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Ausgabe:

1954 Nr. 2

Spalte:

111-113

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Mastrelli, Carlo Alberto

Titel/Untertitel:

L'Edda, Carmi Norreni 1954

Rezensent:

Schneider, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 2

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den Hirtenring an den Finger (der seit dem 9. Jahrhundert als
Vermählungsring galt) und der König gibt ihm den Bischofsstab;
sofort wird der Auserwählte in die Kathedrale geführt und dort
auf den Bischofsstuhl gsetzt — damit war er Bischof, und die
Bischofsweihe kam nachher. Dagegen das kanonische Recht verlangte
seit dem II. Nicaenum (787), dem IV. Constantinopoli-
tanum (869—870) und seit dem I. Lateranense (1123) die kanonische
Wahl, seitdem IV.Lateranense (1215) die Wahl durch
das Domkapitel (aber in Skara, dem västergötländischen Bischofssitz
, gab es damals noch kein Domkapitel, erst in der 2. Hälfte
des 13. Jahrhunderts kommen in Schweden Bischofswahlen durch
die Domkapitel auf). In Deutschland und Italien war das
Investiturrecht des Königs schon 1122 (Wormser Konkordat) abgeschafft
. Nylander vermag es wahrscheinlich zu machen, daß
noch in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts der König von Schweden
in seinem ganzen Reiche die Investitur ausübte, also 100
Jahre länger als in Deutschland. Aber durch die Synode von
Skänninge (1248) wurde das Studium der Dekretalen anbefohlen,
so kam der Umschwung, der aber 12 50 (Brief Innozenz IV. an den
Erzbischof von Upsala) noch nicht eingetreten war, 1276 (König
Magnus Erikssons Deklaration) jedoch Wirklichkeit wurde.
Nylander erwägt die Folgen für das hohe und niedere Benefizial-
wesen.

Was die Pfarrei anlangt, so ging die Initiative zum Kirchenbau
und zur Gemeindegründung von den Bauern aus, erst zur
Einweihung wurde der Bischof gerufen. Patronus war das Kirchspiel
. Beim Ableben des Pfarrers herrschte ein recht verschiedent-
liches Hinterlassenschaftsrecht, das nicht einfach das kanonische
war. Die Verwaltung des Vermögens usw. hatte der Pfarrer mit
dem Kirchspiel, nidit der Pfarrer allein. (Wie das in den Klöstern
Schwedens war, das zu untersuchen hält Nylander der Forschung
wert). Interessante Eigentümlichkeiten bestanden in Schweden
(mit Abo) beim Zehnt, auf welchen seit den karolingischen
Zeiten alles Gewicht gelegt wurde. Nylander konstatiert eine
Mischung aus dem (italienischen) System der Vierteilung und dem
(spanischen) System der Dreiteilung: in Schweden erhielt der Pfarrer
ein Drittel des Ackerbauzehnts, die übrigen zwei Drittel wurden
unter Bischof, Pfarrkirche, Armen gleichmäßig aufgeteilt. Den
Viehzehnt bekam der Pfarrer ganz. (Dagegen im Stift Abo wurde
der Getreidezehnt zwischen Bischof, Kirche, Pfarrer geteilt, ein
eigener Armenzehnt aber nicht erhoben.) Die „Gengärth", Ga-
stung des Bischofs bei Visitation und Kircheinweihung, war damals
in Schweden ganz die Procuratio canonica.

Nylander bespricht auch die „liturgischen Einkünfte", welche
aus dem Opfergang der Gemeinde an Sonn- und Festtagen herkamen
. Aber hier wäre entschieden diese wichtige Übung des
„Opfergangs" für Schweden genau zu umschreiben und zeitlich
zu umgrenzen. G. Schreiber hat hier Vorbildliches geleistet
(„Untersuchungen zum Sprachgebrauch des mittelalterlichen
Oblationswesens", 1931, und „Gemeinschaften des Mittelalters"
in „Gesammelte Abhandlungen Bd. I, 1948), A. Jungmann hat
es zusammengefaßt (Missarum Sollemnia II 1 ff.) und Th. Klauser
hat erneut auf die Wichtigkeit des Oblationsgangs für die Geschichte
der Liturgie gepocht („Abendländische Liturgiegeschichte",
1949, Englische Übersetzung durch Cross 1952).

Daß Nylander seine reichhaltige, im Grunde ganz schwedische
Studie in deutscher Sprache vorlegt, berechtigt zu der
Hoffnung, daß diese Arbeit des jungen schwedischen Gelehrten
gerade bei den deutschsprachigen Rechts- und Kirchenrechtsforschern
Aufmerksamkeit findet. Sie ist ein Anfang, kein Abschluß
— aber ein guter Anfang.

Augsburg Leonhard Fendt

Mastreil i, Carlo Alberto: L'Edda. Carmi Norreni. Introduzionc,
Traduzione e Commento. Prefazione di Raffaele Pettazzoni.
Florenz: Sansoni [1951]. CI, 599 S., XL Taf. 8° = Classici della
Religione. Collezione diretta da R. Pettazzoni. geb. L 4000.—.

Die Edda in der Sprache Dantes — sicher ein kühnes und
ungewöhnliches Unterfangenl Zwar der zeitliche Abstand ist gering
— Dantes Geburt ist von Snorris Tod gerade nur durch ein
Menschenalter getrennt. Der dichterische Abstand, nicht grad-,
sondern artmäßig, scheint unfaßbar zu sein. Und dennoch, jenes

Eine, jedermann eingehämmerte Infernobild des gefesselt hingestreckten
Verbrechers, der von höllischen Mächten gepeinigt
wird, ist beiden gemein (Völuspa 35), und der Isländer ist dem
Südländer in seiner Ausmalung vielleicht noch ein Jahrhundert
voraus. Kinder eines Geistes sind die beiden Antipoden also unbedingt
, und das Altersverhältnis klar. Wir sehen diese Züge
freilich gerne als einen fremden Tropfen im germanischen Blute.

Doch zuvörderst gilt es, eine kühne Tat zu begrüßen. Wir
freuen uns des hohen Interesses, das die „nordische Bibel" im
Südland findet, und trotzdem die Edda unter den großen Religionsbüchern
eigentlich ein Fremdling und auf weite Strecken
ganz anderen Geistes Kind ist, bedeutet uns ihre Einreihung
unter die religiösen Führerwerke eine Genugtuung. Die Herausgeber
der Sammlung, Professor Pettazzoni, und der sehr bescheiden
auftretende Übersetzer und Erläuterer M a s t r e 11 i,
der eigentliche Vater des Werkes, haben sich entschlossen, das
Buch, unangefochten von aller inneren textlichen Kritik, in wortgetreuer
Übertragung ihren Landsleuten vorzulegen. Das war
das einzig Richtige. Läßt man hier einmal den Strom der textlichen
Skepsis den kleinsten Raum gewinnen, dann werden alle
Dämme gebrochen.

So ist die handschriftliche Überlieferung Richtschnur geblieben
, der Konjektur ist an keiner Stelle Raum gegönnt. Die
beiden Welten, die sich hier berühren und verflechten sollen,
sind in der Tat von Stil und Technik aus gesehen, so weit abgelegen
voneinander, daß sie kaum irgendeinen Bund eingehen
könnten. Der Übersetzer bedarf nicht vieler Worte, um zu begründen
, daß diese formal ihm so fremdartige Lieddichtung in
der Übersetzung jeder metrischen Regelung spotten mußte. Er
wählt schlichte Prosa, und auch die stilistischen Zierate und
Stilisierungsmittel verwirren nicht seine im ganzen einfache und
gerade Rede. Das war, wenn auch vielleicht entsagungsvoll, so
doch weise gehandelt. Eine neue metrische, gar poetische Gewandung
konnte nicht anders als verzerren und verfälschen. Weitere
Kreise hat das hochverdienstliche Unternehmen als Empfänger
ja doch schwerlich im Auge gehabt. Entgegenkommen
gegenüber einem großen Leserkreis ist an keiner Stelle zu finden,
was wir hier selbstverständlich nicht als Tadel vermerken. Die
Lektüre dient nicht primär künstlerischem Genuß — dazu ist alles
Formpoetische zu radikal ausgemerzt, — sondern nur der
Sache, dem Inhalt. Insofern aber die poetischen Stilmittel wörtlich
beibehalten sind, erhält der Leser von Stilwollen und Stilbegriff
der nordischen Poesie doch auch eine gewisse Vorstellung.

Die Eigenart der germanischen Rhythmik wird ja vor allein
durch ein Moment gekennzeichnet, das dem romanischen metrischen
Gefühl am meisten zuwiderläuft: die herkömmliche außer-
skaldische Dichtung kennt keine Silbenzählung und keinen Silbenreim
. Der Herausgeber hat wohl acht auf die Eigengesetze
einer Poesie, die seinem Geschmack und seiner Einsicht nicht
barbarisch zu erscheinen vermögen. Er nimmt sie in ihrem Anderssein
denkbar ernst und läßt sie in der Übertragung so weit
als möglich gelten.

Der wohlabgewogene Aufbau des Werkes ist derart, daß
zunächst die Komposition, d. h. auch Gesamtdisposition der
Sammlung Edda, erörtert wird. Es folgen die Abschnitte etä e
patria — metrica legamento (Zeilenbindung), variazione l'inciso
(Zäsur). Dann zum Literarhistorischen übergehend: Die Edda
und die germanische Welt, das mythische Element, das magische
und religiöse, die Götter, schließlich das heroische Element und
das gnomische. Bei der Erörterung der Kenningar beschert er
uns den hübschen modernen Beleg: Verdi den „Boussetoschwan".

Zum Schluß eine kleine Lese von Verbesserungswünschen,
die der überwiegenden Zahl wohl geglückter und formulierter
Interpretationen gegenüber kein Gewicht haben. Der Übersetzer
möge sie nur als ein Kennzeichen des Interesses des Referenten
ansehen, daß dieses schöne Werk einer italienischen Edda sich
in möglichst vollkommener Gestalt darbieten soll.

Die Beiwörtersetzung kommt der haarsdiarfen Treffsicherheit dos
Isländischen nicht immer ganz nach. Wieviel matter als der vedreygdi
skyti des Originals wirkt der tiratore esperto; oder die Wendung:
Quando in casa felici vivemamo con le nostre sposc gegenüber dem
gefühlvollen Ausdruck des Originals: er ver heil hiu heima varom.
Zu sehr auf die Sammlung Thüle baut Skamma Strophe 3: Fino a