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Ausgabe:

1954 Nr. 2

Spalte:

101-104

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schneider, Johannes

Titel/Untertitel:

Die Taufe im Neuen Testament 1954

Rezensent:

Oepke, Albrecht

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 2

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leugnen, daß eine Reihe von Ausdrücken, die Paulus in 2. Kor. 5
gebraucht, eine auffallende Parallele in der griechisch-hellenistischen
Literatur haben. Aber damit ist nicht gesagt, daß unbedingt
eine literarische Abhängigkeit bei Paulus vorliegen
muß. Die in Betracht kommenden Ausdrücke können ihm
sehr wohl durch den (popularphilosophischen) Sprachgebrauch
seiner Zeit vertraut gewesen sein.

Ein zweiter kritischer Einwand scheint mir notwendig zu
sein. D. behauptet, daß das avv Xqiotöj in l.Thess. 4,17
nicht dieselbe Bedeutung hat wie in Phil. 1, 23 und 2. Kor. 5,8,
entsprechend dem spätjüdisch-apokalyptischen Hintergrund der
Aussagen auf der einen Seite und dem griechisch-hellenistischen
Hintergrund auf der anderen Seite. Das eine Mal sei es nichtmystisch
, das andere Mal mystisch zu verstehen. l.Thess. 4, 17
beziehe es sich auf das Anteilhaben der Christen an den escha-
tologischen Heilsgütern. In Phil. 1, 23 (auch 2. Kor. 5, 8) dagegen
bringe das avv XqiotÖ) die innige Verbindung der Christen
mit der Person Christi zum Ausdruck. Ich vermag diese Unterscheidung
nicht einzusehen. Der Satz y.al ovrcog nävroxe avv
Hvgiqj laoue&a (l.Thess. 4, 17) meint doch auch die persönliche
Gemeinschaft der Christen mit Christus. Das avv
-Xgfo-ny elvai ist die Vollendung des iv Xqiot(7) tlvai. Es
geht Paulus immer um die Vereinigung der Christusgläubigen
mit der Person des Christus.

Ich sehe das Verdienst des Vfs in einem Doppelten: 1. darin
, daß er die paulinische Formel avv XQiarco einer eingehenden
exegetischen und religionsgeschichtlichen Betrachtung unterzogen
hat; 2. darin, daß er es unternommen hat, die schwierige
Frage, in welchem Verhältnis die Aussagen des Paulus im
1. Thess. zu denen des 2. Kor. und Phil, stehen, von einem neuen
Ansatzpunkt her zu beantworten. Die Schwierigkeit liegt darin,
daß Paulus auf der einen Seite ein offenbar leibloses Sein mit
Christus unmittelbar nach dem Tode erhofft und auf der anderen
Seite ein Sein mit Christus, in dem die Christen den Auferstehungsleib
haben. Sind die verschiedenen Aussagen des Paulus
nur darauf zurückzuführen, daß er einmal spätjüdisch-apokalyptischen
und zum anderen griechisch-hellenistischen Vorstellungen
folgt? Ist damit schon, wie der Vf. anzunehmen scheint, die entscheidende
Antwort gegeben? Muß man nicht weitergehen und
die Frage stellen, wie sich die beiden Vorstellungen theologisch
für Paulus verbinden, wie sie sich überhaupt in das Gesamtgefüge
seiner Theologie einordnen? Denn es kann doch kein
Zweifel sein, daß Paulus sich auch Gedanken über das Schicksal
der Christen machen mußte, die vor der Parusie sterben. Daß
das auch eine ganz persönliche Frage des Paulus war, zeigen seine
Ausführungen in 2. Kor. 5 und Phil. 1. In dem Sein mit Christus
nach dem Tode ist eine Antwort auf die Frage nach dem
„Zwischenzustand" enthalten. Man kann sich des Eindrucks nicht
erwehren, daß das eigentliche theologische Problem nicht
hinreichend im Gesichtskreis des Vfs gestanden hat. Darin liegt
die Grenze dieser trefflichen und aufschlußreichen Untersuchung.

Berlin Johannes Schneider

Schneider, Johannes: Die Taufe im Neuen Testament. Stuttgart:
Kohlhammer 1952. 80 S. gr. 8°. DM 4.80.

Die Frage nach der biblischen Begründung der Kindertaufe
will nicht zur Ruhe kommen. Das ist sehr verständlich, vielleicht
sogar in gewissem Sinn heilsam. Wir dürfen dankbar sein, wenn
wir immer wieder gezwungen werden, sie nach allen Seiten zu
durchdenken. Die vorliegende Broschüre verspricht durch ihren
Titel und gibt auch wirklich dem Umfange nach eine Gesamtdarstellung
der neutestamentlichen Taufauffassung. Sie ist aber
tatsächlich eine polemische Monographie gegen die Kindertaufe,
verbindet also zwei sich nicht ohne weiteres deckende Thema-
stellungen. Nun ist es auf der einen Seite richtig, daß die Frage
nach der Kindertaufe zuletzt nur von der gesamten nt.lichen
Taufanschauung aus beantwortet werden kann. Auf der anderen
ist es aber doch gewagt, eine Gesamtdarstellung unter einen so
speziellen, man mag sagen: peripherischen Gesichtspunkt, wenn
nicht gar: eine Tagesfrage zu stellen. Die Gefahr, daß die eigene
Dogmatik in die Deutung des geschichtlichen Tatbestandes hineinwirkt
, ist dabei sehr groß. Der Gegenseite wirft der Verf.
freimütig „lutherischen" Dogmatismus vor. Die Frage, ob nicht

seine eigene Dogmatik seine Darstellung beeinflußt haben könnte,
scheint ihn dagegen kaum beschäftigt zu haben.

Seine Stellungnahme macht sich schon in der sonst sorgfältigen
Übersicht über den Stand der Diskussion geltend. Karl Barth
und Franz Leenhardt finden am meisten Anklang. Ihnen wird nur
vorgeworfen, daß sie auf halbem Wege stehen bleiben. Cullmann
und Schlier v/erden trotz wohlwollender Anerkennung in Einzelheiten
als dogmatisch befangen abgelehnt. Etwas besser ergeht es
den Verfechtern der Kindertaufe mit religionsgeschichtlichen Argumenten
, Leipoldt, Jeremias und mir. Auf die Differenzpunkte
kommen wir später. Hier fällt zunächst auf, daß Jeremias (S. 12)
wegen einer These bekämpft wird, die er in der 2. Auflage seiner
einschlägigen Schrift nicht erneuert, sondern zurückgenommen
hat, die demnach überholt ist.

Im nächsten, etwa fünf Sechstel des Ganzen füllenden Kapitel
wird das Zeugnis des NT von der Taufe in historischer Reihenfolge
abgehandelt. Keiner der nt.lichen Schriftsteller trägt eine
vollständige, abgerundete Tauflehre vor, aber überall fällt der
Nachdruck auf die der Taufe vorangehende persönliche Entscheidung
. Hiermit bin ich im wesentlichen einverstanden, daher nur
wenige Bemerkungen. Das Neue der Johannestaufe liegt doch wohl
auch darin, daß sie durch einen „Täufer" vollzogen wird. Das
unterstreicht schon hier die objektive Seite des Vorgangs.
Daß die trinitarische Formel des Taufbefehls für das Judenchristentum
in Anspruch genommen wird, überrascht. Mit Barth
teilt Verf. für Paulus den Fehler, von Rom. 6, 3—11 auszugehen
, während doch die Taufe nach 1. Kor. 6, 11 und der Symbolik
des Vorganges selbst in erster Linie Reinigungsbad ist. Für
die weitverbreitete Meinung, daß die Rede vom Gestorben- und
Begrabensein mit Christus dem Untertauchritus ihren Lirsprung
verdanke, fehlt jeder Beweis. Warum Verf. diese Deutung für
spezifisch hellenistisch hält, wenn er doch ihre Ableitung aus den
Mysterien mit Recht ablehnt, bleibt unklar. Über die Verbindung
von ßamt&iv mit eis meine ich ThWI 537,21—42 das Nötige
gesagt zu haben. Zum Bilde vom Anziehen Christi vgl. meinen
Galaterkommentar zu 3, 27. Für Johannes befinde ich mich
mit dem Verf. insofern in erfreulicher Übereinstimmung, als auch
er die Ausscheidung der Taufe aus der ursprünglichen johannc-
ischen Gedankenwelt ablehnt. Wenn er aber mit Recht 1. Joh. 5,
6—8 auf die Taufe bezieht, warum dann nicht auch Joh. 19, 34
zuversichtlicher, als es geschieht? Die Möglichkeit, daß Jesus anfangs
durch seine Jünger eine Art Johannestaufe hat üben lassen,
beurteile ich etwas skeptischer als der Verf. Der Evangelist mag,
wie so oft, die Geschichte gemodelt haben.

Das zusammenfassende Schlußkapitel ist, obwohl es kaum
Neues bringt, wichtig, sofern es erst ganz deutlich macht, wo der
Verf. hinaus will. Als allen nt.lichen Taufauffassungen gemeinsam
stellt er die Ordnung: Verkündigung der Heilsbotschaft —
Buße — Glaube — Taufe — Geistesempfang heraus (bes. S. 76).
Das NT kenne nur eine Taufe der Christgläubigen. So sage man
besser als „Erwachsenentaufe", weil damit auch Kinder eingeschlossen
seien, die zwar noch nicht erwachsen, aber imstande
seien, die Heilsbotschaft zu vernehmen, zum Glauben zu kommen
und in eigener Verantwortlichkeit und Willigkeit die Taufe zu
begehren. „Die Säuglingstaufe dagegen ist im NT nicht bezeugt,
sie wird durch die Tauflehre des NT ausgeschlossen" (S. 75). Den
Geistesempfang als Versiegelung erläutert Verf. wiederholt
(S. 71. 77) an dem Bilde eines untersiegelten Briefes bzw. einer
Urkunde. Dies überwiegend moderne Bild ist aber von den nt.lichen
Gedankengängen durchaus fernzuhalten. Die Bibel denkt an
die eschatologische Kennzeichnung der Erwählten (Ez. 9,4. 6:
Apk. 7, 2). Alle an die falsche archäologische Vorstellung geknüpften
Schlußfolgerungen sind hinfällig.

Wir kommen aber damit zum entscheidenden Punkt. Mit
der Feststellung, daß im NT die Reihenfolge Glaube — Taufe die
normale, die Säuglingstaufe dagegen nirgends angeordnet ist,
hat Verf. natürlich recht. Aber wer bestreitet das? Die urchristliche
Taufe ist ja Missionstaufe. Auf den Missionsfeldern liegt
die Sache heute noch ebenso. Kein evangelischer Missionar denkt
daran, wahllos irgendwelche Kinder zu taufen. Und doch tritt
bei den meisten evangelischen Missionen hinterher die Säuglingstaufe
ein. Hier liegen Fragen, an denen Verf. vorübergeht.