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Ausgabe:

1954 Nr. 1

Spalte:

55-56

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Körner, Johannes

Titel/Untertitel:

Der Begriff des Eschatologischen in der Theologie Rudolf Bultmanns 1954

Rezensent:

Körner, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 1

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Schöpfung und als Tat des Gottkönigs Jahwe verstanden
. Der ganze damit verbundene Vorstellungskrcis samt der Vokabel
sädäqlsedaqa ist von Israel aus dem kanaanäischen Kultus übernommen
und wohl bis zum Exil bewahrt worden. Er hat auch außerhalb
der eigentlichen Kultdichtung seine Spuren im alten Testament hinterlassen
; in der prophetischen Literatur wird er auf endzeitliches Geschehen
übertragen, in einigen alttestamentlichen Schriften aber bewußt
getilgt, wohl aus antikanaanäischer Reaktion (das Deuteronomium,
Hesekiel und die Priesterschrift vermeiden es, von sädäqlsedaqa
Jahwes zu reden!).

Ein zweiter Teil untersucht die sdcj-Aussagen, die außerhalb dieses
kultischen Gedankenkreises stehen. In ihnen ist das Subjekt von sädäql
sedaqa der Mensch, der sich nach israelitischer Vorstellung im Alltag
als saddiq bewähren soll. Gelegenheit dazu bietet der Rechtsstreit, wo
die Rechtsgemeinde sädäqlsedaqa „tut", indem sie dem unschuldigen
Partner zu sädäqlsedaqa verhilft. Im Vergleich zum modernen Gerechtigkeitsbegriff
fällt dabei auf, daß das Prädikat saddiq nicht
auf den Richter angewandt wird, sondern auf den unschuldig
Angeklagten oder den im Recht befindlichen
Kläger. Damit hängt eng zusammen, daß weder die Substantive
des Wortstamines noch das Adjektiv oder das Verb je im alten
Testament von einem strafenden Handeln Gottes oder eines Menschen
gebraucht wird, — alle dafür in der modernen Auslegung angeführten
Stellen beruhen auf Mißdeutungen. Saddiq sein kann man nach israelitischer
Anschauung vielmehr nur gegenüber dem Gemeinschaftstreuen,
wie denn auch „gemeinschaftsgemäßes Verhalten" eine
»ehr viel zutreffendere (wenn auch nicht erschöpfende) Übersetzung
bietet als „Gerechtigkeit".

Nicht nur im Rechtsstreit wird vom Menschen sädäqlsedaqa gefordert
, sie wird z. B. auch durch die Treue der Frau zu ihrem Ehegatten
, durch Redlichkeit beim Einzug von Abgaben, durch die Fürsorge
für die Armen und durch die Vermeidung jeder Friedensstörung
überhaupt im Verkehr mit den Mitmenschen wie auch in der Erfüllung
kultischer Pflichten und durch das Vertrauen auf Jahwe verwirklicht.

Wer in dieser Weise gemeinschaftstreu (saddiq) lebt, darf seines
Heiles gewiß sein. Nach der Vorstellung der Israeliten ist nämlich
Tat mit Tatfolge, Gemeinschaftstreue mit heilvollem Ergehen wie Frevel
mit Unglück unlöslich verknüpft („synthetische Lebensauffassung").
Greift Jahwe in diesen Zusammenhang ein, so löst er ihn entweder,
wenn er unheilvoll ist, durch Vergebung auf, oder er verstärkt ihn
als heilvollen durch „Belohnung", als unheilvollen jedoch durch „Strafe".

Ein Schlußteil versucht, den ersten mit dem zweiten Teil zu verbinden
. Kehrt der Israelit am Herbstfest wieder zum Heiligtum zurück,
wird er von Jahwe gefragt („gerichtet"), ob er die ihm von Jahwe übereignete
sedaqa im Alltag bewahrt und verwirklicht hat. Nur in diesem
Fall darf er hoffen, erneut der Heilsgabe teilhaftig zu werden.

Körner, Johannes: Der Begriff des Eschatologischen in der Theologie
Rudolf Bultmanns. Diss. Bonn 1953 (Ref. Gollwitzer).

Die Darstellung (I) des B.'schen Begriffs der Eschatologie erfolgt als
Entfaltung des eschatologischen Selbstverständnisses im NT. Dabei ergibt
sich trotz der Entwicklung von der futurischen Enderwartung bei
Jesus zur joh. Polemik gegen die Apokalyptik ein einheitliches Grundmotiv
des eschatologischen Bewußtseins im Glauben an die von der
Zukunft bestimmte Heilsgegenwart. Die Christusgegenwart ist daher
als Ende der Geschichte selbst schon eschatologisch. Weil aber gerade
die cschatologische Existenz „geschichtlich" ist, entsteht aus B.s Eschato-
logie-Begriff die Frage nach der Geschichte.

Dieses Problem wird im II. Teil erörtert. B. setzt an Stelle der
„Geschichte" die „Existenz" als Wirklichkeit des Gotteshandelns. Voraussetzung
dafür ist Heideggers Ontologie (Kap. 6), deren Daseins-Begriff
die Theologie auf die Rechtfertigungslehre konzentriert und ein
„Ende der Geschichte" trotz ihres empirischen Fortbestandes ermöglicht
. — Der Bruch mit der Tradition erhält seine neutestamentliche Begründung
(Kap. 7) in der Vorrangstellung des Christus praesens vor
der endzeitlichen Erwartung und in der Widerlegung der „konsequenten
Eschatologie". Nach Abweisung des Irrtums der heilsgeschichtlichen
Theologie ist die positive Auseinandersetzung mit ihr gefordert. Der
Geschichtsbegriff wird aus der „Geschichtlichkeit" bzw. dem offenbarungsmäßigen
Gottesverhältnis abgeleitet (Kap. 8), woraus sich uneigentlichc
und eigentliche Geschichte ergibt. Durch Eigentlich-Werden der Existenz
im Glauben ist mit dem Ende der uneigentlichen zugleich der Neuanfang
der eigentlichen Geschichte gesetzt. Diese ist unanschaulich in

der anschaulichen Geschieht; enthalten, sofern sie vom Glauben konstituiert
wird. Das bedeutet den radikalen Verzicht auf eine der
Historie analoge Darstellung der Heilsgeschichte bzw. auf eine absolute
Sinndeutung der Geschichte überhaupt. — Trotz des „Endes der
Geschichte in Christus" (Scheitern) bleibt also für B. das eschatolo-
gische Existieren wirkliche Geschichte. Der Fortschritt dieses Eschato-
logie-Begriffes besteht in der Abweisung kosmischer Jenseitsvorstellungen
zu Gunsten des rechtfertigenden Gotteshandelns, das unter dem
eschatologischen Aspekt einheitlich als Sdiöpfung, Versöhnung und
Vollendung (trinitarischer Geschichts-Begriff) gesehen wird. — Die im
Vergleich mit Luther als das eigentliche eschatologische Problem erkannte
Spannung von iustus in spe und iustus in re (Kap. 9) wird jedoch
von B.s Ansatz nicht erfaßt. Soweit B. dies „noch Ausstehende"
beibehält, erscheint es als mythologischer Fremdkörper. Der phänome-
nal-ontologische Ansatz müßte hier in der Auseinandersetzung mit der
reformatorischen Rechtfertigungslehre korrigiert bzw. gesprengt werden,
wodurch 1.) diese in ihrem eschatologischen Charakter deutlicher,
2.) manches von ihr gestellte Problem interpretiert würde. Dies ist bei
B. bisher nur zum Teil erfolgt. Andererseits hat sich B.s ontologische
Voraussetzung methodisch bewährt, da sie („eschatologisch" als Ver-
baltungsweise des Glaubens, Destruktion kosmologischer und geschichts-
philosophischer Spekulationen) den Wort Charakter der Offenbarung
in der Eschatologie zur Geltung gebracht hat.

Lang, Friedrich: Das Feuer im Sprachgebrauch der Bibel, dargestellt
auf dem Hintergrund der Fcuervorstellungen in der Umwelt. Diss.
Tübingen 1951, 225 S.

Während über das Licht eine zahlreiche Literatur erschienen ist,
hat die verwandte Erscheinung des Feuers kaum eine monographische
Behandlung gefunden. Die vorliegende Diss., die aus den Vorarbeiten
zu einem Artikel des Theologischen Wörterbuchs herausgewachsen ist,
stellt in einer religionsgeschichtlichen Untersuchung die Bedeutung des
Feuers im Sprachgebrauch und in der Vorstellungswelt der Bibel dar.
Der 1. Abschnitt behandelt das Feuer im Griechentum, neben dem
lexikographischen Befund die Auffassung in der Philosophie unter besonderer
Berücksichtigung Heraklits, der Stoa und der speziellen Abhandlung
des Aristotelcsschülers Thcophrast über das Feuer sowie die
Verwendung des Feuers in der Religion von den prädeistischen Vorstellungen
über den homerischen Götterglauben bis zu den Mysterienreligionen
. Der 2. Abschnitt gibt einen Überblick über die wichtigsten
Fcuervorstellungen in der religiösen Umwelt Israels, in Ägypten, Baby-
lonien, Iran und Indien. Dabei sind die Aussagen des Avesta, vor allem
der Gathas, neben der späteren Literatur besonders ausführlich herangezogen
wegen der iranischen Einflüsse auf die spätjüdische Eschatologie
! vgl. z. B. das Motiv des Feuerstroms beim eschatologischen Gericht
. Der spezifisch parsische Fcuerkult mit Feuerpriester und Fcuer-
tempel dürfte nach der These von Stig Wikander mit der Verehrung
der Göttin Anahita zusammenhängen.

Herrscht in der Umwelt ein wesentlich kosmologischer Ansatz im
Verständnis des Feuers als eines göttlichen oder widergöttlichen Elements
vor, so nimmt das alttestamentliche Denken seinen Ausgangspunkt
bei dem handelnden Gott als dem Herrn der Schöpfung und der
Gesdiichte. Im 3. Abschnitt wird das Feuer im Alten Testament besprochen
in seinen tedmischen Verwendungsformen, im vergleichenden
und übertragenen Gebrauch und vor allem in theologischen Zusammenhängen
, bei der Theophanie, als Mittel des göttlichen Gerichts und als
Zeichen der göttlidien Gnade. Vorwiegend dient das Feuer als Mittel
des göttlichen Zorneseifers bei zeitlichen Strafen und beim eschatologischen
Gericht. Bei der anschließenden Untersuchung der Entwicklung
im Spätjudentum zeigen sich sowohl in der Apokalyptik als auch im
Rabbinismus iranisch-babylonische Einflüsse, vor allem in der Eschatologie
und in den Himmels- und Höllenvorstellungen, während Philo
von Alexandrien als Vertreter des hellenistischen Judentums stark die
griechische Feuer-Gcist-Lehre der Stoa übernommen hat.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Darstellung des Feuers im
Neuen Testament im 5. Abschnitt, in dem alle Stellen exegetisch untersucht
werden. Als grundlegend erweist sich die jüdisch-apokalyptische
Tradition. Bei den Synoptikern handelt es sich meist um das eschatologische
Gerichtsfeuer, auch in Luk. 12,49 und in dem paradoxen Rätselspruch
Mark. 9, 49. Bei Paulus klingt diese Vorstellung nur noch an
drei Stellen in traditioneller Terminologie an. Das fast völlige Fehlen
des Feuers im Evangelium und in den Briefen des Johannes hängt mit
der Vergegenwärtigung der Eschatologie und wohl auch mit einer anti-
anostischen Tendenz zusammen. Die Weltbrandlehre, die seit der Mitte
des 1. Jh. n.Chr. auch in die Apokalyptik eingedrungen ist, tritt nur
in dem späten 2. Petr. in Erscheinung. Für die gnostische Gleichsetzung
des Feuers mit der negativ gewerteten Materie findet sich kein Beleg
im Neuen Testament.