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Ausgabe:

1954 Nr. 11

Spalte:

690-692

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Miscellanea liturgica in honorem L. Cuniberti Mohlberg 1954

Rezensent:

Beckmann, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 11

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germanisches Mittelalter — Reformation und Barock — Aufklärung
— Liturgische Erneuerung im 19. und 20. Jahrhundert. Die
ausgiebige Darstellung der alten Kirche neben der Reformation
ist von besonderem Wert. Die Auswahl der eingehender gewürdigten
Dokumente der Liturgie entspricht deren Bedeutung. Alles
in allem — eine Darbietung, die ihren Zweck voll erfüllt: ein
Überblick über die Geschichte des Gottesdienstes auf Grund des
heutigen Standes unserer Kenntnisse und Erkenntnisse, der vor
allem den Studierenden der Liturgik eine vorzügliche Einführung
bietet.

Fast die Hälfte des Bandes umfaßt der weitgespannte
Beitrag Peter Brunners: Zur Lehre vom Gottesdienst der im
Namen Jesu versammelten Gemeinde. Diese Theologie des Gottesdienstes
ist nicht nur der umfangreichste, sondern ohne Frage
auch der bedeutendste und gewichtigste Beitrag des Gesamtwerkes
. Zum ersten Male wird in der evangelischen Theologie
der neueren Zeit ein solcher Versuch unternommen, den Gottesdienst
einer gründlichen dogmatischen Untersuchung zu unterziehen
. Was es bisher in diesem Bereich gab, waren — wie die
Literatur zeigt — mehr oder weniger Entwürfe im Broschürenformat
. Hier wird unter dem bescheidenen Titel dagegen eine
großangelegte dogmatische Untersuchung durchgeführt, die eine
besondere Beachtung verdient, und zwar nicht nur seitens der
sogenannten „Liturgiker", sondern der Theologen überhaupt.

Zuerst wird Gegenstand und Aufgabe des Themas sorgsam
herausgearbeitet, nachdem eine ausgiebige Einführung in die Literatur
vorausgeschickt ist. Der erste Hauptteil ist der dogmatischen
Ortsbestimmung des Gottesdienstes gewidmet: innerhalb
der universalen Heilsökonomie Gottes; der anthropologische und
kosmologische Ort des Gottesdienstes. In diesem Teil ist der theologisch
bedeutsamste Abschnitt: Die eschatologische Wende durch
Gottes Dienst in Jesus Christus und durch Jesu Christi Dienst vor
Gott. Hier wird die eigentliche christologische Begründung des
christlichen Gottesdienstes gegeben.

Der zweite Hauptteil ist das Herzstück des Ganzen: Das
Heilsgeschehen im Gottesdienst — mit seinen beiden wichtigsten
Unterthemen: Der Gottesdienst als Dienst Gottes an der Gemeinde
und als Dienst der Gemeinde vor Gott. In diesem Zusammenhang
legt Brunner das Heilsgeschehen dar, wie es in der
Wortverkündigung und im Abendmahl je in seiner einzigartigen
Weise sich vollzieht, wobei der Begriff der „Christusanamnese"
eine entscheidende Rolle spielt. Dabei tritt eine Theologie der
Gnadenmittel Wort und Sakrament heraus, die in ihrer Dynamik,
ihrer biblischen Tiefe und reformatorischen Kraft ihresgleichen
sucht. Besonders eindrucksvoll ist die Entfaltung der Abend
mahlslehre, in der sich die Früchte neuer exegetischer Erkenntnisse
des neutestamentlichen Abendmahls zeigen.

Der letzte Hauptteil erörtert die dogmatisch so schwierige
Frage der G e s t a 11 des Gottesdienstes. Brunner gibt deswegen
eine gründliche „dogmatische Begründung", in welcher sowohl
„die Unentrinnbarkeit der Gestalt" wie „die eschatologische
Freiheit der Gestalt", Wortgebundenheit, Freiheit und Bindung
sowie die Geschichtlichkeit der Gestalt zur Sprache kommen. Dann
folgt erst „die Verwirklichung der Gestalt". In diesem Stück
kommt vor allem auch das Problem „Gottesdienst und Kunst"
in theologisch eindringender Besinnung zur Sprache. Am Schluß
steht die Frage der evangelischen „Formula missae" — d.h. letztlich
das Problem des evangelischen Kanons mit den neuerdings
wieder umstrittenen Fragen der Anamnese und Epiklese. Überall
begegnen wir einer besonnenen und begründeten theologischen
Erörterung der vielschichtigen und schwierigen Probleme, überall
stößt Brunner zu überlegten Antworten vor, die nun einer Diskussion
entgegenwarten, die hoffentlich nicht ausbleiben wird.
Jedenfalls kann sich heute in der evangelischen Theologie niemand
ernsthaft mit den Fragen des Gottesdienstes befassen, ohne
sich mit der hier vorgetragenen Lehre vom Gottesdienst beschäftigt
zu haben. Wir dürfen uns freuen, daß wir in der evangelischen
Theologie der Gegenwart über ein so bedeutendes Werk
zur Grundlegung evangelischer Liturgik verfügen.

Der „dritte Abschnitt" des Bandes handelt von „Ort und
Zeit des Gottesdienstes" und enthält zunächst den Aufsatz von
Langmaak über den gottesdienstlichen Ort. Dieser schöne

Beitrag eines Architekten über den Kirchbau hat in der Hauptsache
zwei Themen: die Geschichte des Kirchbaus und die Fragen
der praktischen Verwirklichung des Kirchbaus heute. Die Geschichte
des Kirchbaus ist mit zahlreichen Abbildungen von
Grundrissen aus allen Epochen des Kirchbaustils bereichert und
gibt ein knappes, aber überaus anschauliches Bild der Geschichte
von den ältesten Bauten bis zur Gegenwart. In dem „praktischen"
Teil finden wir eine sorgfältig durchdachte Erörterung aller Fragen
rechter Gestaltung des Kirchbaus als des gottesdienstlichen
Raumes, wobei nicht nur die großen Stilfragen, sondern auch die
Einzelheiten der Einrichtung einer evangelischen Kirche zur Behandlung
kommen. Angesichts der großen kirchlichen Wiederaufbau
- und Neubauaufgaben unserer Zeit ist gerade auch dieser
Abschnitt von großem Wert und verdient Beachtung bei denen,
die solche Aufgaben heute praktisch zu lösen haben.

Der zweite Beitrag dieses dritten Abschnittes ist von
G. Kunze: Die gottesdienstliche Zeit. Er ist von besonderem
Reiz durch die Eigenart des Aufbaus, der im wesentlichen zwei
Hauptteile umfaßt: „Die Bildungen der Geschichte" und „Annahme
und Umbildung" (in der evangelischen Kirche). Das „Kirchenjahr
" bedarf innerhalb der Liturgiewissenschaft einer neuen
Bearbeitung. Seine Entstehung und Entwicklung ist weit mehr
unerforschtes Gebiet, als man annehmen möchte. Das will Kunze
in seinem Beitrag veranschaulichen. Seine Darbietung der beiden
Grundansätze des „Kirchenjahres" in Auferstehung (Osterkreis)
und Menschwerdung (Weihnachtskreis) sowie der „versiegenden
Bildkraft" (Zeit nach Pfingsten, Heiligentage, Büß- und Fastentage)
ist außerordentlich wertvoll im Aufzeigen der Problem? der Geschichte
. Die Annahme des mittelalterlich gewordenen Kirchenjahres
in der Reformation und die dabei vollzogene Umbildung
sowie die im Protestantismus zur Geltung kommenden neuen
Formkräfte, die „Einbußen", „Zwiespältigkeiten", „Fehlansätze"
und „Durchbrüche"werden im zweiten Hauptteil aufgezeigt. Den
Schluß bildet ein schöner Abschnitt über die kirchliche Bedeutung
des Kirchenjahres.

Kunzes Beitrag ist nicht nur eine Einführung in die „gottesdienstliche
Zeit", „das Kirchenjahr", sondern vor allem eine
anregende Studie über die Probleme und Aufgaben der Forschung,
ja auch über die „Methodik der Liturgieforschung" überhaupt
(vgl. seine Ausführungen über die Vigil S. 489 ff.), von welcher
nicht nur der Student der Liturgik einiges lernen kann, sondern
auch der mitarbeitende Lehrer und Forscher Gewinn empfängt.

Düsseldorf j. Beckmann

[Moniberg:] Miscellanea Liturgica in honorem L. Cuniberti Moniberg
. Vol. 1: XXXIX, 493 S. Vol. II: 570 S., 4 Taf. Rom: Edizioni
Liturgiche E. Vincenziane 1948/49. gr. 8° = Bibliotheca Ephemerides
Liturgicae 22 u. 23. t .

'V'tfii

Zu Ehren des 70. Geburtstages des bedeutenden Liturgieforschers
C. Mohlberg ist in zwei Bänden eine eindrucksvolle
Festschrift entstanden. Zur Eröffnung findet sich eine kurze Lebensbeschreibung
und eine sorgfältige Bibliographie der Veröffentlichungen
Mohlbergs — insgesamt 105 Titel von 1906 bis
1948. 54 Aufsätze größeren und kleineren Umfan^s, von Autoren
aus Europa und Amerika (und darüber hinaus) in mannigfachen
Sprachen verfaßt, findet man hier beieinander, ein Hinweis
auf die internationale Anerkennung des Forschers, aber
auch auf die weltumspannende und -verbundene Wissenschaft
katholischer Theologie. Zwar sind die meisten Beiträge aus dem
Gebiet der Liturgieforschung, aber viele behandeln Themen aus
„verwandten" Gebieten. Es sind immer „Miscellanea", Einzelstudien
über ein ziemlich eng umrissenes Sondergebiet, aber auch
für den nicht-katholischen Mitarbeiter im Gebiet der Liturgik
von Wichtigkeit. Das Geschichtliche steht ganz im Vordergrund,
besonders die alte Kirche, angefangen von der „Messe" bei Ter-
tullian. Studien zu Einzelheiten der römischen Messe wechseln
mit solchen zur gallikanischen und mozarabischen. Unter den
Autoren befinden sich weitbekannte Forscher wie Jungmann,
Quasten, Baumstark, Ruecker, Brinktrine, Hesbert, zahlreiche
Ordensbrüder Mohlbergs, Franzosen, Italiener, Spanier, Amerikaner
.

Eine Einzelbesprechung der Aufsätze würde nicht nur den
Rahmen, der hierfür in Betracht käme, sprengen, es wäre auch