, 1. Teil: Die
philologischen und theologischen Voraussetzungen. Diss. Göttingen
19 50.

Der erste Teil der „Theologie der Pastoralbriefe", deren II. Teil
den Untertitel „Verkündigung und Lehre" tragen soll, sucht die
Grundlagen für eine gerechtere Interpretation dieser Briefe zu schaffen.
Da die Frage der Echtheit der Pastoralbriefe, ihres Verhältnisses zu den
echten Paulusbriefen, bisher nicht befriedigend gelöst werden konnte,
muß sie vorerst ebenso zurückgestellt werden wie die Frage der Autorschaft
des 4. Evangeliums und seines Verhältnisses zu den Synoptikern.
Um eine Basis zur Interpretation der Pastoralbriefe (Past.) zu gewinnen,
wird in der Untersuchung gefragt: Woher stammt der Verfasser (Vf.),
welches ist seine geistige Heimat?

Vier Fragen werden zur Lösung aufgegeben: 1. Das Verhältnis
des Vf. zum Judentum, 2. zum Rabbinat und 3. zum Hellenismus.
4. wird gefragt: Ist das Denken des Vf. vom Judentum oder vom Hellenismus
her bestimmt? Diese Fragen werden in zwei Hauptabschnitten
untersucht: A. Der judenchristliche Verfasser und B. Der rabbinisch
geschulte Verfasser.

Der Tatbestand: der grammatikalische Tatbestand zeigt, daß
der Stil des Vf. vom Semitischen beeinflußt ist (häufige Umschreibung
des Gottesnamens durch das Passiv; überwiegend semitische Wortstellung
, bei der die Stellung des Verbs am Satzanfang vorherrscht; Gebrauch
des exklusiven $ = ]?; semitisdie Genitivverbindungen). Dieser
starke jüdische Einfluß beim Vf. wird bestätigt durch Untersuchungen
seines Begriffs- und Formelschatzes. Endlich sprechen auch für das gewonnene
Resultat zwei „Selbstbekenntnisse" des Vf. zu seiner jüdischen
Vergangenheit (2. Tim. 1,5 und 3, 15 f.).

Bei der Frage nach dem Denken des Vf.. die zur Interpretation
seiner Aussagen gestellt werden muß, muß die starke hellenistische
Komponente in Rechnung gestellt werden: Der Wortvorrat des Vf.
gehört, wie die Untersuchungen von H. J. Holtzmann, Th. Nägcli,
P. N. Harrison und M. Dibelius gezeigt haben, der gehobenen hellenistischen
Lhngangssprache an. Die erste Frage muß lauten: Welche Bedeutung
hat die starke Diskrepanz zwischen dem gehobenen hellenistischen
Wortschatz und einer semitisch bestimmten Syntax? Antwort: Da die
Frage, wie ein Autor denkt, nicht an seinem Wortschatz, sondern an
seinem Stil, d. h. an der syntaktischen Zuordnung der einzelnen Glieder
seiner Aussagen, abgelesen werden muß, darf der hellenistische Wortvorrat
der Past. nicht zum Ausgangspunkt ihrer Interpretation genommen
werden. Die zweite Frage heißt: Wie erklärt sich bei dem jüdisch
denkenden und mit semitischem Stil schreibenden Vf. der glänzende
hellenistische Wortvorrat? Antwort: Der Vf. interpretiert für seine
Leser seine jüdischen Gedanken mit guten hellenistischen Worten. Dies
konnte im Falle des Sündenkataloges (l.Tim. 1,9—10) und der Formel
maibi ö löyo; xai näarjg änodoxijs «f<oc (l.Ttaj. 1,15 und 4,9)
gezeigt werden. (Die zweite Hälfte der Formel ist die hellenistische
Interpretation der ersten Hälfte, die vom Judentum übernommen wurde).

Im zweiten Hauptabschnitt wird zunächst an Hand einer Llntcr-
suchung über die Gemeindcordnung der Past., der ein Exkurs über das
Problem des nQsoßvxsgog in den Past. beigefügt ist, die Wahrscheinlichkeit
nahelegt, daß der Vf. durch die Schule des Rabbinats gegangen
sein muß. (Dafür sprechen: seine Auffassung des Ritus der Ordination,
seine gottesdienstlichen Anweisungen, wie etwa seine Aussagen über
das Gebet und über die Pflichten und Rechte der Männer und Frauen;
seine Empfehlung der ihm aus seiner jüdisch-rabbinischen Schulung
bekannten Kirchenzuchtverfahren und seine jüdisch-rabbinische Altersstufeneinteilung
[vgl. l.Tim. 5,9 und 2. Tim. 3,15]). Diese Wahrscheinlichkeit
wird bestätigt und gesichert durch eine Untersuchung der
Sehriftauslegungsmethoden des Vf. der Past. An drei Stellen treten klar
die rabbinischen Auslcgungsmcthoden in die Erscheinung (l.Tim. 5,18;
2. Tim. 3,8 und l.Tim. 2, 13—15a). In der letzterwähnten Stelle wurde
ein kurzer Midrai erkannt, der sich eng an die Regeln der rabbinischen
Schriftauslegung anlehnt. Mit dieser Erkenntnis wird die Auslegung