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Ausgabe:

1954 Nr. 11

Spalte:

695-697

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Meyer, Heinrich

Titel/Untertitel:

Bekenntnisbindung und Bekenntnisbildung in jungen Kirchen 1954

Rezensent:

Lehmann, Arno

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 11

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der Missionspredigt, des Missionsberichtes und des Missionsfilms,
wie endlich über die Arbeit auf dem Missionsfelde, vor allem in
Predigt, Erziehungsarbeit und ärztlicher Mission.

Holsten erwartet Fragen und Widerspruch und gibt durch die
oft kompendiarische Kürze seiner Ausführungen und die scharf
zugespitzten Urteile Gelegenheit genug dazu.

Darf ich mir aus meiner Sicht einige Fragen erlauben? Es ist
nicht neu, daß Holsten die theologische Wissenschaft auf den arti-
culus stantis et cadentis ecclesiae gestellt hat. Das hat vor ihm
z. B. Martin Kähler in seiner Wissenschaft der christlichen Lehre
auch getan, und doch in seinen großen Aufsätzen über Mission
diese Gedanken kaum gestreift. Ob das nicht seinen Grund hat?
Ob es nicht ein Abgehen von der geschichtlichen Wirklichkeit ist,
wenn man von dem paulinischen Begriff des Kerygma ausgeht,
wenn es doch schon vor Paulus Heidenmission und eine die Mission
fordernde Gemeindetheologie gegeben hat? Ob es nicht einfacher
und ebenso theologisch ist, wenn man wie Kähler sagt,
daß hinter der Mission „der bestimmte Wille des persönlichen
Gottes steht, dessen unantastbare Majestät unsere Heilsgewißheit
trägt"? Auch Holsten drückt sich an einer Stelle ganz ähnlich ausl
Ich denke an einsame, am Erfolg verzweifelnde Missionare. Ihnen
hilft nicht ein abstraktes Kerygma, sondern nur der demütige
Gehorsam gegen den Befehl: Ihr sollt meine Zeugen sein. Ist das
weniger theologisch?

Meine zweite Frage geht dahin, wie es möglich sein soll,
Religionswissenschaft und Missionswissenschaft zusammen zu behandeln
. Theoretisch mag das gut und nötig sein, aber wo ist
der Universalwissenschaftlcr, der den unübersehbaren Stoff beider
Disziplinen zusammenarbeitet? Ich habe über diese Frage mehr als
50 Jahre nachgedacht und komme immer wieder zu der Überzeugung
, daß getrennte Bearbeitung das einzig mögliche ist. Ich
spreche das aus, weil mir seit meiner Studienzeit eine theologische
Religionswissenschaft im Sinne des Verfassers ein bisher nicht
genügend erfüllter Wunsch ist.

Noch eine dritte Frage. Wie der Begriff Kerygma oft als ein
lösendes Stichwort erscheint, das z. B. die biblische Begründung
der Mission überflüssig macht und die Missionslehre scheinbar
vereinfacht, so taucht der Begriff eschatologisch immer da auf, wo
der Missionar praktisch vor den größten Schwierigkeiten steht.
Gewiß soll der Bote Jesu immer daran denken, daß das Ziel der
Wege Gottes über diese vergängliche Welt hinausragt und hinausführt
, aber seine Arbeit stellt ihn nun einmal dauernd in die
soziologischen Zusammenhänge, und die darf und kann er nicht
übersehen. Ich habe sehr umlernen müssen, ehe ich das Anliegen
von Merle Davis verstand, und doch liegt in ihm ein tiefes Recht.
Darf die Missionslehre von der soziologischen Bedingtheit des
Menschen absehen, der doch schon in dieser Welt Bürger der anderen
Welt werden soll?

Der Fragen wären noch manche. Ich breche ab. Ich wünsche
dem Verfasser viele denkende und dankende Leser, damit ihnen
das, was ihnen selbstverständlich schien, fraglich werde, und sie
doch in ihrer Zielrichtung festbleiben, und ich wünsche dem Verfasser
mit seiner ausgebreiteten Kenntnis der Literatur, daß er
Gelegenheit finde, nicht nur die Wirklichkeit der Mission durch
Augenschein kennen zu lernen, sondern noch mehr, daß seine
reichen kritischen Gaben dem Aufbau einer Missionslehre und
Religionswissenschaft, wie sie ihm vorschwebt, zu gute kommen,
ohne daß der Leser das Empfinden hat, über der Freude an konstruktiver
Kritik werde die Wirklichkeit übersehen.

Tübingen Martin Schiunk

Meyer, Heinrich: Bekenntnisbindung und Bekenntnisbildung in
jungen Kirchen. Gütersloh: Bertelsmann 1953. 87 S. 8° = Beiträge
zur Missionswissenschaft u. evang. Religionskunde, H. 3. DM 7.20.

Der theologisch-ökumenisch hochinteressante Fragenkreis
um Tatsache und Bedeutung eines übernommenen bzw. überkommenen
und Schaffung eines eigenen Bekenntnisses innerhalb
der jungen Kirchen ist vom Verf., dem jetzigen Hanseatischen
Missionsdirektor, auf Indien eingeschränkt. Gerade das vielleicht
wichtigste Beispiel von Bekenntnisbildung einer jungen Kirche
fehlt, muß fehlen, weil es leider erst beim Erscheinen vorliegender
Schrift in deutscher Übersetzung herauskam: Das Bekenntnis

der Huria Kristen Batak Protestant (Batak-Kirche) auf Sumatra/
Indonesien (Wuppertal-Barmen 1952, 14 S.). Diesem Bekenntnis
kommt deshalb besondere Wichtigkeit zu, weil bei dessen Entstehung
, Beratung und Abfassung ,,in keiner Weise von westlicher
Seite" Einflüsse ausgeübt worden sind und es darum „das Ergebnis
eigener theologischer Reflexion batakscher Theologen ist".
Dazu kommt eine zweite Besonderheit: Im Vorwort werden
11 Gruppen aufgezählt, gegen die in 13 von den 18 Artikeln
auch Negativa („mit dieser Lehre verwerfen und bekämpfen wir' )
ausgesprochen werden.

Diese beiden Züge fehlen den hier gebotenen zwei indischen
Beispielen. Da ist zunächst S. 41—73 im Wortlaut die „Lehr-Er-
klärung (Doctrinal Statement), welche die Bekenntnisgrundlage
für den Bund der Ev.-Luth. Kirchen in Indien bietet", und damit
auch der möglicherweise 1956 zustandekommenden Vereinigten
Luth. Kirche Indiens und sodann S. 74—86 ein „Auszug aus dem
,Kircheneinigungsplan in Südindien'", der seit 1947 bestehenden
Church of South India, der großen Unionskirche mit über 1 Million
Gliedern. Bei den fast 3 Jahrzehnte währenden Vorbereitungsarbeiten
für die Vereinigung haben westliche Theologen bestimmend
mitgearbeitet, und in der Studiengruppe des luth. Kirchenbundes
saßen neben 4 Indern doch 3 Europäer. Auch unter den
zu der 4 mal tagenden Gesamtgruppe entsandten je 2 Vertretern
jeder teilnehmenden luth. Kirche waren westliche Theologen.
Verf. versichert S. 32, daß die Lehrerklärung „unter starker Beteiligung
der Inder" entstand und daß deren Wort besondere Aufmerksamkeit
gezollt wurde. Ferner wurde die Vorlage allen beteiligten
Kirchen zugeleitet, so daß behauptet werden kann, „daß
selten ein Bekenntnis unter so großer Beteiligung von Seiten der
Kirchen, Gemeinden und Pastoren erarbeitet wurde wie diese
Lehr-Erklärung der indischen lutherischen Kirchen" (S. 32).

Auffallend ist, daß sich in keinem der 2 südindischen Texte
Negativa finden. Für die Unionskirche ist das verständlich und
geboten. Bei den Lutheranern ist das auffallend, das Auslassen der
Negativa wird aber S. 34 begründet: es kam den jungen luth.
Kirchen auf eine Neubesinnung auf die Substanz ihres Glaubens
an, und „weder in den übrigen prot. Kirchen noch gar im
Heidentum begegnet im Augenblick eine scharf profilierte Irrlehre
". Zwar ist „unheimlich viel Indifferenz und Relativismus
mit Bezug auf die Lehre da". Die Zeit, auch ein damnamus auszusprechen
, mag kommen, und dann „wird es auch geschehen,
aber — von den indischen Brüdern im indischen Raum". Auf S. 38
und 44 nennt Verf. Anlässe genug, die jetzt oder später zum
Folgen des Sumatra-Beispiels führen können und wohl müssen.

Von dem, was zur Kirchenvereinigung geführt und in der
Church of South India an Lehraussagen als ausreichend erachtet
wird, sollte von der heimischen Theologie Kenntnis genommen
werden. Es kann hier so wenig dargelegt werden wie der Inhalt
der im entschiedenen Rückgang auf die Schrift gewonnenen luth.
Lehr-Erklärung, die weder als eine Redaktion noch eine Abwertung
der luth. Bekenntnisse angelegt ist. Diese wurden nur „zum
Vergleich herangezogen" (S. 44), ihr Inhalt wird „in knapper,
einfacher Sprache zum Ausdruck" gebracht „unter besonderer Berücksichtigung
der Lage der Kirche im neuen, freien Indien" (S. 41).
Warum eine Neuabfassung nötig erschien, wird nach Klärung von
Vorfragen (Ist Bekenntnisbindung Sünde? — Bekenntnisbindung
als unvermeidliches Wesensmerkmal aller Kirchen — Die Bekenntnisbindung
westl. Kirchen als Bekenntnisgesetz) dargetan. Festzuhalten
ist, daß in allen Stadien auch Vertreter der Missouri
Ev. Luth. Indian Mission mitgearbeitet haben.

Ausgezeichnet ist bei der Darstellung von Lchrpunkten die
Beachtung der hinduistischen Umwelt, so bei der Lehre vom
Dreieinigen Gott, wobei „ohne Frage eine Ausweitung des Personbegriffes
über die altkirchl. Symbole hinaus" vorgenommen
wird, weil das in Indien erforderlich ist. Ferner wurde durch Lehrgehalt
und Formulierung Mißverständnissen von Seiten der Kar-
ma-Lehre, der Bhakti-Frömmigkeit, der Magie u. a. gewehrt. Auch
die besonderen Rücksichten auf eine eben junge Kirche sind gewahrt
(S. 57, 58/9, 63/4, 65, 67/8, 72). Im Unterschied zur Haltung
der großen Unionskirche wird „zur Greifbarmachung wahrer
Einigkeit Einmütigkeit mit Bezug auf Grundlehren . . ." als „wesentlich
" erachtet. Als einziges wörtliches Zitat aus CA wird an
dieser Stelle Art. VII herangezogen. Ein weiteres wörtliches Zitat