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Ausgabe:

1954 Nr. 12

Spalte:

723-732

Autor/Hrsg.:

Fuchs, Ernst

Titel/Untertitel:

Entmythologisierung und Säkularisierung 1954

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 12

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Abendmahl. Dieser Text ist an der gleichen Stelle ins Konkor-
dienbuch übergegangen. Er enthält drei Beichtfragen und gibt
eine Anweisung über den Verlauf des Beichtaktes selber. Die
selbstverständliche Voraussetzung des Ganzen ist die obligatorische
Privatbeichte vor Empfang des Abendmahles. Der VELKD-
Katechismus hat sich an das Konkordienbuch angeschlossen, wenn
auch mit erheblichen Verkürzungen bei den Ausführungen über
den Beichtakt, die z. T. als allzu gegenwartsfremd empfunden
wurden. Vorangestellt ist dann aber in zwei Abschnitten ein
Stück über das Amt der Schlüssel. Angefügt ist endlich das Sündenbekenntnis
für die allgemeine Beichte. Beide Stücke finden
sich bekanntlich weder bei Luther noch im Konkordienbuch.
Aland gibt über die Geschichte des Lehrstücks vom Amt der
Schlüssel von seinem ersten Auftauchen im Nürnberger Katechismusdruck
von 1531 an bis zum Schluß des 16. Jhdts. einen ausführlichen
und aufschlußreichen Bericht (a. a. O. S. 22 ff.), den
er mit den Worten schließt: „Die ersten Ansätze reichen bis in
die Zeit kurz nach der Entstehung des KK, aber bei den Nürnberger
Formulierungen handelt es sich eben nur um erste Ansätze
. Die Ausbildung jener eigentümlichen Form, welche Stücke
aus Luthers Beichtstück mit anderen Elementen zu einem Neuen
vereinte, erfolgt im Luthertum nach Luthers Tod" (S. 39 ff.).
Wenn die VELKD nun wieder das Stück vom Amt der Schlüssel
in den Katechismus aufgenommen hat, so hat sie Gebrauch gemacht
von ihrer Grundthese von der notwendigen Berücksichtigung
der katechetischen Tradition. Tatsächlich hat sie für uns
damit ein Novum geschaffen. Weder der revidierte Text von
18 84 noch der von 1931 kennt das Amt der Schlüssel.

Hier ist denn nun der Punkt, bei dem dogmatische Bedenken
gegen den Katechismus der VELKD nicht ganz abzuweisen
sind. Für die Stiftung des Amtes werden Matth. 16, 19
(Petrus!) und Joh. 20, 21 ff. zitiert, wo das Amt allen Jüngern
gegeben wird. Es fehlt Matth. 18, 18, wo die Gemeinde das
Amt erhält. Diese letzte Stelle ist aber entscheidend für den
evangelischen Amtsbegriff. Wird sie nicht in Anspruch genommen,
so besteht der Verdacht, daß man einen übersteigerten Amtsbegriff
vertritt, der dem reformatorischen Verständnis nicht mehr
ganz entspricht. Es wird so kaum anzunehmen sein, daß in einem
Katechismus der EKU das Stück vom Amt der Schlüssel Aufnahme
finden wird. Jedenfalls nicht in der vorliegenden Form.

Es fehlt auch sonst nicht an allerlei Bedenken gegen den
VELKD-Text. Es geht doch bei unseren Bestrebungen um die
Wiederherstellung der Privatbeichte um eine Beichte durchaus
freiwilligen Charakters, bei der jemand aus einer besonderen
Sündennot heraus die Zusprechung der Vergebung in feierlicher
Form durch den Amtsträger erbittet. Kann man da das Formular
Luthers, wenn auch noch so sehr modernisiert, übernehmen, wo

es doch mit der obligatorischen Privatbeichte rechnet? (Dieser
obligatorische Charakter klingt im VELKD-Formular immer noch
sehr deutlich an). Kommt dadurch nicht von vornherein alles
in ein falsches Licht? Man will doch nicht, wenn man heute zur
Privatbeichte geht, observanzmäßig gefragt werden, ob man die
10 Gebote gehalten habe, sondern man hat eben sein ganz konkretes
Anliegen. Hat es dann überhaupt noch einen Sinn, den
Gang der Beichte formularmäßig festzulegen und noch dazu in
einem Katechismus, wo er allenfalls in eine Agende hineingehörte
? Sollte es nicht genügen, in einen Katechismus die drei ersten
Beichtfragen hineinzusetzen und dazu vielleicht noch die
Absolutionsformel? (Die Ausgaben von 1884 und 1931 haben
die Beichtfragen.) Die Notwendigkeit, das Sündenbekenntnis
für die allgemeine Beichte, obwohl es nicht von Luther stammt,
zu bringen, wurde von keiner Seite bestritten. Übrigens sind die
eben geäußerten Fragen vom Ausschuß der EKU nicht nur an die
VELKD gerichtet worden, sondern auch an seine eigenen Entwürfe
.

Die von der Generalsynode der EKU angeregte Aussprache
mit Vertretern der VELKD hat im Herbst 1954 stattgefunden.
Man war auf beiden Seiten in hohem Maße bereit, aufeinander
zu hören. Ich darf als Teilnehmer an dieser Konferenz bezeugen,
daß man das erstrebte Ziel, zu einem einheitlichen Katechismus
für die ganze EKiD zu gelangen, sehr ernst nahm. Es mußte sich
freilich bemerkbar machen, daß die Lutheraner, gebunden an
einen offiziell anerkannten Text, nicht in der Lage waren, gemeinsam
etwas Neues zu erarbeiten, sondern daß sie nur hie
und da Konzessionen machen konnten. So begnügte man sich
denn vonseiten des EKU-Ausschusses mit der Verwirklichung
eines Teilzieles, nämlich daß wenigstens Einigung über den Text
der 5 Hauptstücke erreicht werde. Hier haben im wesentlichen
die Vertreter der EKU Konzcssionen gemacht, indem sie auf eine
Anzahl von ihnen gewünschter Modernisierungen verzichtet haben
. Die Konzession der Lutheraner soll darin bestehen, daß
sie das Stück vom Amt der Schlüssel und der Beichte aus dem
Zusammenhang der fünf Hauptstücke herausnehmen und in den
zweiten Teil des Katechismus (den Anhang) hineinstellen. In
diesem zweiten Teil würden dann die Differenzen zwischen dem
Katechismus der VELKD und dem der EKU weiter bestehen oder
doch nur wenig ausgeglichen sein. Aber das wäre ja bei der minderen
Wichtigkeit der zweiten Hälfte zu ertragen. Käme auch nur
ein einheitlicher Text für die fünf Hauptstücke zustande, wobei
man dann hoffen könnte, daß er auch von den Kirchen rezipiert
würde, die weder zur VELKD noch zur EKU gehören, so wäre
etwas erreicht, das bisher noch nicht zu erreichen möglich gewesen
ist. Das letzte Wort haben hier freilich nicht die Ausschüsse
zu sprechen, sondern die mit gesetzgebender Vollmacht
ausgestatteten Synoden.

Entmythologisierung

Von Ernst F u

I

Die sehr beachtliche Tatsache, daß die 1. Auflage der
theologischen Streitschrift Gogartens über „Entmythologisierung
und Kirche"1 so früh nach ihrem Erscheinen vergriffen war,
beweist zwar die Lesbarkeit und Aktualität der Broschüre,
aber noch nicht die theologische Relevanz ihrer These. Eine
unparteiische Rezension wird zeigen müssen, ob sie selber
Gogartens Anspruch an seine Leser (siehe das Vorwort zur
2. Auflage) genügt und woher es kommt, daß seine Gegner diesem
Anspruch nur schwer genügen können. Es könnte ja sein,
daß das „Problem der sogenannten Entmythologisierung des
Neuen Testaments" (19) nur die Welle war, auf der ein noch
bedeutsameres, für diejenigen, auf die es ankommt, weit schwerer
faßbares „Programm" gesendet wurde. Gogarten legt sich
denn auch in seiner Schrift keineswegs „auf die Art und Weise
und die einzelnen Ergebnisse" der Arbeit Rudolf Bultmanns, den

*) Gogarten, Friedrich: Entmythologisierung und Kirche.
Stuttgart: Vorwerk-Verlag [1953]. 103 S. 8°. kart. DM 5.70. - Zitiert
wird die 2. Aufl. [1954].

und Säkularisierung

chs, Tübingen

er so erfolgreich verteidigt, fest. Aber er meint, „Bultmanns
theologische Arbeit" könne dazu helfen, „über die Wirklichkeit
der Offenbarung so denken und von ihr sprechen zu lernen, daß
sie im neutestamentlichen und reformatorischen Sinn verstanden
wird" (111). Das wird zu jenen gesagt, die gegen Bultmann
nicht ohne einige Lautstärke (bis hin zu einer Generalsynode
und einer warnenden Kanzelerklärung) öffentlich den Vorwurf
erhoben haben, er sei den „Wirklichkeitskriterien des natürlichen
Menschen" (lll) erlegen. Denn sie hätten, nach Gogarten, merken
müssen, daß Bultmann, wenn der Vorwurf zu Recht bestünde
, ja gerade einer der Ihren wäre, während Bultmann in
Wahrheit ihre These der „Objektivität" und der „Faktizität"
des Offenbarungsgeschehens als hermeneutisches Problem (eben
der „Entmythologisierung" bzw. jener Wirklichkeitskriterien des
natürlichen Menschen) ins Bewußtsein erhoben und zur Diskussion
gestellt hat. „Gott und sein Wort objektivieren heißt ihn »
leugnen", sagt Gogarten in Übereinstimmung mit Bultmann (l 12). |
Wie steht es dann mit der Wirklichkeit der Offenbarung? Gogarten
bezeichnet diese Wirklichkeit — wie es seine Gegner auch