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Ausgabe:

1954 Nr. 12

Spalte:

746

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Antike und Christentum; Bd. 6 1954

Rezensent:

Rengstorf, Karl Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 12

746

(Luk. 10, 35), oder wenn ein Simon von Tournay sagt: Plus enim
mereor in faciendo, quam minus facere teneor (108), — so kann
man den Porretanern für die Einführung des Begriffes des Super-
erogatorischen nicht eben dankbar sein.

Im übrigen ist es gewiß bemerkenswert, daß der Gedanke:
Par Caritas, par meritum (76) — also das Maß des Verdienstes besteht
in dem Maß der Liebe, vgl. z. B. das Scherflein der
Witwe — die Geschichte dieser Lehre einleitet und sie immer
wieder durchdringt. Man kann nicht sagen, daß die guten Werke
in der von L. geschilderten Frühscholastik das Verdienst an sich
reißen. Sie mehren höchstens dadurch das Verdienst, daß sie die
Liebe steigern (z. B. in dem Porretanischen Grundsatz: ubi major
lucta, major Corona 98 f.).

Aber wie eben überhaupt der in dieser Zeit geltende allgemeine
Grundsatz des Judiculus von der bonitas Dei (ut nostra
velit esse merita, quae sunt ipsius dona. 75) ohne Anstoß sein
kann, bleibt jedenfalls dem Protestanten ein Rätsel. Warum ist
gerade das eine so große Güte Gottes, daß unser Tun verdienstlich
heißen darf?! Lind überzeugt die zweifellos oft große Innigkeit
und Innerlichkeit der Liebe, die hinter den vielfach verwickelten
Formulierungen dieser Lehre lebendig ist, wirklich davon,
daß die größere Vollkommenheit der Liebe das „Verdienstquantum
" erhöhen kann? Der Protest der Reformation dagegen, die
Seligkeit als ewigen Lohn auf die Liebe, anstatt auf die sola fi-
des, zu gründen, ist eben doch schon gegenüber den frühscholastischen
Grundgedanken sehr berechtigt. Die Liebe hat laut der
Reformation ihren Quell im Glauben, der in dem gnädigen Gott
die vita aeterna ergreift. — Übrigens sähe man in diesem Kapitel
wohl gerne einen Rückblick auf Anselms Abschneidung aller unserer
Leistung vor Gott in „Cur deus homo" I. 20 f.

Aus dem ausführlichen Kapitel über die „Abhängigkeit der
Sünde von Gott" führe ich nur an, daß sich am Ausgang der
Frühscholastik zwei Fronten „unversöhnlich gegenüber" stehen
(269), nämlich die des Petrus Lombardus und die der Porretaner.
Die erste will die Sünden in keiner Weise von Gott ableiten und
sagt, die guten Handlungen stammten von Gott, die bösen vom
Satan und vom Menschen, wobei freilich das Böse eine Art Mitoder
Gegenschöpfer wird und nicht alles Wirkliche von Gott
stammt. Die andere Front führt die Sünde „als Akt" auf Gott
zurück (nb. der Akt ist ein wirkliches Geschehen, während das
Unrechte als solches nach dem Vorgang Anselms und Augustins
ein Negativum ist, vgl. 204—212) und stützt sich besonders auf
den zumeist für augustinisch gehaltenen Satz des Gilbert Porreta:
Facit Deus, ut faciant, quae non conveniant; sed non facit, ut
non conveniant, quae faciunt (220). — Die Fronten seien so ineinander
festgefahren, sagt L., daß sie nur durch eine neue Seinsmetaphysik
über sich hinausgehoben werden konnten (272). Diese
wird von der Hochscholastik gebracht werden und läßt in Zukunft
den Thomismus über den Molinismus den Sieg behalten.

L's Quellendarbietungen zeigen, wie außerordentlich eindringlich
die Frühscholastik auch auf diesem Felde gearbeitet hat.
Die Porretanerschule wird auch hier wieder nach ihrer „so lange
verkannten Bedeutung" mit größter Liebe und in ausführlichen
Quellenauszügen herausgearbeitet. Die Frühscholastik ist nicht
ein Preislied auf den freien Willen gewesen. Weshalb Luthers
tiefer ansetzende Kritik doch nicht unrecht hat, ist jetzt nicht
auszuführen. Nur das sei hier gesagt, daß das Problem: Gott,
der Mensch und seine Abhängigkeit auch im Bösen, bei der Frühscholastik
mehr auf Fragen der spekulativen Vorstellbarkeit geht,
bei Luther dagegen mehr auf das Bekenntnis der Ohnmacht des
sündigen Menschen vor Gott, sich nicht in seine Gemeinschaft
zurückfinden und in ihr halten zu können. Das Ausgangnehmen
bei der Negativität des Bösen spielt bei Luther kaum eine Rolle.

Wir nehmen damit von dem ersten großen Doppelteil des
Werkes mit viel Dank Abschied.

Als Corrigenda sind mir aufgefallen: S. 21 zweimal „Matthäusstelle
" statt Marcusstelle (Mc. 16,16); S. 22 (im zweiten Zitat Z. 2 muß
es nonne statt non heißen; S. 24 (Anm. 26, vorletzte Zeile) augmentata
statt agmentata; S. 108, Z. 1 ist statt l.Kor. 8, 15 zu setzen 9-}5-~
Manchmal wären etwas genauere Personalangaben erwünscht: Welcher
Haimo ist z.B. auf S. 25 gemeint?

Berlin Rudolf Hermann

D ö I g e r, Franz Joseph, Prof. Dr. (f): Antike und Christentum. Kultur
- und religionsgeschichtliche Studien. Band VI Heft 4 (S. 241—
360). Münster/Westf.: Aschendorff 1950. DM 10.— ; in Subskr.
DM 7.50.

D ö 1 g e r starb, mitten aus der Arbeit und aus mancherlei
Plänen heraus, am 17. Oktober 1940. Das Manuskript für Bd. VI
3 der von ihm begründeten und auch von ihm als Herausgeber
allein bestrittenen Zeitschrift „Antike und Christentum" lag fast
völlig fertig in seinem Nachlaß. Theodor K 1 a u s e r, nach Döl-
gers letztem Willen der Fortführer dieser seiner Lieblingsarbeit,
brachte es zum Druck. Er hat aus dem Nachlaß auch das vorliegende
4. Heft zusammengestellt, mit dem Band VI und die
Reihe der von Dölger selbst gestalteten und gefüllten Bände nun
abgeschlossen vorliegen. Sein Satz wurde 1944 vernichtet. Erst
sechs Jahre später wurde es möglich, es neu zu setzen und herauszubringen
.

Die in dem Schlußheft vereinigten Abhandlungen lassen
noch einmal empfinden, welch schmerzlichen und unersetzbaren
Verlust Dölgers früher Tod für die von ihm gepflegten Arbeitsgebiete
bedeutet. Die das Heft eröffnende umfangreiche Abhandlung
„Der Heiland" (S. 241—272) zeigt das sehr eindrücklich. In
kenntnisreichen und sorgfältigen Untersuchungen wird hier von
der Zeit der Apologeten an der Auseinandersetzung der Kirche
mit der Verehrung des Asklepios nachgegangen und gezeigt, wie
es zur Übertragung gewisser Würdebezeichnungen des „göttlichen
Arztes" auf Christus gekommen ist. Das Ganze ist ein gewichtiger
Beitrag zur Lösung des mit dem Begriff der Helleni-
sierung des Christentums gegebenen Problems, das sich in einer
neuen Form immer stärker meldet. M. E. ist die Auseinandersetzung
des Christentums mit der Verehrung des Asklepios allerdings
noch älter, als Dölger gemeint hat, und läßt sich in ihren
Anfängen bis in das 1. Jahrhundert zurückverfolgen. Ich darf für
diese These auf meine Rektoratsrede „Die Anfänge der Auseinandersetzung
zwischen Christusglaube und Asklepiosfrömmig-
keit" (Münster i. W. 1953) verweisen und hier lediglich noch bemerken
, daß ich in absehbarer Zeit auf die ganze Frage in anderem
Zusammenhang und mit wesentlich vermehrtem Material
zurückzukommen gedenke.

Die übrigen Abhandlungen behandeln in „Christliche Grundbesitzer
und heidnische Landarbeiter" (S. 297—320) einen Ausschnitt
aus dem Kampf der immer mehr erstarkenden Kirche mit
dem sich zäh verteidigenden Paganismus im 4. und 5. Jahrhundert
, und zwar unter glücklicher Verwertung der erhaltenen Predigten
der Zeit, „Das Karsamstags-Feuer aus der Kristall-Linse"
nach seiner antiken Herkunft (S. 286—296), in „Dioskuroi. Das
Reiseschiff des Apostels Paulus und seine Schutzgötter" (S. 276
—28 5) die Emblematik im Schiffswesen der Antike im Anschluß
an Apg. 28, 11, dazu einiges andere. In „Echo aus Antike und
Christentum" hat zum ersten Male neben Dölger auch Th. Klauser
das Wort genommen, zunächst in grundsätzlichen Ausführungen
zu einigen wichtigen Neuerscheinungen.

„Antike und Christentum" soll in neuer Form fortgesetzt
werden, und zwar als Archiv zu dem von K 1 a u s e r herausgegebenen
Reallexikon für Antike und Christentum. Möchte es ihm
gelingen, das von ihm im Vorwort zum Band VI von AuC gegebene
Versprechen mit der ihm eigenen Tatkraft zu verwirklichen
, und möchte es ihm vor allem auch glücken, jüngere tüchtige
Kräfte für die Mitarbeit zu gewinnen, nachdem der Krieg so
viele schöne Hoffnungen vor der Zeit zunichte gemacht hat!

Münster/Westf. Karl Heinrich Rengstorf

Fr ick, Robert, D.: Zeittafel zur Kirchengeschichte. Gladbeck: Martin
Heilmann-Verlag 1951. 32 S. 8° = Hilfen f. d. evang. Unterweisung
, ll.u. 12. H. DM 1.20.

In den „Hilfen für die evangelische Unterweisung" hat
R. Frick ein Heft „Zeittafel zur Kirchengeschichte" herausgegeben.
Die Benutzung durch Schüler bedingt die Schlichtheit der Anlage
: 1) die durch das Ganze hindurchgehenden zwei Kolumnen
mit den Überschriften Weltgeschichte und Kirchengeschichte,
2) den Verzicht auf eine Aufgliederung des Stoffes, etwa in die
übliche Vierteilung. Die Daten der Weltgeschichte werden möglichst
synchronistisch denen der Kirchengeschichte zugeordnet,
so daß der Schüler sich schnell orientieren kann.