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Ausgabe:

1954 Nr. 11

Spalte:

697-698

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Afrikanische Missionsliteratur 1700 - 1879, N. 5152 - 7723 1954

Rezensent:

Westermann, Diedrich

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 11

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ist die Erklärung zum II. Artikel, weil man „das Zeugnis von
Christus nicht besser, schlichter und umfassender formulieren"
konnte (S. 49). Daß letzte Autorität nur dem Worte Gottes zukommt
und also auch diese luth. Lehr-Erklärung, der eine Funktion
als „Wegweiser" zugesprochen wird, der hl. Schrift untergeordnet
ist, wird betont (S. 73). Um so anfechtbarer und bedauerlicher
sind die leider unbelegten Ausführungen S. 26: Wo
und von wem ist je im ev. Lager „die Diktatur des geschriebenen
Wortes und Buchstabens über den lebendigen Christus" aufgerichtet
und „der Primat des lebendigen verkündigten Wortes über
das geschriebene Wort in sein Gegenteil verkehrt" worden? —

Der Reichtum und die Bedeutung dieser Schrift ist damit
nur angedeutet. Ihr Inhalt wird sich im Osten wie im Westen die
(auch kritische) Aufmerksamkeit der Theologen erzwingen, weil
er Widerspiegelung großer und kirchengeschichtlich bedeutsamer
Geschehnisse ist.

Halle/Saale Arno Lehmann

Bibliotheca Missionum. Begonnen v. P.R.Streit O.M.I.,
fortgeführt v. P. J. Dindinger O.M.I. XVII. Band: Afrikanische Missionsliteratur
1700—1879 n. 51 52—7723. Freiburg: Herder 1952.
23* u. 1026 S. gr. 8° = Veröff. des Inst. f. missionswiss. Forsdi.
DM 58.-.

Das 18. Jahrhundert, die Zeit der Aufklärung und des Rationalismus
, war für die äußere Mission weder auf katholischer
noch auf evangelischer Seite günstig. In der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts wurde in der katholischen Missionstätigkeit der
Verfall so offenkundig, daß manche ihrer Gegner glaubten, sie
sei endgültig zum Stillstand gekommen, und ihr Aufhören stehe
nahe bevor. Aber sie hat niemals ganz aufgehört, wenn sie auch
darauf angewiesen war, sich in engem Rahmen zu bewegen und
wenige äußere Erfolge aufzuweisen hatte. Sie beschränkte sich
vorwiegend auf das Europa nahe liegende nördliche und nordöstliche
Afrika: die Berberländer, Egypten, Nubien und Äthiopien
(Abessinien), neben das dann bald Madagaskar, andere ostafrikanische
Inseln und anfangsweise Mosambik und Kongo-Angola
traten, während das übrige Afrika in der Hauptsache erst
mit dem neu erwachten kirchlichen Leben und den entstehenden
neuen Missionsorden des 19. Jahrhunderts energisch in Angriff
genommen wurde. Die Anfänge waren fast überall mühsam und
oft enttäuschend. Von Mosambik wird berichtet, die Schwarzen
würden meist in articulo mortis getauft, weil sie ja doch sonst
nicht standhaft blieben. Missionsversuche in Madagaskar mißglückten
anfangs immer aufs neue. An der vorwiegend islamischen
Ostküste zeigten sich kaum nennenswerte Erfolge.

Einen schweren Schlag bedeutete der Kampf des portugiesischen
Ministers Pombai (der unter Josef I. von 1699-1782 Portugal
regierte) gegen die Jesuiten, der dahin führte, daß unter Papst
Klemens XIV. 1775 der Jesuitenorden aufgehoben wurde, er
wurde aber unter Pius VII. schon 1814 wieder zugelassen. Bis in
die Mitte des 19. Jahrhunderts wirkte der Schlag nach, da die
Oberen des Ordens die zu eröffnenden Missionen in Natal und
Liberia aus Mangel an Personal ablehnten.

Von besonderem Interesse in der Bibliographie sind die
Nachrichten über die immer wiederholten Versuche, in Äthiopien

Fuß zu fassen und eine Union der äthiopischen Kirche mit Rom
zustande zu bringen, wobei Eifersüchteleien der römischen Orden
untereinander und die enge Verbindung zwischen Mission und
politischen Zielen eine Rolle spielten.

Aus dem Jahr 1700: Brief des französ. Konsuls in Kairo an den
Konsul in Äthiopien; er schickt ihm zwei Patres für die Mission; „es
soll jedoch vorderhand keine religiöse Propaganda getrieben werden;
es handelt sich um Abschluß eines Freundschafts- und Handelsvertrags
zwischen Äthiopien und Frankreich". 1700: P. da Saleme an Kardinal
Sacripante: „Ich bemühe mich, die Eintracht mit den lesuiten zu bewahren
, allein der französische Konsul hier will den Handel Frankreichs
mit Äthiopien fördern und darum ausschließlich französische Jesuiten
in der Mission haben", „die Jesuiten lesen unberechtigterweise
meine Briefe." „Der 1. Zweck (einer Gesandtschaft 1702) ist, Erkundigung
der Möglichkeit einer Mission und Union mit Rom. Der
2. Zweck sind Handelsverbindungen." 1703 Memoire des Konsuls
Benoit: es handle sich nur um ein Handelsbündnis, nicht um Änderung
der Religion oder des Ritus; die Franzosen mißbilligen, was die Portugiesen
in dieser Hinsicht getan haben. 1703: „Die Antwort des
Papstes an den Negus ist noch nicht eingetroffen. Die Eifersüchteleien
zwischen Franziskanern und Jesuiten werden mich in meiner Gesandtschaft
behindern. Die Franziskaner sagen, der Brief, den die Jesuiten
im Namen des Negus dem Papst überreicht hätten, sei eine Fälschung
gewesen"; sie bringen einen echten Brief, worin u.a. gebeten wird,
keine Jesuiten nach Äthiopien zu schicken. 1707: Brief des Konsuls in
Kairo an Kardinal De La Tremouille: „Die äthiopische Mission ist aussichtslos
, was auch Jesuiten und Franziskaner sagen mögen." Der P. Li-
berato Weiß schreibt 1713 an Papst Klemens XL: „Der Kaiser Justus will
allen Ernstes die Union mit Rom", er verlangt aber als Gegenleistung,
„der deutsche Kaiser Karl VI. solle mit 5000 Soldaten dem Negus zu
Hilfe kommen", aber schon 1714 heißt es in einem Brief, daß Negus
lustus alle Geschenke zurückweise. 1715: „Der (äthiopische) Patriarch
hat die gewünschte Ratifikation des Glaubensbekenntnisses willig und
fromm vollzogen; die Akten beweisen es." 1737 schickt Klemens XII.
zwei Franziskaner „ad Äthiopiae regem, de reditu ad Ecclesiam catho-
licam cogitantem". Die Union kam nicht zustande, dTe Missionare wurden
verfolgt und vertrieben, aber 1789 wurde die Neuerrichtung der
Mission beschlossen, denn man rechnete auf den Schutz von Frankreich.

Die Bibliographie nennt auch ein 1724 im Halleschen Waisenhaus
verlegtes und von D. Jo. H. Michaelis herausgegebenes
Buch über Leben und Taten des Protestanten Peter Heyling aus
Lübeck, der 1632 an den abessinischen Hof kam und großen Einfluß
gewann. Der englische Reisende Bruce sagt von ihm: „Er
lebte viele Jahre im Lande, ja er regierte es sogar. Er war Ratgeber
und Minister des Kaisers Fasilides (1632—1666), des Gründers
der Stadt Gondar."

Einen breiten Raum nehmen in der Bibliographie ein die
Schriften, Briefe und Biographien des P. Libermann, er gründete
das „Oeuvre des Noirs", den Orden der Missionare vom Heiligen
Herzen Marias, und war erster General-Superior der „Kongregation
vom Heiligen Geist", die in großem Stil für die Mission
in Afrika gewirkt hat, ferner die Arbeiten Mgr. de Jacobis,
des „Apostels von Abessinien", und des P. Liberat Weiß, der
1711 zum Präfekt von Äthiopien ernannt wurde.

Auch wissenschaftliche Werke von Missionaren sind in dem
Band reichlich vertreten.

Baden, Bez. Bremen Diedrich Westermann

BERICHTE UND MITTEILUNGEN

Das hörende Herz

Kürzlich hat Siegfried Herrmann die Übernahme der ägyptischen
Literaturgattung der ,,Königsnovelle" durch das Davidische Königtum
im einzelnen nachgewiesen, nachdem diese schon länger vermutet worden
war'. Insbesondere zeigt er Zug um Zug die Verwandtschaft zwischen
Salomos Traumvision in Gibeon (1. Kg. 3, 4—15) und ägyptischen Vorbildern
auf. Lediglich in einem Punkt will er eine bezeichnende Modifikation
des übernommenen Schemas in Anpassung an die besondere
religiöse Lage Israels erkennen: in der Bitte Salomos um ein „hörendes
Herz". „Dieses Besondere am davidischen Herrscher findet seinen spre-

') Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig.
Jahrg. 3, S. 51—62.

chendsten Ausdruck in der Bitte um das „hörende Herz", die aus der
Mitte israelitischen Wesens kommt und ohne Parallele ist und hinter
der die landläufigen Wünsche — langes Leben, Reichtum und Ehre — betont
zurücktreten." (S. 57 links.)

Es ist richtig, daß die prägnante Verbindung „hörendes Herz" sich
im Ägyptischen bisher nicht gefunden hat; auch ist der Gedanke, daß es
ein wichtiges Erfordernis echten Herrschertums sei, ein für Gottes
Weisungen empfängliches Herz zu haben, in den uns erhaltenen ägyptischen
Königsnovellen nicht belegt. Doch scheint das Zufall
zu sein, denn der Gedanke ist gut ägyptisch; er findet sich besonders
einprägsam ausgesprochen in der Weisheitslehre des Ptahhotep, die zwar
nicht für einen König, aber für Beamte in den höchsten Stellen, beson-