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Ausgabe:

1954 Nr. 2

Spalte:

99-101

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Dupont, Jacques

Titel/Untertitel:

Syn christoi 1954

Rezensent:

Schneider, Johannes Ferdinand

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 2

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und Bräuche auf Schritt und Tritt dazu reizen; so etwa das Ziehen
einer Furche um das Dorf, das Hindurchtreiben des Viehs
unter einem Feuer oder durch ein Tor, das Ziehen der Kranken
durch einen Baumspalt, die apotropäische Entblößung, Regenzauber
durch Begießen mit Wasser, Heilen durch Blasen, der Schlag
mit der Lebensrute, Vertreiben der Krankheit in den finstern
Wald, das Bauopfer und vieles andere. Aber die Darstellung
selbst ist sorgfältig und kritisch in der Quellenbenutzung.

Würzburg Friedrich Pfister

NEUES TESlTAMEJST

Dupont, Dom Jaques, Dr., O. S. B.: SYN XPISTQI — L'Union avec
le Christ suivant Saint Paul. Premiere Partie: „Avec le Christ" dans
la vie future. Bruges: Ed. de l'Abbaye de Saint-Andre; Louvain:
Nauwelaerts; Paris: Desclee de Brouwer 1952. 223 S. gr. 8°. bfr.
180.—; ffr. 1200.—.

Auf die Bedeutung der paulinischen Formel avv Xqioxm
haben vor allem A. Deißmann, C. H. Dodd, A. Schweitzer und
E. Lohmeyer hingewiesen. Der Vf. macht das avv Xgtarcp erneut
zum Gegenstand einer eingehenden Untersuchung, wobei
er die übliche Anschauung, daß das iv Xqiotcö sich auf die
gegenwärtige, das avv Xgiar^i sich auf die zukünftige Situation
der Christen bezieht, in Frage stellt. Er geht davon aus,
daß die paulinische Formel weder durch den Sprachgebrauch der
Septuaginta noch durch die griechische Religion beeinflußt ist.
Im Hellenismus kommt wohl ein ähnlicher Ausdruck vor: avv
#ecy (deoi?) „mit der Hilfe und dem Beistand Gottes (der
Götter)", aber das paulinische avv XQiarä) läßt sich nicht von
daher erklären. Das Gleiche gilt von der Septuaginta, wo der
Ausdruck „mit Gott" vor allem das gerechte Leben kennzeichnet
, das der Fromme nach dem Willen Gottes führt.

Der Vf. führt seine Untersuchung so durch, daß er zunächst das
avv Xoiotö) bei der Parusie und dann das avv Xmmm nach dem Tode
behandelt. Der Feststellung des erstgenannten Sachververhaltes dient
eine gründliche Exegese von 1. Thess. 4,13—5,11. Dabei liegt das
Schwergewicht auf der Frage nach der Bedeutung und dem Gebraiich der
Begriffe nagovola, äTidviqais und imqpäveia. D. kommt im Gegensatz
zu Deißmann, Peterson u. a. zu dem Ergebnis, daß diese Begriffe
nicht direkt durch die hellenistische Terminologie beeinflußt sind, daß
sie vielmehr auf biblische und vor allem auf apokalyptische Vorstellungen
zurückgehen. Den Prototyp für das eschatologische Kommen
Christi stelle die Theophanie vom Sinai dar. Paulus folge einem Sprachgebrauch
, der vermutlich schon im Urchristentum fixiert war, der aber
in jedem Fall in der griechischen Bibel und im Spätjudentum vorgebildet
ist. „Paulus nimmt nur hellenistische Ausdrücke auf. die bereits
durch die eschatologische Sprache des Judentums und des Christentums
adoptiert und assimiliert waren." Die Ablehnung der „hellenistischen"
These findet nach dem Urteil von D ihre Bestätigung bei dem Ausdruck
eivcu avv rr~> Xgiarff> bzw. tc» xvnioi, für den es keine Entsprechung
in der Beschreibung der Parusie hellenistischer Herrscher gibt.
Dagegen biete die spätjüdische Apokalyptik auch hier eine Reihe analoger
Aussagen: die Gerechten werden mit Abraham und den anderen
Auserwählten vereinigt werden; sie werden mit dem Menschensohn
wohnen (Hen. 71, 16). Vor allem aber lasse sich eine literarische Tradition
erkennen, die — von Dt. 33,2 ausgehend — ihre klarste Ausprägung
in Sadi. 14, 5 gefunden habe. Der Vf. glaubt, daß die Formulierung
in 1. Thess. 4, 14 von Sach. 14, 5 abhängig ist, weil hier davon
die Rede ist, daß die Heiligen am Ende der Zeiten „mit dem Herrn"
sein werden. Paulus habe diese jüdisch-eschatologische Erwartung dadurch
ins Christliche umgeprägt, daß er an die Stelle Gottes Christus
gesetzt hat. Shv Xgiaröi rivai bedeute demgemäß „teilhaben an der
Herrlichkeit Christi", „mit ihm herrschen in dem Königreich Gottes".
Steht die paulinische Formel aber im Zusammenhang mit alttestament-
lich-eschatologischen, bzw. spätjüdisch-apokalyptischen Vorstellungen,
dann kann sie nicht mystisch verstanden werden; d.h. die Christen
werden, wenn sie „mit dem Herrn" sein werden, wohl teilhaben an
seiner <5ofa und der Seligkeit des Reiches Gottes, aber das will nidit
besagen, daß sie in einer innigen Gemeinschaft, einer conversation intime
mit Christus stehen werden. Das ist von den exegetischen Voraussetzungen
des Vfs aus folgerichtig gedacht.

Ganz anders liegen die Dinge in dem zweiten Abschnitt der
Untersuchung, dem „Mit Christus nach dem Tode". Der Vf. beschäftigt
sich zunächst ausführlich mit 2. Kor. 5, 1—10. Auch hier klärt er
mit großer Sachkenntnis und gründlicher exegetischer Sorgfalt die wichtigsten
Begriffe und kommt nach einer Prüfung der außerbiblischen
Zeugnisse zu dem Ergebnis, daß — anders als in 1. Thess. 4, 13—5, 11
— ein literarischer Einfluß der hellenistischen Philosophie auf die Formulierungen
des Paulus anzunehmen ist. Das gelte besonders von der
Antithese evSrj/ieco - Exdrjfieoi. Das gelte aber vor allem von der Anschauung
des Paulus, daß die Vereinigung der Christusgläubigen mit
dem Herrn nicht bei der Parusie Christi erfolgen wird, sondern unmittelbar
nach dem Tode der Christen. Ce contexte, auquel notre for-
mule est inseparablement liee, est celui d'une pensee grecque. Elle doit
sa coloration particuliere a la maniere grecque d'opposer la vie de
l'äme durant son sejour dans le Corps et Celle qu'elle possede lors-
qu'elle est liberee du corps (p. 165). Der Vf. ist zwar nicht der
Meinung, daß die Konzeption von 2. Kor. 5, 6—8 im Widerspruch zu
gewissen Anschauungen des zeitgenössischen Judentums steht, aber er
glaubt dodi, daß diese Übereinstimmungen nicht ausreichen, um eine
unmittelbare Abhängigkeit der paulinischen Aussagen von denen des
Judentums zu beweisen. Paulus habe es in 2. Kor. 5, 6—9 mit einem
Problem zu tun, vor das er bisher nodi nicht gestellt war. So müsse
man sagen: Si Paul se rapproche de certaines vues de judaisme qui
ne correspondent pas ä sa maniere habituelle de voir, il le fait sous
l'influence directe d'un theme de la philosophie grecque (p. 171).

Zu dem gleichen Ergebnis kommt der Vf. bei der Erörterung von
Phil. 1,20—30 (amXvaai xat avv Xoiaxro cTvai), wo Paulus von der
Vereinigung mit Christus nidit erst bei der Parusie, sondern unmittelbar
nach seinem Tode spridit. Parallelen aus den platonischen Dialogen,
der hellenistischen Popularphilosophie, Grabinschriften führen den Vf.
zu dem Satz, daß Paulus in Phil. 1,20—30 sich der Ideen der griechischen
Philosophie über das Schicksal der Seele nadi dem Tode bedient,
um seiner christlichen Hoffnung Ausdruck zu geben.

Es ergibt sich dann nach dem Vf. für den Gebrauch des
avv Xoiarä) bei Paulus foleendes Bild: 1. In den Aussagen,
in denen Paulus durch den Gegensatz von gegenwärtigem und
zukünftigem Äon bestimmt ist, kennzeichnet das avv Xniarxö
das eschatologische Sein der Gläubigen bei der Parusie Christi.
In der Verbindung mit Christus werden sie nach ihrer Auferstehung
bzw. Verwandlung Anteil an den eschatologischen
Heilsgütern erhalten: sie werden mit Christus leben, mit ihm
herrschen und mit ihm verherrlicht werden. Hier ist Paulus von
jüdischen, vor allem von spätjüdischen apokalyptischen Anschauungen
abhängig. So ist das avv Xoiarq> in 1. Thess. 4, 17 zu
verstehen. 2. In 2. Kor. 5, 8 und Phil. 1, 23 hat das avv Xqi-
arcö einen ganz anderen Klang. Im Hintergrund dieser Aussagen
steht nicht die Antithese: gegenwärtiger und zukünftiger Äon,
sondern Leben und Tod, bzw. das Leben im Leibe und das Leben
, das unmittelbar dem Tode folgt. Der Gegenstand der christlichen
Hoffnung rückt — darin sieht D. eine Umformung der
eschatologischen Erwartung des Paulus — damit unter einen ganz
neuen Aspekt. In dieser neuen Art, das avv XqiotÖ) zu verstehen
, ist Paulus abhängig von griechisch-hellenistischen Vorstellungen
. Und hier geht es Paulus nicht nur darum, an den
eschatologischen Heilsgütern teilzuhaben, sondern etre reuni au
Seigneur, jouir de sa societe, entrer en une relation intime et
familiere avec lui (p. 190); hier ist die Person Christi der Gegenstand
der Hoffnung des Apostels.

Die Arbeit von D. ist in einem glänzenden Stil geschrieben;
ihr Aufbau ist klar, das Ganze ist überaus durchsichtig; es ist
eine Fülle von Literatur durchgearbeitet; jeder Abschnitt schließt
mit einer kurzen Zusammenfassung des bis dahin gewonnenen
Ergebnisses; der Ertrag der ganzen Untersuchung ist in einer
übersichtlichen Conclusion zusammengestellt. In formaler Hinsicht
ist die Arbeit vorbildlich. Es ist ein Genuß, sie zu lesen.
Aber wie steht es nun mit den Thesen, die der Vf. aufstellt?
Er hat selbst am Schluß seines Buches die Frage gestellt, die sich
mit Notwendigkeit ergibt: Ist Paulus in 2. Kor. 5,8 und
Phil. 1, 23 wirklich so stark von griechischen Vorstellungen abhängig
? Liegt hier tatsächlich eine literarische Abhängigkeit
von griechisch-hellenistischem Schrifttum vor? Der Vf. ist
sich seiner Sache nicht ganz sicher; denn er erklärt: Nous n'avons
pu arriver, sur ce point, ä une entiere certitude. La dependance
litteraire est possible (p. 191). Es ist vor allem die Frage: Paul
est-il tributaire du theme grec? Diese Frage ist zu verneinen
, denn in den literarischen Zeugnissen, die der Vf. mit großem
Fleiß gesammelt hat, ist die Rede von der Seele, die —
vom Körper befreit — zu den Göttern geht, um nun fortan in
der Gemeinschaft mit ihnen zu leben. Es läßt sich zwar nicht