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Ausgabe:

1954 Nr. 11

Spalte:

688-690

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Geschichte und Lehre des evangelischen Gottesdienstes 1954

Rezensent:

Beckmann, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 11

688

Eckliarts von Proclus' De Providentia et fato (in Moerbeckes
Übersetzung) annehmen zu dürfen (S. 213—215).

Welches ist nach alledem der fördernde Beitrag dieses Buches
zur Eckhartforschung? Hof selbst sieht das eigentliche Verdienst
seiner Arbeit in der Anwendung des Schemas der Attributionsanalogie
auf so gut wie alle Gebiete von Eckharts Lehre. Ana-
logia attributionis ist für ihn die Zauberformel, mit der er auch
die am tiefsten im Neuplatonismus beheimateten Gedanken
Eckharts auf thomistische Schulformeln zurückzuführen vermag.
Hof selbst resümiert, „daß Eckhart, von dem man sagen kann,
daß er in seiner Anschauung mehr Neuplatoniker als Thomist sei,
im Ausgangspunkt nicht Neuplatoniker, sondern Thomist ist"
(S. 221).

Hier sind kritische Bedenken angebracht. Hof hat in der
Auseinandersetzung mit Bange, Karrer (auch mit Denifle und
Dempf) sehr energisch gegen die orthodox-thomistische Eckhartdeutung
Front gemacht. Läuft seine Untersuchung aber nicht
wieder auf dasselbe hinaus? Gewiß, er spricht von einem „reduzierten
Thomismus mit neuplatonisch gefärbter Seinsauffassung"
(S. 146). Aber man gewinnt an mehr als einer Stelle der Arbeit
den Eindruck, daß die Gewichtsverteilung zwischen Thomas und
dem Neuplatonismus falsch ist, etwa in dem Satz: „Eckharts mit
plotinisch-mystischer Erkenntnistheorie übereinstimmende Lehre
von der Gotteserkenntnis ruht auf der Grundlage der analogia
attributionis" (S. 206). Oder wenn es S. 178 heißt, „daß alle
Eckhartschen Exempel neuplatonischer Farbe und neuplatonischen
Ursprungs, die die totale Anwesenheit des Höheren in jedem
Teile des Niederen festlegen, nichts anderes sind als neuplatonische
Umschreibungen der analogia attributionis", so scheint mir
der Fehler offensichtlich zu sein. Nicht das rationale Denkschema
der Attributionsanalogie, sondern der mächtige religiöse Impuls
neuplatonischer Frömmigkeit ist das prius, ist die lebendige Wirklichkeit
Eckhartschen Denkens, die Analogie aber ist es, die die
Rolle einer Um- bzw. Beschreibung dieser Wirklichkeit spielt. Es
ist charakteristisch, daß die besagten „neuplatonischen Exempel"
Hof bei der Durchführung seiner These nicht geringe Schwierigkeiten
machen. Um sich ihrer vollen Aussagekraft zu entziehen,
entwickelt er für sie eine Interpretationsanweisung (S. 174—176),
die sie praktisch gänzlich entwertet. In ihnen sei „alles eine Illustration
, ein Bild zu allem". Hiernach entnimmt er ihnen die für
seine Konzeption brauchbaren Bildelemente und unterdrückt die
widersprechenden. Mit welchem Recht? So kommt es doch auch
bei Hof dahin, daß gerade die zugespitzten Formulierungen
Eckharts, in denen er ganz offensichtlich den Rahmen kreatia-
nischen Denkens sprengt, schematisch abgestumpft werden und
Eckharts Eigenart zwar mit viel mehr Schonung, prinzipiell aber
nicht anders als bei den rein thomistischen Eckhartinterpreten
nivelliert wird. Demgegenüber haben die von Hof — in vielem
mit Recht — so scharf kritisierte seinsmonistische und idealistische
Eckhartdeutung zweifellos den lebendigen Puls in Eckharts Denken
richtiger ertastet.

So wird man im ganzen zu urteilen haben: die Erarbeitung
der neuplatonisch gefärbten Attributionsanalogie als Schema für
die Eckhartsche analogia entis ist eine hochwichtige Förderung
der Eckhartforschung. Die Bedeutung dieser Analogielehre für
das gesamte Denken Eckharts und das Ausmaß ihrer Geltung jedoch
ist überschätzt.

Es verbleibt nunmehr dem Rezensenten noch eine peinliche Pflicht:
die empörende Nachlässigkeit der sprachlichen Gestalt des Buches und
den Mangel jeder Kontrolle der Zitate und Verweise auf Exaktheit
und Richtigkeit sowie des Textes auf Druckfehler zu brandmarken. Man
hat bei Büchern von Autoren, die nicht in ihrer Muttersprache schreiben
, Verständnis dafür, daß sie gelegentlich mit Sprachschwicrigkeiten
kämpfen; für den Kenner der Muttersprache des Autors hat das sogar
einen gewissen Reiz. Ebenso wird man in anderen Gestaltungsfragen
Nachsicht üben. Was sich Hof leistet, überschreitet jedoch alle Grenzen
der Nachsicht.

Der Sinn vieler Sätze ist erst nach längerer sprachlicher Korrektur,
der anderer überhaupt nicht zu ermitteln. Immer wieder werden rein
schwedische Worte und Wortformen im deutschen Text stehen gelassen
. Groß- und Kleinschreibung sowie die Interpunktion sind mit
absoluter Willkür und Regellosigkeit behandelt. Selbst der Name
Eckhart wird verschieden geschrieben. Griechische und lateinische Worte
schreibt Hof falsch. Es begegnen unerträgliche Wortungeheuer und Phrasen
. Am peinlichsten wirkt die Nachlässigkeit, ja Verkehrtheit des Zitierens
und Verweisens, weil sie das Vertrauen in die Zuverlässigkeit
der Arbeit und ihrer Ergebnisse untergräbt. Auf diesem Hintergrunde
erscheint die Tapferkeit, mit der Hof die Fehler anderer Eckhartinterpreten
schmält, in einem fatalen Licht, zumal es nicht an Fällen fehlt,
in denen der Fehler nicht beim kritisierten Autor, sondern beim Kritiker
Hof liegt, der flüchtig gearbeitet hat.

Man fragt sich, wie so etwas geschehen konnte, da Hof sich im
Vorwort auf prominente deutsche Freunde und Helfer bei der Arbeit
berufen kann, an deutschen Instituten gearbeitet hat und ein deutscher
Verleger für das Buch mitverantwortlich zeichnet. Jeder Deutsche, der
nur einen Blick in das Manuskript oder die Korrekturen getan hätte,
hätte dem Autor sagen können, daß das Buch so nicht erscheinen darf.
Warum ist das nicht geschehen? Ich sage das mit einem gewissen Nachdruck
, weil eine solche Behandlung der deutschen Sprache und eine
derartige Erscheinung in der deutsch geschriebenen wissenschaftlichen
Literatur nicht ohne scharfen Widerspruch bleiben darf.

Rostock K.Weiß

LITURGIEWISSEN SCHAFT

Müller, Karl Ferdinand und Walter Blankenburg: Leiturgia.

Handbuch des evangelischen Gottesdienstes. Mit einem Geleitwort
der Lutherischen Liturgischen Konferenz hrsg. Der evangelische Gottesdienst
. 1. Bd. Geschichte, Lehre und Formen des evangelischen
Gottesdienstes. Kassel: Stauda-Verlag 1954. 536 S. gr. 8°.

Das hier angezeigte Buch ist der erste Band des ersten Teils
des auf drei Teile angelegten Werkes über den evangelischen
Gottesdienst. Der erste Teil umfaßt Lehre, Geschichte und Formen
des Gottesdienstes, der zweite Teil die Taufe und Segenshandlungen
, der dritte Teil die Musik des evangelischen Gottesdienstes
. Der erste Teil mußte wegen des Umfanges der Beiträge
in zwei Bände gegliedert werden, von denen nunmehr der erste
Band abgeschlossen vorliegt. Er enthält: Die Geschichte
des christlichen Gottesdienstes von der Urkirche bis zur Gegenwart
von R. Staehlin (80 Seiten), 2. Zur Lehre vom Gottesdienst
der im Namen Jesu versammelten Gemeinde von P. Brunner
(282 Seiten), 3. Der gottesdienstliche Ort von G. Lang-
maak (72 Seiten) und 4. Die gottesdienstliche Zeit von G. Kunze
(98 Seiten).

Um es gleich vorweg zu sagen: Das Ganze ist ein beachtliches
Unternehmen. Seit langem ist im Bereich der evangelischen
Liturgik nichts Derartiges geplant und vor allem in Angriff genommen
worden. Es war wirklich hohe Zeit, daß diese Arbeit
endlich einmal getan wurde, damit die Studenten, Kandidaten,
Pfarrer, Kirchenmusiker in der evangelischen Kirche ein Buch zum
Studium der Liturgik in die Hand bekommen. Jeder Lehrer der
Liturgik war bisher in der Verlegenheit, welche Literatur er seinen
Schülern zum Weiter- oder Nacharbeiten angeben sollte.
Hier ist ein „Handbuch", ein Studienbuch gegeben, das sich auch
dadurch auszeichnet, daß es auf die Angabe aller in Betracht kommenden
Literatur Wert legt. Das Werk ist nicht von einem
verfaßt, sondern die beiden Herausgeber haben sich eine ganze
Reihe von Mitarbeitern für die einzelnen Teile gesucht — angesichts
der traditionellen Lage im Bereich der evangelischen Liturgik
gewiß ein nicht geringes Wagnis, jedoch, wie jedenfalls
der vorliegende Band zeigt, ein gelungenes Wagnis. Bei mancher
Verschiedenheit im einzelnen ist eine gemeinsame Grundüberzeugung
vom evangelischen Gottesdienst in allen Beiträgen sichtbar
, ein hoffnungsvolles Anzeichen nicht nur für die Fortsetzung
des Werkes, sondern auch für die gegenwärtige evangelische Liturgiewissenschaft
. Die Ergebnisse und Früchte einer seit Jahren
neu begonnenen liturgischen Arbeit in der evangelischen Kirche
Deutschlands kommen an den Tag — wie bei der Erneucrungs-
arbeit an den kirchlichen Agenden, so auch im Bereich der theologischen
Lehre und Forschung liturgiewissenschaftlicher Art.

Nun zu den einzelnen Beiträgenl

R. Staehlin legt auf 80 Seiten eine naturgemäß knappe,
aber in ihrer auf das Wesentliche konzentrierten Weise treffliche
Geschichte des Gemeindegottesdienstes vor, in der die Ergebnisse
der umfassenden liturgiehistorischen Forschung der letzten Jahrzehnte
verarbeitet sind. Die Gliederung der Epochen der
Liturgiegeschichtc ist geschickt: Martyrerkirche — Reichskirche —